Mitten in Sauerlach:Denkverbot am Schießstand

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Das Nicht-Denken ist die große Herausforderung. Die Bogenschützen versuchen, auch Ungeübte in diese Kunst einzuführen

Von Claudia Wessel

Der Mensch ist im Unterschied zum Tier ein denkendes Wesen und stolz darauf. Schließlich befähigt es ihn dazu, über Sinn und Unsinn aller möglichen Dinge nachzudenken. Etwa darüber, ob es korrekt ist, dass eine Klimaschutz-Initiative mit dem Namen 29 plus plus nun eigentlich 29 plus minus heißen müsste, weil eine der Landkreisgemeinden nicht mehr mitmachen möchte. Ob es akzeptabel ist, dass sich in einem Postamt in Unterföhring Pakete bis unter die Decke stapeln und die Kunden Schlange stehen. Oder ob es heute noch Straßen in Landkreisgemeinden geben darf, die nach einem von den Nationalsozialisten eingesetzten Bürgermeister heißen.

Im Gegensatz zu der Fähigkeit, über solche Probleme nachzugrübeln, steht die Ansicht der Zen-Buddhisten, etwa die von Daisetz T. Suzuki. "Der Mensch ist ein denkendes Wesen, aber seine großen Werke werden vollbracht, wenn er nicht denkt", schreibt er 1953 im Vorwort des Buches "Zen und die Kunst des Bogenschießens". Die besten Treffer beim Bogenschießen also landet man, wie auch Nadine Appelt von den Sauerlacher Schützen bestätigt, wenn es gelingt, die Außenwelt im Moment des Schießversuchs auszublenden. Etwas, das Appelt, die sehr erfolgreich und ein großes Talent ist, als ihre "größte Herausforderung" bezeichnet. Das Schießen des Pfeils ist insofern keine aktive Handlung, sondern eher ein Loslassen im richtigen Moment.

Vielleicht könnte diese Kunst auch einigen vom Nachdenken geplagten Gemeinderäten und Bürgermeistern hilfreich sein. Einen Anfang können sie an diesem Freitag machen. Denn da findet auf dem Gelände der Sauerlacher Bogenschützen in der Hofoldinger Straße 48 ein Schnupperschießen statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig, innerhalb von zwei Stunden gibt es eine kurze Einführung in die Grundtechnik, dann dürfen schon Pfeile auf Scheiben geschossen werden. Doch erst nach langen Jahren der Übung, so Daisetz T. Suzuki, stelle sich Erfolg ein. "Dann denkt der Mensch und denkt doch nicht", verspricht er. Und dann kommen die Antworten auf obige Fragen wie von selbst.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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