Neubiberg:Und Gott sah, dass es gut war

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Chor, Orchester und Solisten wagen sich in Rosenkranzkönigin an Haydns "Die Schöpfung". (Foto: Claus Schunk)

Der Ottobrunner Chor Ars Musica inszeniert Haydns "Schöpfung"

Von Julian Carlos Betz, Neubiberg

Wilde Paukenwirbel, kraftvolle, zarte und hochtönende Engelsstimmen: Unerwartete Klänge sind beim Konzert des Ottobrunner Chores Ars Musica in der Neubiberger Kirche Rosenkranzkönigin zu hören. Wie Gott aus dem Chaos einen lebendigen Organismus schafft und zuletzt den Menschen hineinsetzt, unschuldig und mit Dankbarkeit für das einzigartige Geschenk der Welt versehen, kann der Zuhörer bei der Darbietung gemeinsam mit dem Kammerorchester Stringendo und der Chorgemeinschaft St. Pius aus Pöcking am eigenen Leib erfahren.

An den Wänden hängen Passionsbilder, vorne hinter dem Altar der gekreuzigte Christus - die passende Atmosphäre für eine Aufführung des geistlich-klassischen Werks ist mit der Wahl des Aufführungsortes jedenfalls gegeben. Der ganze 35 Musiknummern umspannende Bogen von der Lichtung des Chaos bis zur Erzählung der ersten glücklichen Stunden von Adam und Eva im Paradies berichtet in eindringlichem Duktus und bejahender Geste von den Anfängen der Welt nach dem Ersten Buch Mose. Pünktlich zu seinem 40. Jubiläum hat sich Ars Musica entschieden, dieses Werk aufzuführen, unter der musikalischen Leitung von Norbert Groh, der auch schon an der Bayerischen Staatsoper gearbeitet hat. Dabei wird der harmonisch eingestimmte Chor von drei professionellen Solisten begleitet, die jeweils die Engel Raphael, Gabriel und Uriel singen.

Besonders beeindruckend an dem von Groh mit sicherer Hand auf den Punkt dirigierten Oratorium ist die schiere Sinnlichkeit, mit der die vielen Rezitative im Wechsel mit Chor, Arien und Terzetten das Nachempfinden eines in der Geschichte einzigartigen Vorganges deutlich machen. Ungeachtet der christlichen Machart ist es somit ein universelles Stück, das auch in der Aufführung von Ars Musica seine ganze Fülle an Vortragskunst offeriert und sich sowohl dem rein musikalischen Genuss offen zeigt als auch dem Nachvollzug des biblischen Schöpfungsmythos.

Auch schwermütige Passagen, die hier nur der beinah naturalistischen Nachahmung von Wasserwelt und Tiefe dienen wie zu Beginn des zweiten Teils, als von der Erschaffung der Fische die Rede ist, tragen den positiven, darstellenden Wert des Oratoriums in seiner bildlichen Breite. Der zu Zeiten der Uraufführung im endenden 18. Jahrhundert Wiens enorme Zuspruch vonseiten des Publikums wird hier schnell verständlich, wenn man sich auf die getragene, mehr dem thematischen Rhythmus als der schwungvollen Erneuerung um der spontanen Begeisterung willen verhaftete Struktur des heute nicht mehr ganz so häufig aufgeführten Oratoriums einlässt.

"Und Gott sah, dass es gut war." So empfinden auch Adam und Eva, als sie schließlich im Paradies ihre neue Freiheit im umhegten Schoße der göttlichen Natur erfahren. Und auch als Zuhörer empfindet man eine ähnliche Genugtuung über den bravourösen Abgang des Orchesters mit Chor, nachdem Uriel - markant und erfrischend klar artikulierend gesungen von Tenor Moon Yung Oh - das erste Paar auf Erden noch mit erhobenem Zeigefinger darauf hinweist, nicht mehr zu wünschen, als man hat, und nicht mehr wissen zu wollen, als man weiß. Hier wird der Sündenfall bereits vorausgedeutet, jedoch ohne den Beigeschmack der verlorenen Unschuld. Adam und Eva werden noch glücklich und einträchtig entlassen.

Die zahlreichen Zuhörer zeigen jedenfalls ihre Freude über die Darbietung und belohnen die Mühen der Künstler mit Standing Ovations, bevor sie die Kirche auf den von einem der zahlreichen Gewitter der Saison noch feuchten Boden des Vorplatzes verlassen, um ein anschließendes Gespräch in der warmen Sommerabendluft zu führen.

Wer das Opus Magnum selbst erleben möchte, kann der Aufführung auch noch einmal während der Bayerischen Landesausstellung in Ettal Anfang November beiwohnen. Dort soll das Stück wiederholt werden.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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