Neubiberg:"Wir werden mehr und mehr akzeptiert"

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Hiltrud Coqui lebt in Neubiberg und engagiert sich seit mehr als 30 Jahren im Arbeitskreis Eltern behinderter Kinder. Sie hat eine behinderte Tochter. (Foto: Claus Schunk)

Hiltrud Coqui aus Neubiberg engagiert sich seit 35 Jahren im Arbeitskreis Eltern behinderter Kinder

Interview von Marie Ludwig, Neubiberg

Hiltrud Coqui, 66, engagiert sich bereits seit der Gründung im Arbeitskreis Eltern behinderter Kinder Neubiberg. Diese Woche feiert die Selbsthilfegruppe, der inzwischen Eltern aus dem ganzen Landkreis angehören, ihr 35-jähriges Bestehen. Ein Rückblick.

SZ: Wie sind Sie zum Ehrenamt im Arbeitskreis Eltern behinderter Kinder gekommen?

Hiltrud Coqui: Alles hat mit einer Einladung des Neubiberger Bürgermeisters Schneider im Jahr 1981 angefangen. Ich bin Mutter einer behinderten Tochter. Beim Bürgermeistergespräch kam ich das erste Mal mit anderen Eltern behinderter Kinder aus dem Landkreis in Kontakt. Und da fiel uns auf, dass wir Eltern einen unglaublichen Gesprächsbedarf haben. Damals gab es eben noch kein Internet - wir waren mit unseren Sorgen komplett auf uns gestellt. Im Anschluss an das Treffen hatten wir deshalb alle das Gefühl: Das müssen wir fortsetzen und haben uns immer öfter getroffen. Die Selbsthilfegruppe war letztlich nur eine logische Folge.

Wenn Sie einen Rückblick auf 35 Jahre wagen, was hat sich verändert?

Enorm viel! Früher, da musste man als Elternteil so stark sein, wenn wir mal mit unseren Kindern auf den Spielplatz gegangen sind. Und die Blicke haben einen natürlich verletzt. Manchmal hatte auch ich keine Kraft mehr, aber durch die Elternabende im Arbeitskreis habe ich wieder Selbstvertrauen gefunden, ich war nicht mehr allein. Wenn wir jetzt Ausflüge mit der ganzen Gruppe machen, da sind wir einfach nur stark. Klar werden wir angeguckt, aber ich denke, unsere Kinder und wir werden mehr und mehr akzeptiert. Das halte ich für eine erfolgreiche Entwicklung.

Warum haben Sie keinen Verein gegründet, sondern sich für die Selbstgruppe entschieden?

Es war so, dass wir zunächst keiner großen Organisation angehören wollten, um für alle Eltern offen zu sein. Uns ging es auch nicht darum einen Vorstand zu haben, der alles entscheidet. Natürlich bin ich zusammen mit meiner Kollegin Cornelia Scharnagl der Motor, der dafür sorgt, dass alles organisiert wird, aber die Selbsthilfegruppe zeichnet sich vor allem durch ihre Freiwilligkeit und das Mitspracherecht aller aus. Ich selbst war zwischendurch vier Jahre mal nicht so aktiv wie ich es derzeit bin. Jeder so, wie er es gerade kann - das gibt allen 70 Familien, die uns angehören, ein gutes Gefühl.

Wie sah die Arbeit im Arbeitskreis bisher aus?

Zunächst haben wir mit ganz einfachen Gesprächsrunden begonnen. Aber wir haben auch Referenten eingeladen, die uns über die bestmöglichen Betreuungs- und Therapiemaßnahmen und vieles mehr informiert haben. Ohne finanzielle Unterstützung hätten wir das gewiss nicht geschafft. Private Sponsoren, die Gemeinde Neubiberg, der Landkreis, der SZ-Adventskalender - um einige zu nennen - haben uns mit Spenden unterstützt. Als unsere Kinder älter wurden, haben wir den Club Traumhaus ins Leben gerufen, ein regelmäßiger Freizeittreff von behinderten und nicht behinderten Menschen. Uns war wichtig, dass unsere Kinder auch einmal alleine und ohne Eltern oder professioneller Betreuung unterwegs sein können; so wie es normale Jugendliche auch tun.

Wenn Sie an die nächsten 35 Jahre denken, was wünschen Sie sich ?

Zunächst einmal hoffe ich, dass die Selbsthilfegruppe weiter als Ergänzung zu den großen Sozialorganisationen bestehen wird. Vor allem der Club Traumhaus liegt mir am Herzen. Wir alle haben mehrere Säulen im Leben: Arbeit, Familie, Freunde - auch Menschen mit Beeinträchtigung sollen ihr Leben so gestalten können. Meine Tochter ist inzwischen 37 Jahre alt und sie hat durch das Freizeitangebot Freunde außerhalb ihrer Wohnstätte. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit, sind unterschiedliche Wege gegangen und konnten trotzdem die Kontakte weiter aufrechterhalten und sich gegenseitig wertschätzen und Gemeinsamkeit und Freundschaft erfahren. Das ist für mich das Wichtigste. Das soll auch in den nächsten 35 Jahren weiter gelebt werden.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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