MVV: Chaos auf der Strecke:... und dann reißt der Geduldsfaden

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Mit dem Winter ist für viele MVV-Kunden das S-Bahnfahren zum Roulette geworden. Fährt sie, und wenn, wann? So mancher Pendler verlor die Geduld. Einige Erlebnisberichte.

Früher, als es Fahrpläne gab, die eingehalten wurden, war es einfach. Die S-Bahn fährt um soundsoviel Uhr ab, man geht zum Bahnhof, wartet eventuell noch ein bis zwei Minuten, und schon fährt sie ein, die S-Bahn. Mit dem Winter ist für viele MVV-Kunden das S-Bahnfahren zum Roulette geworden. Fährt sie, und wenn, wann? Es soll mittlerweile Fahrgäste geben, die einfach zum Bahnhof gehen - es wird schon ein Zug kommen. Arg trieb es die Bahn am Montag: Bei Wartungsarbeiten stürzte ein PC im Stammstrecken-Stellwerk ab; im Berufsverkehr schaukelten sich so die Verspätungen auf bis zu 50 Minuten hoch. Und so mancher Pendler verlor die Geduld. Hier einige Erlebnisberichte:

S-Bahnhof Feldmoching, 2010 Ampelsystem und wartender Fahrgast am Bahnhof Feldmoching in München. (Foto: Robert Haas)

Eine ganz normale Pendlerheimfahrt

42 Minuten Verspätung hat die S2 aus Erding am Bahnhof Berg am Laim Montagabend. Die Zugzielanzeige verspricht hingegen das baldige Eintreffen des Zugs Richtung Petershausen. Dann die Lausprecherdurchsage: Weitere fünf Minuten warten ... In diesem Moment fährt eine S-Bahn ein. Fahrtziel: Petershausen. Wer also kurz nach halb sechs Richtung S-Bahnhof Berg am Laim gegangen ist, kann damit rechnen, gegen sieben Uhr in Dachau zu sein. Viele Menschen haben diese Hoffnung - in Untermenzing ist der Zug proppenvoll.

Dann eine erneute Durchsage: In Allach solle man, bitteschön, aussteigen und zur Weiterfahrt ins dann noch zwei Stationen entfernte Dachau auf den nächsten nachfolgenden Zug warten. Dieser werde in zehn Minuten eintreffen. Die 42 Minuten verspätete S-Bahn, in der man gerade sitzt, soll dagegen in Allach wenden und zurückfahren in die Stadt. Auch eine Methode, eine Verspätung einzuholen - nur dass die Fahrgäste nichts davon haben. Die erreichen Dachau dann gegen 19.15 Uhr. Eine ganz normale Pendler-Heimfahrt durch München. bm

Ein ungutes Gefühl

Normalerweise dauert die Fahrt von der Haltestelle Berg am Laim bis Hauptbahnhof 15 Minuten, gestern Abend beschlich mich schon bei der Durchsage, die fünf Minuten Verspätung ankündigte, ein ungutes Gefühl. Eigentlich kein Problem, der geübte S-Bahn-Pendler hat immer einen Puffer eingerechnet. Der war bei angekündigten zehn Minuten Verspätung bereits aufgebraucht, der Anschlusszug nach Kempten in ernster Gefahr. Die Durchsage "20 Minuten Verspätung" ließ dann alle Hoffnungen platzen, der Zug ist weg. Doch dann wieder Hoffnung: Die S-Bahn kommt doch etwas früher, im Laufschritt geht es am Hautbahnhof zu den Gleisen. Rennen, Hetzen, Hoffen - dann die Ernüchterung: Der Zug fährt direkt vor meiner Nase ab. Und ich habe 90 Minuten Zeit, mich darüber richtig zu ärgern. So lange dauert es bis zum nächsten Zug. toe

Stopp im Tunnel

Montagmorgen mit der S-Bahn, Abfahrt 9.02 Uhr von Röhrmoos. Längere Wartezeit dann kurz vor der Haltestelle Donnersberger Brücke. Es kommt die Durchsage: Weil eine S-Bahn den Bahnhof noch nicht verlassen habe, könne die S 2 nicht einfahren. Danach gehts in langsamer Fahrt weiter zur Hackerbrücke. Einige Zeit Stop im Tunnel, dann langsam weiter Richtung Hauptbahnhof. Erst ab Isartor fährt die S-Bahn zügig weiter. Dienstag: Selber Zug Richtung Innenstadt. Diesmal Stopp am Leuchtenbergring - alle müssen raus. Einige Leute stolpern aus der S 2, weil der Ausgang nicht niveaugleich mit dem Bahnsteig ist. 8.42 in Röhrmoos los, Ankunft in Berg am Laim: 9.35 Uhr. we

Nuschelnde Bahnsteigansagen

Wenn's mal wieder länger dauert ... dann ist sicherlich auch die Münchner S-Bahn beteiligt. Montagabend am Dachauer S-Bahnhof war es mal wieder soweit: Gegen 18 Uhr brachten Zugausfälle das abendlichen Pendeln ins Stocken. Laut Anzeige am Bahnsteig gab der MVV einer "Störung" im S-Bahnnetz die Schuld. Weitere Angaben? Fehlanzeige. Betroffen waren vor allem Züge in die Innenstadt, die zum Teil mit 45-minütiger Verspätung eintrafen oder ganz ausfielen. Nuschelnde Bahnsteigansagen, wirr-blinkende Anzeigetafeln und Kälte machten es den Wartenden zusätzlich schwer. Die Feierabendlaune trübte sich zwar im neblig-kalten Nass ein, so richtig aufzuregen schien sich jedoch keiner der Fahrgäste. Die meisten haben sich offenbar bereits damit abgefunden, dass Zugfahrten immer ein bisschen länger dauern als gedacht.

Schimpfende Fahrgäste

Als am Nachmittag die erste Störungsmeldung kommt, dass es bis zu 20-minütige Verspätungen bei der S-Bahn wegen Computerproblem gibt, beschleicht einen schon ein ungutes Gefühl. Stellwerk- und Signalstörungen ist man gewohnt, und in den vergangenen Woche ist kaum eine S2 pünktlich von Berg am Laim abgefahren. Dennoch: vielleicht geschehen Wunder und man sprintet die letzten Meter, um die S-Bahn um 18.26 Uhr zu erwischen. Doch die Lautsprecherdurchsage raubt einem brutal die Hoffnung: ",Die S2 Richtung Erding hat voraussichtlich 40 Minuten Verspätung". Drei Minuten später auf der Anzeigentafel fährt die S2 in vier Minuten los. Dauert zwar dann doch fast doppelt so lange, aber besser eine als gar keine S-Bahn.

Kurz vor der übernächsten Station dann die Ernüchterung. Der Zugführer bittet alle in Feldkirchen auszusteigen, weil der Zug dort endet und wieder zurück nach München fährt. Tröstende Worte des Fahrers: "Die nachfolgende S-Bahn kommt in neun bis zehn Minuten". Doch bereits bei der nächsten Lautsprecherdurchsage auf dem Bahnsteig zweifeln die rund 250 ausgestiegenen und in der Kälte wartenden Fahrgäste: "Die planmäßig 18.32 Uhr nach Erding abfahrende S-Bahn hat rund 40 Minuten Verspätung".

Nachdem es jetzt 18.46 Uhr ist, kann zehn Minuten nicht stimmen, eher 25. Einige Fahrgäste schimpfen wie Rohrspatzen über den MVV. Überlegen, wieder auf das Auto umzusteigen. Andere wollen ihr Geld zurück, so wie es Bahn oder Airlines bei Verspätungen machen müssen. 19.14 Uhr kommt dann tatsächlich eine S2 nach Erding. In den Waggons kommt schnell Sardinenfeeling auf. 19.35 Uhr ist man in Erding. In 70 Minuten statt planmäßiger 34 Minuten.wil

Von Station zu Station rumpeln

Eine normale, überraschenderweiser pünktlich angetretene Nachmittagsfahrt aus Steinhausen Richtung Hauptbahnhof kommt am Ostbahnhof ins Stocken. Der Zug steht mehrere Minuten still, genau wie jener am Nachbargleis. Die Fahrgäste werden unruhig: Was ist los? Und: Fährt der Zug am Nebengleis vorher ab? Den sehr nützlichen Hinweis, welcher Zug zuerst weiterfährt, gibt es ja nicht mehr - wahrscheinlich zuviel Service! Ist es für Reisende Richtung Hauptbahnhof sinnvoller, in die U-Bahn umzusteigen? Manchmal gibt es sachdienliche Hinweise, dass ein Umstieg angebracht wäre. Diesmal nicht.

Nach gut zehn Minuten beendet eine Lautsprecher-Stimme die Diskussionen im vollen Zug (Umsteigen oder nicht?) und verspricht, dass es in zwei Minuten weitergeht. Sofort nach der Einfahrt in den Tunnel jedoch bleibt die Bahn wieder stehen. Zehn Minuten Schweigen. Dann verkündet der Fahrer schnoddrig: "Wegen eines Stellwerkfehlers kommt es zu Verzögerungen." War diese Auskunft nicht vor der Weiterfahrt möglich? Und wie lange wird es dauern? Kann das aus der Leitstelle niemand dem Fahrer sagen? Nach weiteren fünf Minuten zuckelt der Zug weiter, rumpelt sich von Station zu Station, ohne dass es irgendeine weitere Information geben würde. Um 16.22 Uhr trifft die S-Bahn am Hauptbahnhof ein. 15 Minuten hätte die Fahrt dauern sollen, 46 hat sie gebraucht.

© SZ vom 12.1.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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