Mitten in Grünwald:Virtuelles Kleinvieh

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Manchmal reicht eine Adresse für einen Firmensitz - und die Gemeinde freut sich über sprudelnde Steuereinnahmen

Kolumne von Claudia Wessel

Die Abkürzung könnte kaum passender sein: BIG steht für die Firma "Business in Grünwald" und sie bietet in der Tat Großes an: einen virtuellen Firmensitz in der Gemeinde, in der man dank eines niedrigen Hebesatzes von nur 240 Punkten viel sparen kann. Die Definition von virtuell lautet "nicht echt, nicht in Wirklichkeit vorhanden, aber echt erscheinend". Für das perfekte Echt-Erscheinen sorgt eben BIG, ebenso wie die in selber Sache tätigen Kollegen von "Firmensitz in Grünwald" und weitere solcher Anbieter.

Sie stellen jeweils ein Haus "in bester Lage" mit einer beeindruckenden Postanschrift zur Verfügung sowie ein professionelles Team für die anfallenden Büroarbeiten, also eine Person an einem Empfang, die die Anrufe für sämtliche Firmeninhaber - "vom kleinen Ein-Mann-Betrieb zum umsatzschweren Branchenprimus", so die BIG-Homepage - entgegennimmt, da diese natürlich real nie anwesend sind. Auch die Post, sofern es heutzutage noch welche gibt, wird aufbewahrt und weitergeleitet. Wo sollte das Problem sein in einer digitalisierten Welt?

Schon von 295 Euro an gibt es diese Version, wie auf der Seite der Firma aus Grünwald zu lesen ist, wo im Übrigen betont wird, dass diese Form des Arbeitens "handelsregisterlich anmeldefähig und gesetzeskonform" ist. Auch Gemeinschaftsbüros und Gemeinschaftsräume für Meetings sind vorhanden, ja, man glaubt es kaum, es besteht durchaus die Möglichkeit, in der eigenen Firma einmal persönlich vorbei zu schauen. Bei BIG gibt es sogar eine unfassbare Innovation: "Ganz neu: das reale Büro in unserer gepflegten Business-Immobilie".

Welchen Eindruck es allerdings auf die real existierenden Kunden machen mag, in einem solchen durchschaubaren Gemeinschaftskonstrukt zu Besuch zu sein? Ob sich wohl wirklich ein Branchenprimus für ein solches Büro entscheidet? Vielleicht doch eher Start Ups aller Art, in denen womöglich sogar der Chef virtuell ist. Der Gemeinde ist es egal. Sie zählt etwa 7000 Firmen, und die Gewerbesteuer ist immer auf höchstem Niveau, getreu dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist".

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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