Neubiberg:Komplette Städte als 3D-Modell

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Programm für die Zukunft: Professor Helmut Mayer (links) und sein Team um Andreas Kuhn können Fotos 3D-Modelle entstehen lassen. (Foto: Angelika Bardehle)

Wie aus Tausenden von Fotos Gebäude original nachgebildet werden können

Von Daniela bode, Neubiberg

Die auf eine Leinwand projizierte Kirche der Universität der Bundeswehr in Neubiberg wirkt so plastisch und detailgetreu, als stünde man direkt vor dem Gebäude. Man kann das digitale Modell in alle Richtungen drehen und es von allen Seiten in 3D betrachten. Zoomt man sehr nah hin, sieht man, dass das Modell aus unzähligen Dreiecken besteht. Wie ein Puzzle aus vielen kleinen Teilen.

Es ist das Ergebnis eines Projekts von Helmut Mayer, Professor für Visual Computing an der Universität der Bundeswehr, und seinem Team am Institut für Angewandte Informatik. Die Wissenschaftler schaffen mit der Entwicklung von Programmen die Grundlage dafür, dass ganze Städte automatisch dreidimensional abgebildet werden können. Sie nutzen dafür mehrere tausend Fotos. Dank ihrer Arbeit können wichtige Kulturgüter der Nachwelt als originalgetreu rekonstruierte 3D-Modelle erhalten werden. Angesichts terroristischer Angriffe, durch die auch die antiken Grabtürme in Palmyra zerstört wurden, könnte der Nutzen ihrer Arbeit nicht aktueller sein.

Mit Hilfe eines kleinen achtarmigen Fluggeräts mit einer hochauflösenden Kamera sammelten die Wissenschaftler in einem Testlauf Bilder vom Campus der Universität und der Übungsstadt der Bundeswehr, Bonnland. Sie ließen die Kamera Fotos vom Boden und aus der Luft machen. Zwischen 50 und 100 Ausschnitte fotografierte die Kamera pro Bauwerk. Die Herausforderung ist, dass allein die Aufnahmen eines Bauernhauses im Übungsdorf Bonnland eine Datenmenge von etwa 800 Megabyte erzeugen. "Wenn man eine ganze Stadt darstellen würde, würde das eine immense Menge von Daten ergeben", sagt der Professor.

Um die Datenmengen zu verringern, werden die Objekte mit ganz einfachen Formen angenähert. Zudem werden die Bilder analysiert und das Programm findet mittels eines statistischen Verfahrens beispielsweise aus mehreren Dachmodellen den passenden Dachtyp heraus. Ebenso automatisch passiert das bei den Fenstern und anderen Details. "Die Herausforderung ist, dass man ganz stark reduziert, es aber trotzdem noch korrekt ist", sagt Mayer. Doch das gelingt offenbar. Beim 3D-Modell einer Kirche ist sogar eine Eisenstange über der Eingangstür zu sehen, die in Wirklichkeit nur einen Durchmesser von ein paar Zentimetern hat. "Es ist faszinierend, dass man so etwas voll räumlich hinbekommt. Solche feinen Details zu modellieren, wäre vor zehn Jahren noch nicht gegangen", sagt der Professor.

Für die digitale 3D-Version der Universitätskirche wurden Details wie die Türklinke mehrfach fotografiert. "Die Oberflächen werden über vermaschte Dreiecke gebildet", erläutert Andreas Kuhn, der in dem Projekt promovierte und nun wissenschaftlicher Mitarbeiter des Professors ist. Das Modell der Universitätskirche besteht aus mehreren Millionen solcher Dreiecke. Rote Pyramidenumrisse in einer Programmeinstellung zeigen, wie die Aufnahmeposition der Kamera war. Sie ist wichtig, um die fotografierte Perspektive bei der Rekonstruktion nachvollziehen zu können und Punkt für Punkt auf ein 3D-Modell zu übertragen. "Der Vorteil meines Ansatzes ist, dass die Punkte eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Raum haben", sagt Kuhn. Die Wissenschaftler können so genau arbeiten, dass sogar Dachkanten in 3D modelliert werden können.

Die Daten per Fotogrammetrie zu erfassen statt per Laserscanning ist nach den Worten von Mayer vorteilhaft. "Es ist günstiger und man kann die Bilder erst einmal sichern und erst bei Bedarf verwerten." Wegen der hoch aufgelösten Fotografien lassen die Forscher ihre selbst entwickelten Algorithmen in einem Netzwerk aus Hochleistungsrechnern ihres Projektpartners am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt laufen. Dort kann eine ganze Stadt in 3D innerhalb eines Tages berechnet werden.

Interessant ist die Software in vielerlei Hinsicht. Finanziert wird das Projekt von der Bundeswehr. Sie möchte die Software für die Planung von Einsätzen nutzen, etwa, wenn ein Gebäude zu evakuieren ist und es wichtig ist, einen Überblick über die Umgebung zu haben. Die Programme könnten aber genauso gut für Stadtplanung oder die Rekonstruktion von historischen Gebäuden genutzt werden. Ein hoffnungsvoller Ausblick, sollte wieder ein kulturell wichtiges Bauwerk durch Terroristen oder eine Naturkatastrophe zerstört werden.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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