MVV-Tarifreform:Einfacher, klarer strukturiert, günstiger

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Mit viel Geld gleicht der Landkreis München Ungerechtigkeiten der MVV-Tarifreform aus: Inhaber von Jahrestickets werden über Subventionen unterstützt. Kreiskämmerer Markus Kasper warnt vor erheblichen Folgen für den Kreishaushalt

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landkreis München wird zahlreichen Pendlern erstmals im Januar 2021 Geld überweisen. Zumindest jenen, die in einer der 29 Städte und Gemeinden ihren Erstwohnsitz haben und eine Jahreskarte für den MVV besitzen. Am Donnerstag hat der Mobilitätsausschuss des Kreistags beschlossen, allen Landkreisbürgern, die diese Voraussetzungen erfüllen, den Differenzbetrag der erworbenen Jahreskarten zum sogenannten M-Tarif zu erstatten. Damit beseitigen die Kreispolitiker eine Ungerechtigkeit der MVV-Tarifreform, die zum 15. Dezember dieses Jahres in Kraft treten wird.

Landrat Christoph Göbel (CSU) sagte in der Ausschusssitzung, es gehe mit dieser freiwilligen Leistung des Landkreises auch darum, den Gleichheitsgrundsatz zu beachten. "Wir müssen alle Bürger im Blick haben", sagte Göbel und verwies damit auf die Ungleichbehandlung der Landkreisbürger, die durch die Neustrukturierung der Ticketpreise und Zonen entstanden ist. Etwa zwei Drittel der Landkreisbewohner leben künftig in der neu geschaffenen M-Zone; sie bezahlen von Dezember an für die reine Nutzung des Innenraums mit der regulären Isarcard 55,20 Euro; Pendler aus Unterschleißheim oder Ismaning, deren Haltestellen künftig in der Zone M+1 liegen, müssen hingegen 88,90 Euro berappen, Pendler, die in Aying (M+2) zusteigen, sogar 113,40 Euro. Die monatliche Differenz zum M-Tarif wird ihnen künftig erstattet - wie auch den Bürgern, die innerhalb der M-Zone leben und M+1 oder M+2 dazu buchen. "Ich will ein lenkendes Instrument, dass die Bürger dauerhaft dazu bewegt, auf den ÖPNV umzusteigen", sagt Landrat Göbel.

Wer von Unterschleißheim aus nach München fährt und eine Jahreskarte besitzt, profitiert von 2021 an von den neuen Beschlüssen des Landkreises. (Foto: Stephan Rumpf)

Zustimmung kam nahezu von allen Kreisräten. Markus Büchler, Landtagsabgeordneter der Grünen, sagte, die Maßnahme habe das Potenzial, Menschen für den Umstieg zu gewinnen. Allerdings kritisierte der Verkehrsexperte der Partei, dass sie einen "äußerst harten Tarifsprung nach außen" nach sich ziehen werde. Denn wer nicht in die Stadt pendle, sondern in noch weiter draußen liegende Zonen, bezahle deutlich mehr und bekomme die Differenz eben nicht erstattet.

Mit ihrer Zustimmung stellten sich die Kreisräte auch gegen Warnungen der Kreiskämmerei. Mit geschätzten Kosten von etwa 5,7 Millionen Euro jährlich für die Zuschüsse entstehe "ein erhebliches Risiko für die Haushalte 2021 und 2022", mahnte Kreiskämmerer Markus Kasper in einer Stellungnahme. Da derzeit weder "ein dauerhafter Anstieg der Umlagekraft" noch ein deutlicher Anstieg der Kreisumlage realistisch sei, werde von "zusätzlichen freiwilligen Ausgaben in dieser Größenordnung abgeraten", heißt es in dem Papier.

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) insistierte, das Projekt abzulehnen. Es sei "ordnungspolitisch verfehlt", da eine Tarifreform mit Zustimmung des Landkreises beschlossen worden sei - und diese Reform, so Loderer, sei ein Erfolg. Zudem erfolge damit eine "Art Umverteilung", die auch finanzpolitisch nicht sinnvoll sei und keinen "investiven Nutzen" habe, während gleichzeitig eine Bürokratie ausgebaut werde, begründete Loderer sein Nein.

Die Abwicklung der Bezuschussung von Jahreskartenbesitzern soll jährlich im Nachgang unter Vorlage einer Jahresbescheinigung des Abonnements durch die jeweilige Stadt oder Gemeinde erfolgen, die Erstattungen leistet dann der Landkreis München - erstmals von Januar 2021 an. Hierfür wird laut Landrat Göbel eine Unterstützung mit entsprechender EDV-Ausstattung geprüft.

Die Entscheidung des Mobilitätsausschusses des Kreistags fällt in eine Woche, in der die Deutsche Bahn bekanntgegeben hat, auf den Linien der S 3 und S 8 keine Verstärkerzüge mehr einzusetzen und somit in den Hauptverkehrszeiten vom Zehn-Minuten-Takt auf einen 20-Minuten-Takt zu reduzieren. "Ein absoluter Wahnsinn. Das versteht wirklich kein Mensch mehr", sagt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Jahrzehntelang sei das System auf Verschleiß gefahren worden, legt Markus Büchler nach. Schuld sei daran die Staatsregierung. Die habe den S-Bahn-Ausbau stets vernachlässigt, so Büchler, während der Landkreis in Eigenregie handle.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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