Mit Strom unterwegs:Großflächiges Anzapfen

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Reine E-Fahrzeuge sind noch in der Unterzahl, die Bürger im Landkreis setzen wenn auf Hybridantriebe. (Foto: Claus Schunk)

Langsam nimmt die Elektromobilität im Landkreis Fahrt auf, doch neben der mangelnden Reichweite der Wagen fehlt vor allem ein gut ausgebautes Netz an Ladestationen. Bis 2018 soll nun ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept entstehen - ganz im Sinne der Klimainitiative 29++.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Christoph Götz ist spät dran. Und es scheint dem Gemeinderatsmitglied der Taufkirchner CSU sichtlich unangenehm zu sein, nicht pünktlich zur Sitzung im Rathaus zu erscheinen. Aber was soll man machen, wenn man mit einem Elektroauto unterwegs ist und einem plötzlich der Strom ausgeht?

Bäcker Götz zählt zu den noch insgesamt wenigen Autofahrern im Landkreis, die auf Elektromobilität umgesattelt haben, aber feststellen müssen: So richtig ausgereift ist das Konzept noch nicht. Im Gegenteil: Neben der eingeschränkten Reichweite mangelt es im Landkreis an der Ladensäuleninfrastruktur. Das soll bald besser werden, denn der Landkreis will auf Antrag des Kreisverbands München des Bayerischen Gemeindetags bis 2018 ein Gesamtkonzept für ein zukunftsfähiges Ladenetz erstellen.

Noch müssen die Kreisgremien darüber beraten, ob der Landkreis München die Koordination hierfür übernimmt. Landrat Christoph Göbel (CSU) kann sich das aber gut vorstellen und sagt daher: "Ich bin überzeugt davon, dass Elektrofahrzeuge die Mobilität der Zukunft ganz wesentlich prägen." Er hält ein Gesamtkonzept für den Landkreis München daher für "unerlässlich".

Gerade bei Unternehmen gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung

Trotz aller Bemühungen, mit einem angebotsorientierten Nahverkehrsplan und zahlreichen Verbesserungsvorschlägen für den Radverkehr, wie etwa den geplanten Schnellwegen, ein "nachhaltiges, multimodulares Mobilitätssystem" auf den Weg zu bringen, sind sich die Kommunalpolitiker im Landkreis München sicher, dass das Auto weiterhin eine wesentliche Rolle bei der individuellen Verkehrsmittelwahl spielen wird. Allein ein Blick auf den gestiegenen Fahrzeugbestand bestätigt, dass immer mehr Autos auf den Straßen zwischen Garching und Aying, von Unterschleißheim bis Schäftlarn unterwegs sein werden. Dieser Fakt lässt sich nicht wegdiskutieren.

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Mit dem Anstieg der Bevölkerungszahlen wächst auch die Anzahl der Zulassungen von Kraftfahrzeugen. Allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Fahrzeuge von 273 873 auf 285 822 gestiegen, pro Jahr also kommen in etwa 6000 Autos dazu. Dieser Trend hält also mit dem Bevölkerungswachstum im Landkreis München Schritt - derzeit leben von Unterschleißheim bis Aying etwa 340 000 Menschen.

In acht Gemeinden gibt es sogar mehr Kraftfahrzeuge als Einwohner. Wobei die höchste Fahrzeugdichte die Gemeinde Grasbrunn aufweist, hier kommen auf jeden Einwohner 1,167 Autos, gefolgt von Brunnthal (1,144) und Pullach (1,096). Neubiberg hingegen kommt mit wesentlich weniger (0,662) aus, auch Unterhaching (0,693) ist nicht ganz so stark motorisiert wie mancher ob der Parkplatz- und Verkehrssituation oftmals meinen könnte. Einen Anstieg aber gibt es in allen 29 Kommunen des Landkreises.

Einen Anstieg gibt es vor allem bei den Hybridfahrzeugen

Nun steht diese Entwicklung aber der Klima- und Energieinitiative 29++ des Landkreises diametral gegenüber. Allerdings hat man längst erkannt, dass die E-Mobilität vor allem dann großes Potenzial bietet, wenn es darum geht, Lärm und Schadstoffe zu reduzieren. Daher werde das Thema E-Mobilität auch ganz oben auf der Vorschlagliste der Initiative stehen, teilt das Landratsamt mit.

Bei den Autofahrern im Landkreis nimmt die Elektromobilität langsam Fahrt auf. Immerhin hat sich die Anzahl der Wagen, die an der Steckdose hängen, in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt, wie die FDP-Kreistagsfraktion bei einem Besuch der Zulassungsstelle in Neukeferloh feststellte. Insbesondere die Zahl der Hybridfahrzeuge, die nicht allein auf Strom angewiesen sind, sondern zusätzlich einen Verbrennungsmotor eingebaut haben, steigt weiter an. Im Jahr 2014 waren noch 881 derartige Fahrzeuge im Landkreis München unterwegs, zum 30. September dieses Jahres waren es bereits 1273.

Bei den reinen Elektrofahrzeugen ist im gleichen Zeitraum ebenfalls ein Anstieg zu beobachten: von 254 auf 403. Auch hier steht die Gemeinde Grasbrunn mit 50 Elektroautos und 28 Hybridfahrzeugen an der Spitze. In Pullach setzen 89 Fahrzeughalter auf die Hybridtechnik und 28 fahren nur mit Strom, in Unterschleißheim bevorzugen 155 die kombinierte Energiequelle und 19 die Steckdose. Schlusslicht ist mit zwei Elektrofahrzeugen die ländlich geprägte Gemeinde Aying.

"Bürgermeister-Ladesäulen" haben nur symbolischen Charakter

Das Interesse am Thema Elektromobilität ist vor allem in den Unternehmen im Landkreis wahrscheinlich stärker als diese Zahlen vermuten lassen. So hatte die Gemeinde Oberhaching auf Nachfrage von Gewerbetreibenden im Mai dieses Jahres ein Treffen organisiert, bei dem es um die Erarbeitung betrieblicher Mobilitätskonzepte ging. Wesentliches Ergebnis dieser Veranstaltung war laut Gemeindeverwaltung der Aufbau eines Ladesäulen-Netzes. Das Oberhachinger Rathaus bemühte sich im vergangenen halben Jahr daher, auf diesem Gebiet tatsächlich voranzukommen. Doch es sei schnell klar geworden, dass ein Aufbau von Ladeinfrastruktur nur "in einem größeren räumlichen Zusammenhang" Sinn habe, lässt die Verwaltung verlauten.

Aus dieser Erkenntnis heraus erstellten die Oberhachinger Gemeinderäte ein Positionspapier für den Kreisverband des Bayerischen Gemeindetags, dessen Vorsitzender Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) ist. In dem heißt es: "Für ein zukunftsfähiges und attraktives Landenetz ist ein systematisches und räumlich koordiniertes Vorgehen unerlässlich." Sogenannte Stand-Alone-Lösungen, wie die vielfach vor den Rathäusern aufgestellten "Bürgermeister-Ladesäulen" hätte "mehr symbolischen Charakter als verlässlichen Nutzwert". Umso wichtiger sei der möglichst flächendeckende Aufbau moderner, intelligenter Ladesäulen. Diese sollten unter anderem "backend- und remotefähig" sein.

Nur so könne jede einzelne Säule dem Nutzer mitteilen, ob sie gerade belegt, frei oder defekt sei und welche Zahlungsmöglichkeiten, auch für spontanes Laden, bestehen. Über die sogenannte Remote-Schnittstelle sollte jeder Fahrer eines E-Autos eine Ladesäule freischalten können, ohne spezielle Schlüssel zu besitzen. Die Ladesäulen sollen auf den gängigen elektronischen Portalen abrufbar sein und dementsprechend in die Navigationssysteme eingepflegt werden.

Der Gemeindetag unterstreicht die Wichtigkeit der Kommunen bei der Erstellung des Konzepts, denn diese kennen die sinnvollen Ladepunkte und sollen diese auch benennen. Die Kommunalpolitiker im Kreisverband sind sich einig: "Die Ladesäulen müssten sichtbar und nutzbar sein, damit Vertrauen in die Elektromobilität entstehen kann."

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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