Neubiberg:Von der Bildungsanstalt zum Dienstleister

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Michael Mühlbauer, 64, ist seit 1979 Lehrer für Geschichte, Deutsch und Sozialkunde am Gymnasium Neubiberg. (Foto: Claus Schunk)

Das Gymnasium Neubiberg hat sich in 40 Jahren stark gewandelt. Geschichtslehrer Michael Mühlbauer ist seit der Anfangszeit dabei.

Von Anna Hordych, Neubiberg

Wenn das Gymnasium Neubiberg an diesem Freitag sein 40-jähriges Bestehen feiert, dann ist Michael Mühlbauer einer jener Experten, die den genealogischen Lauf der Schule in- und auswendig kennen. Ende der Siebzigerjahre kam der heute 64-Jährige als Deutsch- und Geschichtslehrer an das Gymnasium. Da steckte die Schule noch in den Kinderschuhen - sie existierte seit gerade einmal drei Jahren. Rückblickend deutet Mühlbauer den Werdegang der Schule als ein "schwungvolles Auf-und-ab" - das liegt nicht nur an Zu- und Abnahme der Schülerzahlen - in 37 Jahren als Lehrer hat er den Wandel in der Bildungspolitik am eigenen Leib miterlebt.

Schon wie die Jubiläen gefeiert werden, zeigt, dass sich der Zeitgeist verändert hat: Noch vor 15 Jahren, bei der 25-Jahrfeier, hat sich der Festakt in Neubiberg zum Großteil aus "strengen, formellen Reden zusammengesetzt", erzählt Mühlbauer, es gab "programmatische Botschaften ans Publikum" und: "Schüler traten höchstens als Pausenfüller auf."

Ein Fest für die Schüler

Das ist nicht zu vergleichen mit dem Programm, das die Gäste an diesem Freitag erwartet: Turner aus den neunten und zehnten Klassen führen Kunststücke auf "Air-Track-Matten" vor, auf der Bühne werden Theaterszenen zum Besten gegeben, zwei Schülerinnen tanzen Ballett, der Chor singt, die Big Band spielt. "Es ist vor allem ein Fest für die Schüler", macht Mühlbauer deutlich. Zwischendrin wird schon auch geredet: Der Bürgermeister oder der Schulleiter zum Beispiel werden ein paar Worte verlieren - aber insgesamt hat sich das Programm von einst ins Gegenteil verkehrt.

"Die Schule versteht sich heute mehr als ein Dienstleistungsbetrieb", sagt Mühlbauer. In den Siebziger- und Achtzigerjahren habe es noch richtige Fehden zwischen Eltern und Lehrern gegeben, "der Ton war aggressiv und es kam zu regelrechten Gruppenbildungen", berichtet der Lehrer, der auch Mitarbeiter der Schulleitung ist. Heutzutage gehe es gelassener zu. In diesem Jahr war es der Elternbeirat, der sich das Fest zum 40-jährigen Bestehen der Schule gewünscht hatte - "und wir haben uns gerne gefügt", erklärt Manuela Braun-Halla, die Lehrerin in Neubiberg ist und ebenso zum Team der Schulleitung gehört. Die Zeiten der großen Konflikte zwischen Lehrbetrieb und Elternvertretung sind vorüber.

Damals war die Pädagogik anders

Doch mag das Konzept des Neubiberger Schulfestes auch locker und verspielt sein, die Faszination für die offiziellen Ansprachen ist nach wie vor stark: Braun-Halla erklärt, das Interesse am nachmittäglichen Sekt-Empfang sei "derart hoch", dass man den Start des "normalen" Sommerfestes vorverlegt habe - so können alle Gäste, die keinen Platz in der Aula finden, schon einmal parallel mit der Feierei beginnen. Denn mehr als achthundert Leute könnten in der Aula nicht untergebracht werden - angekündigt haben sich aber 1200 Gäste.

Das ist beachtlich - so viele Schüler hat die Schule gezählt, als Mühlbauer 1979 in Neubiberg anfing. Damals war die Pädagogik eine merklich andere als im Jahr 2016: "Eine siebte Klasse von vierzig Schülern" hatte der junge Mühlbauer zu beaufsichtigen, als er mit 28 Jahren seinen Posten antrat. "Im engen Klassenzimmer ließ sich der Unterricht nur zentral organisieren", sagt Mühlbauer, "teamorientierte Lehrkonzepte, die heute üblich sind und auch mal auf Bewegung im Raum abzielen, konnte man damals unmöglich umsetzen."

Das Lernangebot ist viel heterogener

Führt man sich die hellen und luftigen Räume der architektonischen Lernlandschaften vor Augen, die seit 2013 den Charakter des Neubiberger Gymnasiums prägen, wird deutlich, wie sich die Wahrnehmung des schulischen Lernens- und Lehrens gewandelt hat. Türen fehlen, Tische sind in Dreierformationen zusammengerückt, das Pult ist nicht zwangsläufig Dreh- und Angelpunkt des Geschehens.

"Als positiv" erlebt Mühlbauer den Bruch mit hierarchischen Strukturen und tradierten Rollenmustern. Eine willkommene Entwicklung sei auch die Neugewichtung von schriftlichen und mündlichen Noten, die für die Oberstufe im G8 sogar gleich stark zählen. Nicht zu vergessen seien auch die Effekte, die Programme wie W- und P-Seminare für Lehrer hätten: Hier könnten sie individuell entscheiden, was für ein Modul sie je nach Eigeninteressen anbieten - dadurch werde das Lehrangebot viel heterogener. Zum innovativen Geist in Neubiberg tragen sicher auch die vielen Referendare und Referendarinnen bei, die an die Schule strömen. Als einziges Gymnasium im Münchner Landkreis bildet die Schule neue Nachwuchslehrer aus - um die Sechzig halten sich gleichzeitig im Neubiberger Betrieb auf.

Seit acht Jahren fließen so unentwegt neue Ideen in die Unterrichtsgestaltung ein - "die jungen Leute kommen frisch von der Uni und bringen oftmals Vorschläge mit, wie man das Material aufbereiten kann", sagt Mühlbauer. Der Geschichtslehrer, der nach diesem Schuljahr in Rente geht, schätzt den schulinternen Dialog, er hat sogar einen Fachkollegen, der schon als Schüler bei ihm saß. Und Mühlbauer findet: "Das neue Du zueinander ist eine schöne Erfahrung."

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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