Neubiberg:"Ein intelligenter Sportler hört auf den Körper"

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Sportwissenschaftler Günther Penka von der Bundeswehr-Universität Neubiberg erklärt, wie es Fußballer schaffen, mit richtigem Training und gesunder Ernährung ein Turnier wie die Europameisterschaft durchzustehen - und was Amateurfußballer von ihnen lernen können

Interview von Laura Zwerger, Neubiberg

Günther Penka ist Professor am Department für Sportwissenschaft der Bundeswehr-Universität in Neubiberg. Er kennt nicht nur die Belastung, unter der die Nationalspieler im Fußball stehen, sondern er erklärt auch, wie jeder Sportler seinen Körper für ein erfolgreiches Training unterstützen kann.

Herr Penka, was ist eigentlich das Besondere an Fußball?

Günter Penka: Fußball ist eine sehr komplexe Sportaktivität. Das Bewegungsspektrum ist vielfältig. Ein Profispieler wechselt beispielsweise alle vier Sekunden seine Aktivität. Daher ist Fußball auch so interessant für Freizeitsportler, denn obwohl nur mit den Beinen gespielt wird, beansprucht es den ganzen Körper.

Wenn Fußball vielseitig den Körper beansprucht, ist dann auch das Verletzungsrisiko höher?

Ja, das Risiko ist erheblich höher als beim Laufen oder Radfahren. Das liegt auch daran, dass man beim Fußball mit anderen Menschen interagiert. Kommt es zu einem Zusammenstoß, dann werden Verletzungen dadurch intensiviert. Je besser und prominenter ein Spieler ist, umso mehr wird er auf dem Feld von den Anderen in die Mangel genommen. Bei Profifußballern ist eine Verletzung aber meist nicht nur das Resultat eines einzelnen Vorfalls, sondern liegt auch an der relativ hohen Belastung das ganze Jahr über.

Und welche Verletzungen drohen den Spielern dann meist?

Besonders die untere Region, sprich Bein, Fuß- und Kniegelenke, ist oft verletzt. Muskelverletzungen kommen dort primär an der Vorder- und Rückseite des Oberschenkels vor. Aber auch der Rumpf mit seiner Leiste, Rücken- und Bauchmuskulatur ist oft betroffen und das Verletzungsspektrum endet schließlich beim Kopf, wenn Spieler zusammenstoßen oder einen Schlag abbekommen. Die Kopfverletzungen sind glücklicherweise aber in den meisten Fällen nicht dramatisch.

Rekordverdächtig: Obwohl er erst Ende Mai einen Muskelfaserriss erlitt, ist Abwehrspieler Mats Hummels rechtzeitig zur EM wieder fit geworden. (Foto: dpa)

Wie lange braucht es, bis beispielsweise eine Muskelverletzung abheilt und der Spieler wieder einsetzbar ist?

Bei einer Muskelstrukturverletzung, also keinem völligen Abriss, bilden sich nach drei Wochen neue Muskelzellen und das Bindegewebe restrukturiert sich. Dann dauert es weitere zwei Wochen, bis sich die Zellen in der Belastungsrichtung ausbilden und man mit einem strukturierten Training anfangen kann. Davor sollte man nur Kraftbelastungen auf einem Laufband oder ähnlichem trainieren, wobei sich Bewegungsabläufe monoton und mit einer konstanten Geschwindigkeit wiederholen. Wenn man den Muskel zu früh belastet, besteht die Gefahr einer neuen Verletzung.

Profifußballer stehen oft schon früher wieder auf dem Feld - ist das gesund?

Nein, ein Profisportler erholt sich zwar auf Grund vieler Jahre Training schneller und erreicht auch seine Anschlussleistung leichter, die Zellen müssen aber trotzdem heilen und das braucht nun mal Zeit. Auch wenn Profis medizinische Betreuung und Therapien bekommen, die einem Normalsterblichen nicht zugänglich sind, können sie die Biologie trotzdem nicht überlisten. Ein Sprint im Spiel bedeutet für die Muskulatur eine Maximalbelastung und sollte nur einem Organismus abgefordert werden, der dazu auch in der Lage ist.

Dann hätte Mats Hummels, der sich erst Ende Mai einen Muskelfaserriss zuzog, kürzlich beim Spiel gegen Polen noch nicht wieder eingesetzt werden dürfen?

Das ist eine Erwägungssache und kommt sehr darauf an, wie der Spieler in sich hineinhören kann. Es gibt Menschen, die verstehen die Signale ihres Körpers. Und dann gibt es welche, die aus Holz geschnitzt sind und die Signale ignorieren. Hummels halte ich für einen intelligenten Sportler, der gut auf seinen Körper hört. Eine Frage bleibt dennoch: Was passiert, wenn die Verletzung nochmals auftritt?

Rekordverdächtig: Obwohl er erst Ende Mai einen Muskelfaserriss erlitt, ist Abwehrspieler Mats Hummels rechtzeitig zur EM wieder fit geworden. (Foto: dpa)

Kann man dahin gehend das Risiko minimieren?

Im Generellen nicht. Sport ohne Verletzungsrisiko gibt es nicht. Der einzige Weg, Sportverletzungen zu vermeiden, ist, keinen Sport zu treiben.

Kann man dann zumindest durch Ernährung seinen Körper bestmöglich auf Training und Spiel vorbereiten?

Es gibt Mechanismen, wie man sportliche Leistung durch Ernährung fördern kann. Mittlerweile ist man im Sport weg von der reinen Kohlenhydrate-Ernährung und zurück zur Mischkost sowie frischem Salat. Jedoch ist die richtige Mischkost sehr individuell, da unterscheidet sich der Profi nicht vom Normalo. Für Amateurfußballer ist aber der erste Ernährungstipp: nicht zu viel Bier nach dem Spiel trinken. Ansonsten hängt es davon ab, wie oft man in der Woche trainiert. Wenn man jeden Tag trainiert, dann muss man genauer schauen, wie die Energiebilanz des Körpers ist und welche Belastung und Kraft angestrebt wird. Bei bis zu zwei Mal Training die Woche spielt das noch keine Rolle, da reicht gesunde Mischkost völlig.

Ist es mit frischem Salat schon getan oder kann man den Körper noch durch andere Lebensmittel besonders unterstützen?

Ein Zaubermittel gibt es leider nicht. Fisch ist zum Beispiel gesund, da er leicht verdauliches Fett und viel Eiweiß beinhaltet. Aber auch Avocados haben viele Fettsäuren, die für den Körper günstig sind. Generell sollte man möglichst regionales Gemüse und Obst essen, da dieses nicht frühzeitig gereift und weit transportiert wurde, sondern frisch ist und den maximalen Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen hat.

Und wann und wie viel sollte man von der gesunden Kost essen?

Prinzipiell muss man hier die Ernährungsschaukel im Gleichgewicht halten: Große Mengen eher früh am Tag essen, denn je später man isst und verdaut, umso später werden erst Hormone ausgeschüttet, die für die Regeneration des Körpers zuständig sind. Das ist für einen Sportler sehr wichtig, da er so sonst weniger leistungsfähig am nächsten Tag ist. Gleichzeitig muss man aber auch darauf achten, dass man kein Ernährungsdefizit hat, denn das schwächt die Leistung. Die Schaukel muss also letztlich immer im Gleichgewicht bleiben.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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