Neubiberg:Falsche Diagnose

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Der Kinderarztpraxis am Neubiberger Rathausplatz droht das Ende. Jetzt setzt sich der Doktor zur Wehr und sammelt Unterschriften für den Erhalt

Von Daniela Bode, Neubiberg

Jedes Quartal versorgt die Kinderarztpraxis am Rathausplatz in Neubiberg etwa 2000 verschiedene Patienten. Die Kinder kommen aus Neubiberg und dem Südosten des Landkreises und der Stadt. Kurzum: Die Praxis hat eine große Bedeutung nicht nur in der Gemeinde, sie stellt die ärztliche Versorgung der Kinder aus der näheren Umgebung sicher. Dennoch ist die Zukunft der Praxis ungewiss.

In Plänen für die Bebauung am Rathausplatz 1, wo sich das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) mit mehreren Ärzten und die Kinderarztpraxis befinden, wäre kein Platz mehr für die Kinderärzte. Kinderarzt Christoph Stöhr-Sökefeld sorgt sich: "Wir hoffen, dass sich noch eine Lösung findet." Aber durch die Äußerungen von Mitgliedern des Gemeinderats, "fühlen wir uns in der Ausübung unserer Tätigkeiten bedroht", sagt er.

Wegen der Kritik aus der Bevölkerung hatte der Gemeinderat das Bebauungsplanverfahren für den Rathausplatzes 1 und die Zukunft des MVZ zuletzt abgebrochen. Einer der Hauptkritikpunkte war die angebliche Massivität der Gebäude. Daraufhin hatte der Investor bei einem Treffen der Fraktionssprecher, Vertreter des Ärztehauses und Mitgliedern der Verwaltung im August neue Pläne als Gedankenmodell vorgestellt. Sie sehen nun eine Sanierung der bestehenden Gebäude und eine Bebauung mit Doppelhäusern im hinteren Bereich vor. Die CSU und die Grünen begrüßten auf Nachfrage der SZ die Pläne grundsätzlich, SPD und Freie Wähler äußerten sich kritisch. Grüne, SPD und Freie Wähler bemängelten auch den möglichen Verlust der Kinderarztpraxis. Auch die CSU hat sich zuletzt ausdrücklich für den Erhalt der Praxis ausgesprochen.

Wegen der teilweisen Fürsprache für die neuen Pläne sah sich Kinderarzt Stöhr-Sökefeld genötigt, Stellung zu beziehen, und fand auf der Praxis-Homepage deutliche Worte. "Im Gemeinderat wird auf eine gut funktionierende kinderärztliche Versorgung für Neubiberg bewusst verzichtet", schreibt er. Seit drei Jahren betreibt er die Praxis,; zudem arbeiten dort zwei angestellte Fachärztinnen. Das Wachstum der Praxis sei stets parallel zum Wachstum der Gemeinde verlaufen, schreibt der Arzt. Eine Alternative mit genügend großem Raumangebot, ohne dass es zu einer Unterbrechung der Praxistätigkeit während des Baus komme, sei nicht in Sicht.

Stöhr-Sökefeld sprach mit Vertretern der Fraktionen. Bei seinen Patienten hat er etwa 600 Unterschriften gesammelt, damit die Praxis im jetzigen Umfang und Versorgungsangebot bestehen bleibt. "Es ist klar, dass das keine rechtliche Wirkung hat, aber wir wollen dokumentieren, dass es eine große Resonanz gibt", erklärt der Arzt. Stöhr-Sökefeld sagt, dass die Praxis wegen der engen Zusammenarbeit mit dem MVZ eine breite Versorgung bieten könne. Dazu zählt, dass Laborproben dreimal täglich abgeholt werden und so manche Einweisung ins Krankenhaus vermieden werden könne, dass die Wege kurz seien und eine kinderkardiologische Versorgung angeboten werde. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass sie 250 bis 300 Quadratmeter ebenerdige Fläche bräuchten, um ihr Angebot in der bisherigen Form aufrechterhalten zu können. In einem Doppelhaus sei das nicht möglich. Ohne ausreichend Platz, sagt Stöhr-Sökefeld, "würde die Qualität der kinderärztlichen Versorgung sinken".

Die CSU-Fraktion hatte zuletzt vorgeschlagen, die Kinderarztpraxis in einem der Doppelhauser unterzubringen. Bürgermeister Günter Heyland von Neubibergs Freien Wählern hat das verärgert, da das "komplett am Bedarf vorbei" gehe, sagte er vor kurzem. Er hatte der CSU zuletzt sogar vorgeworfen, dass sie sich "mehr und mehr von einer konstruktiven, fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit verabschiedet". Die "vorauseilende öffentliche Positionierung der CSU" bezeichnete er als das "denkbar kontraproduktivste Mittel". Diese Aussagen wiederum verärgerten Antonio Melieni, Vertreter der Studentenvereinigung USU, der wie häufig auch in dieser Sache der Meinung der CSU ist und sich ebenfalls angesprochen fühlte. "Ich habe mich über diese Aussagen richtig geärgert", sagte Melieni der SZ. "Wenn man nicht zu hundert Prozent seine Linie fährt, ist man gleich unkonstruktiv", sagte er.

Im Herbst will sich der Gemeinderat erneut damit befassen. Die Fraktion der Freien Wähler jedenfalls will laut ihrer Homepage das Bebauungsplanverfahren wieder aufnehmen, um die medizinische Versorgung in bewährtem Umfang und mit Langzeitperspektive sicherstellen zu können.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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