Oberhaching:Der Arzt soll entscheiden

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Harald Braun, Petra Dietz-Leukemann, Karlheinz von Jan, Johanna Rumschoettel, Katja Goudinoudis und Sebastian Heller (von links). (Foto: Claus Schunk)

Diskussionsteilnehmer in Oberhaching lehnen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe ab

Von Johanna Mayerhofer

"Ich möchte sterben, weil ein Leben in diesem Zustand unwürdig ist", sagt Ramon Sampedro. Seit seinem 25. Lebensjahr ist der Galizier durch einen Badeunfall halsabwärts vollständig gelähmt. Sein sehnlichster Wunsch: Er möchte sein Leben in Würde beenden - und kämpft dafür, aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können. Man blickt in nachdenkliche Gesichter im abgedunkelten Bibliothekssaal am Dienstagabend in Oberhaching. Die Anwesenden sind sichtlich ergriffen von den filmischen Szenen, die sich auf der heruntergefahrenen Leinwand vor ihnen abspielen. Der gezeigte Spielfilm "Das Meer in mir" des spanischen Regisseurs Alejandro Amenabar thematisiert ein brisantes Thema: den Sterbewunsch kranker Menschen. Durch den Filmabend mit anschließendem Podiumsgespräch möchte das Zentrum für Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung München Land und Stadtrand, ZAHPV, mit Sitz in Oberhaching, auf das Thema aufmerksam machen - und aufzeigen, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten vor der Entscheidung zu einem Suizid gibt.

"Das Thema wird immer nach außen geschoben, und man ist froh, wenn sich jemand darum kümmert", sagt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle als Schirmherr der Veranstaltung, "wir müssen lernen, mit dem Thema Tod umzugehen, egal in welchem Alter." Vor allem die geplante Neuregelung des ärztlich assistierten Suizids hat in den vergangenen Monaten eine Diskussion in Deutschland über die Beihilfe zur Selbsttötung entfacht. Im Herbst 2015 entscheidet der Bundestag über einen strittigen Gesetzesvorschlag, der die bisher straffreie ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung verbietet, im Einzelfall aber die Hilfe weiterhin als zulässig ansieht.

Anders als in der Bundespolitik ist man sich im Podium einig: Es bedarf keines Gesetzes. "Es würde Türen öffnen und Ausnahmen zu Regeln machen", sagt Petra Dietz-Laukemann, ärztliche Leiterin des ZAHPV in Oberhaching. Ärzte sollten weiter in den Ausnahmefällen individuell entscheiden können, ohne nach einem Gesetz zu handeln. Karlheinz von Jan, der in Fürstenfeldbruck die spezialisierte ambulante Palliativversorgung, SAPV, ärztlich leitet, pflichtet seiner Kollegin bei: "Man kann nicht über einen Kamm scheren, es ist eine sehr individuelle Sache." In seiner zweijährigen Arbeit hätten drei von insgesamt 600 behandelten Patienten den Wunsch nach Sterbehilfe geäußert. Er möchte durch eine vollpalliative Versorgung und die nötige Zuwendung verhindern, dass Sterbewünsche erst aufkommen. Diesen Ansatz verfolgt auch Katja Goudinoudis in ihrer Arbeit. "Es ist oft nicht der Wunsch zu sterben, sondern die Angst davor, lange und unter Schmerzen zu leiden, alleine zu sein und sich nicht versorgt zu fühlen." Die Leiterin des ZAHPV möchte den Menschen aufzeigen, welche palliative Möglichkeiten sie an ihrem Lebensende haben. Das Angebot des ärztlich assistierten Suizids sieht Goudinoudis deshalb nicht als Aufgabe der Hospiz- und Palliativversorgung. Sie ist dennoch froh über die Diskussion, die der Gesetzesvorschlag entfacht hat. Die habe dazu geführt, dass parallel ein Hospiz- und Palliativgesetz ausgearbeitet wurde. "Es wird unsere Arbeit wesentlich erleichtern."

Neben der Politik hat der Gesetzesvorschlag auch die Kirche zum Nachdenken angeregt. "Wir dürfen uns nicht hinter dogmatischen Mauern verstecken", sagt Harald Braun, evangelischer Diakon und Seelsorger in der ambulanten Palliativversorgung. Für Sebastian Heller, Fachreferent der Hospizarbeit im Caritasverband München und Freising, ist es wichtig, die Menschen, sollten sie sich für den Schritt der Sterbehilfe entscheiden, zu respektieren. "Wir dürfen es nicht moralisch bewerten."

Der späten Uhrzeit und der Vielschichtigkeit des Themas geschuldet, bleiben am Ende viele Fragen offen. "Auch ich habe noch sehr viele auf meinem Zettel stehen", sagt Johanna Rumschöttel als Moderatorin der Diskussion, "das Thema bewegt uns eben alle."

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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