Es sind nicht nur die großen Dinge, die Corona seit fast einem Jahr mächtig durcheinander wirbelt: Kinder und Jugendliche sitzen in der "Schule dahoam", Erwachsene schuften, im Home-Office, wenn es die Branche zulässt, und allen fehlt es an sozialen Kontakten. Wie gut, dass hierzulande die Ausgangssperre nur nachts gilt. Tagsüber dürfen die Menschen noch vor die Tür. Zum Einkaufen, für einen Arztbesuch oder für einen einsamen Kaffee im Pappbecher irgendwo im Grünen, dem Väterchen Frost seit ein paar Tagen ein weißes Winterkleid angezogen hat.
Immer erlaubt ist zudem die kontaktlose Körperertüchtigung unter freiem Himmel. Das ist überall möglich. Selbst in einem Hotspot mit 200er-Inzidenz, wo man sich nur noch in einem 15-Kilometer-Radius selber zum Gassigehen ausführen darf. Kein Wunder, dass es trotz des eisigen Windes und der Temperaturen unter dem Gefrierpunkt momentan draußen von winterharten Sportlern nur so wimmelt. Radler im Thermo-Outfit treten in die Pedale, Jogger stoßen heiße Atemwolken aus, die weithin sichtbar sind, und Nordic-Walker schwingen ihre Stöcke, als sei der Teufel hinter ihnen her. Da werden Strecken gemacht. Das ist gesund.
Bleibt bloß zu hoffen, dass sich beim Sport im Freien nicht plötzlich die eigene Blase meldet und nach einem stillen Örtchen verlangt. Denn seit Monaten sind alle Cafés und Gaststätten zu, in denen Betroffene vor dem Lockdown zum Austreten haben eintreten dürfen, wenn sie denn freundlich fragten, weil der Weg zur nächsten öffentlichen Toilette zu weit gewesen wäre. Doch das ist heutzutage nicht mehr drin, wie einer sportlichen Seniorin beschieden wurde, die in einer Ismaninger Bäckerei außer Puste und mit zusammengekniffenen Augen den Gang zum Klosett im Keller erbat. Der Infektionsschutz verhindert nicht mehr nur den Verzehr von Semmeln und Kuchen an Ort und Stelle, sondern behindert auch andere menschliche Bedürfnisse. Wer in Zeiten wie diesen mal muss, hat Pech gehabt und sollte sich vor der nächsten Trainingseinheit online zum Beckenbodengymnastikkurs anmelden.