Neue Ortschronik:Als Ottobrunn noch ein Ausflugsziel war

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Roland Haase erzählt in einem neuen Buch anhand alter Ansichtskarten von den Anfängen der jungen Gemeinde und der benachbarten Siedlung Riemerling

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Drei Mal hat sich Roland Haase mit Ludwig Danzer getroffen. Drei Gespräche innerhalb von 39 Tagen - dann ist Danzer im Alter von 87 Jahren gestorben. Dies, sagt Haase, sei so etwas wie "ein Erweckungserlebnis" für ihn selbst gewesen. Das soll dem Tod gegenüber nicht despektierlich klingen. "Ich wusste, es muss schnell gehen, damit ich veröffentlichen kann", sagt der 55-jährige Ottobrunner.

Das, was er nun der Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist ein 236 Seiten dickes, in dieser Art noch nicht da gewesenes Zeugnis der Geschichte seiner Heimatgemeinde. "Unser Ottobrunn und Riemerling - Menschen, Häuser und Geschichte(n) im Spiegel alter Ansichtskarten" lautet der Titel über die Historie des Siedlungsraums Ottobrunn und Riemerling. Es umfasst die Zeit von der Gründung im Jahr 1902 bis ins Jahr 1955, als Ottobrunn in den Rang einer eigenständigen Gemeinde erhoben wurde. Und Ludwig Danzer gehört zu jenen weit mehr als hundert Zeitzeugen aus dem In- und Ausland, die Haase in den vergangenen Jahren getroffen und gesprochen hat. Danzer war der Neffe des ehemaligen Besitzers des Café Danzer, das von 1924 bis 1970 an der heutigen Clemens-Schöps-Straße 32 stand. "Schmackhaftes Hausbrot" gab es dort, lässt sich der Chronik entnehmen, und natürlich "Milchbrötchen".

Das Waldschlösschen gehört zu den Wahrzeichen Ottobrunns (hierauf einer Postkarte von 1917).

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(Foto: Hans Pernat, München)

Blick von der Rosenheimer Landstraße in die Prinz-Otto-Straße um 1910.

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(Foto: Jos. Kaltenbach, München)

Konditorei und Café Danzer.

Die Luftansicht zeigt Ottobrunn und Riemerling 1929/30.

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(Foto: T & M)

Die Rosenheimer Landstraße mit Café Danzer im Jahr 1928.

Das Café Danzer ist eine jener Einrichtungen, die älteren Bürgern noch bekannt sein dürfte. Nicht aber den jüngeren. Erinnerungen zu bewahren aber ist genau das, was Roland Haase mit seinem Buch bezwecken will. "Für uns als Gemeinde ist das ein wahres Geschenk, ein Meilenstein", sagt Bürgermeister Thomas Loderer, der selbst erst seit 2006 in der Gemeinde wohnt, bei der Vorstellung von "Unser Ottobrunn".

Eingebunden ist das Werk mit einem grünen Umschlag, die dezent die Schattierung einer Rinde symbolisiert. Es ist eine Hommage an die Ursprünge der jungen Gemeinde. An die Zeit, als es hier nur Wald gab, und die Münchner Anfang des vorigen Jahrhunderts die Region als Ausflugsziel entdeckten. In dieser Zeit entwickelte sich ein Trend, den es heute nur noch in touristischen Hochburgen gibt - und der gewissermaßen der Aufhänger für Haases Werk ist: Post- und Ansichtskarten. Über Jahre hinweg hat Jan Murken, Leiter des König-Otto-Museums in Ottobrunn, Karten aus der Gemeinde gesammelt. Historische Ansichten von der Ottosäule, der Wolf-Ferrari-Villen, des Waldschlösschens und auch der Kirchen. Mehr als 40 Karten befanden sich bald in Murkens Besitz, ein Buch sollte daraus werden, doch dem Ehrenbürger fehlte schlicht die Zeit - er musste mit mehr als 80 Lebensjahren noch einmal sein Standard-Lehrwerk zur Genetik überarbeiten.

Roland Haase, 55, lebt seit 2008 in Ottobrunn. Für seine Chronik hat er Hunderte Ansichtskarten und Fotografien ausgewertet und mehr als 200 Interviews im In- und Ausland geführt. (Foto: Claus Schunk)

Doch er fand Roland Haase. Im Jahr 2013 startete dieser zwei Aufrufe im Gemeindeblatt, Bürger mögen ihm alte Postkarten zuschicken. "Die Resonanz war überwältigend", sagt Haase. Im Mittelpunkt stehen nach akribischer Arbeit etwas mehr als 80 Kapitel zu "schon oft vergessenen Biografien", sagt Rathauschef Loderer - über Häuser, Menschen, Geschäfte, Schulen oder das erste Wasserwerk. Es ist ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen mit unendlich vielen Informationen, das Haase vorgelegt hat. Mit hilfreichen Quellenangaben und Verzeichnissen. Und einer Karte der Gemeinde mit den historisch bedeutendsten Orten. Ein zweites Buch mit der Gemeindegeschichte bis in die Gegenwart, sagt Haase, ist in Arbeit.

"Unser Ottobrunn" ist zum Preis von 14 Euro im Rathaus, bei Buch Kempter und im Otto-König-von-Griechenland-Museum erhältlich.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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