Messestadt Riem:Der schönste Sommer aller Zeiten

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Zehn Jahre nach der Bundesgartenschau in der Messestadt sind Verkehrschaos und Kälte längst vergessen. Die Nachbarn erinnern sich an das Positive

Von Renate Winkler-Schlang

Perspektivenwechsel: Vorfreude war 2004. Jetzt bleibt nur die Rückschau auf den "schönsten Sommer aller Zeiten", den die Marketingmenschen und Geschäftsführer der Bundesgartenschau (Buga) 2005 versprochen hatten. Es war in Wirklichkeit ein eher verregneter Sommer. An manchen Tagen gingen die Besucher im Plastikponcho an den Rosen vorbei. Die Massen kamen dennoch, so viele, dass die Messestädter manchmal ächzten wegen der vollen U-Bahnen, der zahlreichen Busse. Doch im Gedächtnis geblieben ist den Menschen im Stadtbezirk offenbar nicht das Negative. Wer heute, nach zehn Jahren, sein Fotoalbum durchblättert - die digitale Fotografie war noch kaum verbreitet - erinnert sich nur an die schönen Seiten. Und da hat jeder seine eigenen.

Jutta Bindczeck wohnt bei " Autofrei Wohnen" nahe am Park - und hat sich erst einmal tüchtig geärgert, als dieser zur Buga-Baustelle wurde: "Betreten verboten". Doch das tolle Buga-Angebot habe das im Nachhinein wieder aufgewogen, sagt sie heute. Dass es oft geregnet hat, hat sie vergessen: "Auf unseren Fotos scheint immer die Sonne." Dank der Seilbahn konnte sie fast auf ihre eigene Terrasse schauen. Mit ihren Töchtern Jana und Sarah, damals sechs und neun Jahre, hat sie die Nachmittage auf der Buga genossen. Stolz seien sie gewesen auf ihre Buga-T-Shirts. Bindczeck erinnert sich an die bepflanzten Balkone, die Blumenschauen, die Ikebana-Ausstellung, die Modellgräber, die tollen Spielplätze, einfach an die "ganze bunte Vielfalt". Und seit der Buga sei sie A-cappella-Fan, dank Viva Voce, Muttis Kinder und dem Auftritt der Wise Guys. Manche Nachbarn hätten danach die schönen Gartenmöbel gekauft, auch die Sonnenschirme am See seien ein Relikt der Bundesgartenschau.

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(Foto: Catherina Hess)

Riesen-Eier in einem Nest aus Stämmen statt Ästen ...

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(Foto: Catherina Hess)

...und im Senkgarten rote, weiche Wege - das gefiel Jana und Sarah Bindczeck vor zehn Jahren.

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(Foto: privat)

Stolz trugen die beiden Mädchen ihre Buga-T-Shirts und -Mützen.

Thomas Keimerl war und ist im Arbeitskreis Ökologie der Messestadt aktiv und engagiert sich sehr dafür, Lebensräume für die Wechselkröte zu erhalten. Kein Wunder, dass er sich vor allem daran erinnert, wie schnell die "kleinen Hüpferlinge" auch die temporären Gewässer in den Zellgärten angenommen haben: "Was ist aus denen wohl geworden?", fragt er sich. Wichtig fand der Energieberater all die Infos über nachwachsende Rohstoffe und Ökologie. Als richtig toll empfand er, wie sauber und hundehaufenfrei die Buga war: "Damals bin ich leidenschaftlich gerne barfuß zum See. Ein Erlebnis. Das mache ich heute nicht mehr." Genossen habe er auch, wenn die auswärtigen Gäste abends wieder abfuhren und Ruhe einkehrte. Oftmals sei er erst spät abends wieder durchs Drehkreuz gekommen. Da war es gar nicht nötig, das Programm zu studieren, ob Seebühne oder Veranstaltungspavillon, irgendwo passierte immer etwas, das ihn fesselte. Auch heute noch freue er sich an dem, was blieb, etwa die große Pusteblume aus lauter Wäschespinnen, die "singt", wenn der Wind durchpfeift. Auch den umhäkelten Baum - damals noch etwas Ungewöhnliches - gebe es noch. Aber Keimerl freut sich auch, dass er nun keine Umwege mehr radeln muss hinüber nach Trudering oder Neuperlach.

Eva Raith lebt im Westen des Geländes, in Kirchtrudering. Sie hat auf ihren Spaziergängen alle Phasen der Entstehung des Parks und des Lochs, das zum See wurde, beobachtet. Ihre erste Erinnerung an die Buga-Vorbereitungen war laut: Hubschrauber kreisten, ließen die Stützen für die Seilbahn ab: "Das war ein Paukenschlag. Unheimlich spannend." Dann bangte sie mit, ob das kalte Frühjahr den Pflanzen schadete, freute sich, dass der Zaun um den Park eine Öffnung gen Kirchtrudering ließ. Entsprechend groß war die Enttäuschung, dass hier nur ein mannshohes Drehkreuz als Ausgang vorgesehen war. Da aber die ganze Familie Dauerkarten besaß, sahen sie und ihr damals achtjähriger Sohn kein großes Vergehen darin, einfach durchzuschlüpfen. "Nur mein Mann musste außen rum, sein Brustkorb war zu breit." Sie lacht. Mit dem Sohn war sie oft beim begehbaren Luftbild von München: "Damals gab es kein Google Maps." Raith hat den Buga-Führer von damals, die Kulturprogramme und einige Zeitungsartikel aufgehoben und blättert sie durch. Das Nest in den Zellgärten, das "Haus der Gegenwart", die Seilbahn: "Ewig schad', dass all das nicht mehr da ist." Aber der Senkgarten mit den roten Wegen, den besuche sie oft. "Gummigarten" hat ihr Sohn ihn damals getauft. Auch an die Diskussion über Hunde auf der Buga denkt sie zurück, eine Stadträtin habe damals gekontert, dass man seinen Hund doch auch nicht mit in die Oper nehme, obwohl die auch mit Steuergeld bezuschusst sei.

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(Foto: SABINE JAKOBS; privat)

Jutta Bindczeck wohnt bei " Autofrei Wohnen" nahe am Park - und hat sich erst einmal tüchtig geärgert, als dieser zur Buga-Baustelle wurde.

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(Foto: N/A)

Thomas Keimerl war und ist im Arbeitskreis Ökologie der Messestadt aktiv und engagiert sich sehr dafür, Lebensräume für die Wechselkröte zu erhalten.

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(Foto: ANGELIKA BARDEHLE)

Eva Raith lebt im Westen des Geländes, in Kirchtrudering. Sie hat auf ihren Spaziergängen alle Phasen der Entstehung des Parks und des Lochs, das zum See wurde, beobachtet.

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(Foto: Jakob Berr)

Brigitte Sowa, Ur-Messestädterin, und ihre ganze Familie fanden die Buga "wirklich ganz toll".

Georg Kronawitter (CSU) war 2005 Bezirksausschuss-Vorsitzender für Trudering-Riem und hatte bereits im Vorfeld im entsprechenden Beirat viel mit den Rahmenbedingungen für die Gartenschau zu tun.

Brigitte Sowa, Ur-Messestädterin, und ihre ganze Familie fanden die Buga "wirklich ganz toll". Nie zuvor wäre sie auf die Idee gekommen, eine Gartenschau zu besuchen und so betrachtete sie diese nach eigenen Worten ganz unvoreingenommen. Die Kinder waren damals erst zehn und elf, sie arbeitete Teilzeit und konnte mit ihnen jede freie Minute im Gartenschaugelände verbringen: "Wir waren jeden Tag da." - "Sensationell" fand Sowa die Muster-Gräber, einmalig die Fuchsien-Sonderschau und das Ikebana, "total schön" die Schau-Terrassen, "spannend" die Idee, mit "Mikro und Makro" zu spielen. Dennoch verstand sie, dass manchem von auswärts, der sich alles an einem Tag reinziehen wollte, das Gelände zu weitläufig war. Die Seilbahn war in ihren Augen zu teuer: "Ein kleines Paternosterbähnlein mit mehreren Haltestellen hätte mir besser gefallen." Seit der Buga ist Sowa auch ein String-of-Pearls-Fan: "Ich habe mir sogar eine CD signieren lassen, was sonst gar nicht mein Stil ist."

Brigitte Sowa hatte auf der Buga sogar eine Doppelrolle: Als Pächterin einer der 19 individuell bepflanzten Kleingartenzellen war sie Teil der Ausstellung, goss ihre Gemüsebeete und genoss den Kontakt mit interessierten Besuchern. Da war natürlich keine klassische Schrebergarten-Romantik, denn die Häuschen für die Nutz-, Öko- oder Wellnessgärten waren modern, geradlinig, funktional. Die Kommentare der Besucher, die solches zum ersten Mal sahen, waren teilweise aber unfreundlich: "Dürft Ihr das abreißen, wenn's vorbei ist", sei noch die harmlose Variante gewesen. Doch bald wurden sie zum Klassiker, Manufaktum habe eines der Modelle im Programm, weiß Sowa.

Georg Kronawitter (CSU) war 2005 Bezirksausschuss-Vorsitzender für Trudering-Riem und hatte bereits im Vorfeld im entsprechenden Beirat viel mit den Rahmenbedingungen für die Gartenschau zu tun. Ihm fällt die Buga-Lounge als erstes ein - denn nur der Buga sei es zu verdanken, dass der Kopfbau der ehemaligen Flughafen-Besuchertribüne hergerichtet worden sei. Ein Flair wie damals, dafür kämpft er derzeit, denn das Gebäude steht leer. Als passionierter Blechbläser habe er sich vor allem über einschlägige Musik-Events gefreut. Nils Landgren, ein schwedischer Posaunist mit einem roten Instrument, habe ihn damals mit seinem "Best of Abba" beeindruckt, auf der Bühne sei der Musiker sogar herumgeklettert. Aber auch der Auftritt von Mnozil Brass, einer "verrückten" Wiener Band, sei ihm im Gedächtnis geblieben: "Für die Eingeweihten zum Abheben" sei das gewesen. Sein Zugang zur Buga war von der Gronsdorfer Seite aus, der informative Pavillon der Bundesrepublik war dabei oftmals die erste Station, bei der er hängen blieb, erzählt er. Und wollte er wieder heim, schaute er nur auf die großen Displays, die verrieten, wann die nächste U- oder S-Bahn fährt: Dieses Angebot erfreute das Herz des Bahn-Fans. "Damals gab es noch keine Apps", erklärt Kronawitter.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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