Migration:Kreis sucht Unterkünfte für neue Flüchtlinge

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Wegen der Lage an den EU-Außengrenzen könnte die Zahl der Schutzsuchenden in nächster Zeit wieder steigen. Weil die Quote zur Unterbringung nicht erfüllt ist, rechnet das Landratsamt mit Zuweisungen durch die Regierung

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

4500 Flüchtlinge hatte der Landkreis auf dem Höhepunkt der Zuwanderung vor vier Jahren aufgenommen, aktuell leben noch etwa 2900 in dezentralen Unterkünften. Gut möglich, dass ihre Zahl bald wieder steigt, nachdem die Türkei die Grenzen geöffnet hat und sich Schutzsuchende an der EU-Außengrenze vor Griechenland stauen. Als es diese Woche im Sozialausschuss des Kreistags einmal mehr um die Integration von Migranten ging, gab Grünen-Kreisrätin Frauke Schwaiblmair deshalb zu bedenken, man könne die Fortschritte bei der Integration nicht ohne die aktuellen Ereignisse an der griechisch-türkischen Grenze betrachten. "Wir wissen ja nicht, wie es weitergeht angesichts der Großwetterlage an den Außengrenzen", so die Gräfelfingerin. "Es kann gut sein, dass wir unsere bewährten Strukturen bald wieder brauchen."

Gemeint sind jene Strukturen, die 2015 und in den Jahren danach halfen, dass die Aufnahme Tausender Schutzsuchender sowie anschließend deren Unterbringung und Integration im Landkreis München weitestgehend konfliktfrei funktionierte. So soll es nach dem Willen der Kreispolitik auch bei einer neuen Zuspitzung der Lage sein. Laut Landrat Christoph Göbel (CSU) hat die Kreisbehörde die gegenwärtigen Entwicklungen im Blick. "Was man sagen kann, ist, dass wir nicht einfach zusehen", so Göbel. "Wir sind in ständigen Akquisebestrebungen, um Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen zu schaffen." Vor allem für Familien und Kinder.

Hintergrund ist, dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) offen dafür zeigt, angesichts der katastrophalen Zustände etwa auf der griechischen Insel Lesbos zumindest Minderjährige auch in Deutschland unterzubringen. Seehofer strebt nach eigenen Worten eine "Koalition der Willigen" an, also von EU-Staaten, die zur Aufnahme bereit sind und bis zu 5000 Kinder und Jugendliche aus den Lagern herausholen könnten.

Sollte Deutschland neue Schutzsuchende aufnehmen, würden wohl auch Menschen im Landkreis München untergebracht werden. Für die Notunterbringung von Schutzsuchenden ist zunächst die Regierung von Oberbayern verantwortlich, diese regelt die Verteilung der Menschen auf die Landkreise - und zwar nach einer klar festgelegten Regel: dem Königsteiner Schlüssel. Nach dieser Berechnungsmethode muss München-Land als bevölkerungsreichster Landkreis Bayerns 7,2 Prozent der Schutzsuchenden in Oberbayern aufnehmen. Gemessen daran hat der Kreis laut Göbel derzeit zu wenige Flüchtlinge untergebracht.

Zwar sind die dezentralen Unterkünften nur zu etwa 77 Prozent ausgelastet, das komme jedoch nahezu einer Vollbelegung gleich, die Behördenangaben zufolge bei 80 Prozent liegt. Dass der Landkreis statistisch gesehen seine Quote zur Unterbringung von Schutzsuchenden nicht erfüllt, die Unterkünfte aber dennoch voll sind, hat vor allem zwei Gründe: Erstens leben in den Unterkünften zahlreiche sogenannte Fehlbeleger, also anerkannte Flüchtlinge, die keine eigene Wohnung haben. Der Grund: Es gibt schlichtweg zu wenige Wohnungen auf dem vollkommen überhitzten Immobilienmarkt im Raum München. "Wir bemühen uns aber sehr, Vorkehrungen zu treffen und Wohnraum zu finden", versichert Landrat Göbel.

In seiner Sitzung am Dienstag hat der Sozialausschuss des Kreistags gleichzeitig über seinen Integrationsfahrplan für Flüchtlinge beraten sowie das neue Integrationskonzept des Landkreises auf den Weg gebracht. Mit beiden Programmen sollen die "Pfeiler der Integration" noch fester verankert werden, wie Göbel in der Sitzung sagte: Spracherwerb, Unterbringung sowie Arbeits- und Wohnungssuche, Beschulung der Kinder, medizinische Versorgung, aber auch interkultureller Austausch und Gleichbehandlung. Die Integration gehe schließlich die ganze Gesellschaft an und sei auch ein "Geben und Nehmen", sagte der Integrationsbeauftragte des Landkreises, Ali Danabas.

Migranten dürften nicht nur als Hilfsbedürftige betrachtet werden, die erst einmal nur die Sprache lernen müssten, sagte Danabas. "Vielmehr müssen wir die Menschen als Chance mit ganz viel Potenzial betrachten." Vor allem müssten alle Landkreisbürger mit einbezogen werden, die keinen deutschen Pass haben; dies seien immerhin 17 Prozent aller Einwohner. 30 Prozent der mehr als 350 000 Menschen im Landkreis hätten ohnehin einen Migrationshintergrund. Landrat Göbel sagte, ihm gehe es um eine "Aktivierung der Potenziale, die durch Integration ausgelöst werden". Gerade in einem Landkreis, in dem händeringend nach Fachkräften gesucht werde.

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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