Luft- und Raumfahrt:Der Himmel ist grenzenlos

Lesezeit: 3 min

Airbus ist der Europa-Konzern schlechthin: 2500 Mitarbeiter aus 48 Nationen entwickeln in Ottobrunn modernste Raketen- und Satellitentechnik. Trotz Internationalität bleiben Eigenheiten

Von Martin Mühlfenzl

Ob die sich die Firma Airbus bei der Suche nach einem Standort in den Vereinigten Staaten bewusst für die Stadt Mobile entschieden hat, ist nicht überliefert. Aber der Name passt zu einem Flugzeugbauer: Er klingt nach Bewegung, Dynamik, Energie - Mobilität. Dagegen Ottobrunn? Keine Spur von Schwung und Tatkraft. Und trotzdem ist der Name der Gemeinde untrennbar mit jenem des größten europäischen Flugzeugherstellers verbunden - sehr zum Leidwesen der Nachbarn aus Taufkirchen, auf deren Flur der Firmensitz eigentlich steht. Aber Airbus selbst lokalisiert sich ganz eindeutig: "Airbus Defence and Space in Ottobrunn."

Dass hier die Zukunft der Luft- und Raumfahrt gestaltet und entwickelt wird, lässt sich von außen nur erahnen. Der wenig ansehnliche Industriebau mitten im Ludwig-Bölkow-Campus wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Aber der erste Eindruck täuscht. "Der Standort Ottobrunn steht für Innovationen - nach wie vor", sagt Chantal Jonscher, die als Corporate Secretary für alle Standorte der Division verantwortlich ist und seit 19 Jahren dem Unternehmen angehört.

Der Firmensitz liegt auf Taufkirchner Flur, aber als Standort wird meist Ottobrunn genannt. Den Mitarbeitern wird’s egal sein. (Foto: Michalea Rehle/Reuters)

Und Jonscher, die an verschiedenen Airbus-Standorten etwa in den USA, in Paris und in Amsterdam gearbeitet hat, ist durchaus ein wenig Stolz anzumerken, dass sie seit zweieinhalb Jahren wieder als Secretary in Ottobrunn beheimatet ist. Jenen Ort, an dem die Geschichte des Unternehmens als führender Luft- und Raumfahrt-Konzern des Kontinents mitbegründet wurde. Und zwar in den Siebzigerjahren mit der Entwicklung des Satelliten "Symphonie", des ersten deutsch-französischen Projekts dieser Art. "Und bis heute ist die Geschichte von Airbus von Kooperation geprägt", sagt Jonscher. Die 45-jährige Belgierin steht exemplarisch für ein Unternehmen, für den das Selbstverständnis als internationaler Konzern von elementarer Bedeutung ist. Wie soll das auch anders sein? Flugzeuge werden ja nicht gezwungen an Ländergrenzen notzulanden; Satelliten behalten quasi die ganze Welt dauerhaft im Auge.

In Ottobrunn entwickeln etwa 2500 Mitarbeiter aus 48 Nationen in Reinräumen immer ausgefeiltere Satellitentechnik, testen Solarpaneele, entwickeln Systeme der Cyber-Sicherheit, basteln an der Elektronik für Trägerraketen und erforschen im Algentechnikum die Einsatzmöglichkeiten von Algen etwa als Treibstoff der Zukunft. Zählt man die Mitarbeiter der Ariane Group hinzu, die ein Gemeinschaftsunternehmen der Airbus Group ist, arbeiten in Ottobrunn und Taufkirchen mehr als 3000 Mitarbeiter. "Und auch die Frauenquote stimmt bei uns", sagt Jonscher und lacht. Die in Brügge geborene Belgierin ist weit gereist, ihr Deutsch aber so geschliffen, als hätte sie ihr ganzes Leben hier verbracht. Arbeitssprache bei Airbus in Ottobrunn ist aber selbstverständlich Englisch. "Ein internationales Unternehmen wie Airbus zieht natürlich viele Menschen aus unterschiedlichen Nationen an", sagt Jonscher, "und diese Internationalität wird hier in Ottobrunn auch gelebt." Seine Eigenheiten müsse auf dem Ludwig-Bölkow-Campus niemand aufgeben, versichert die Konzernsprecherin: "Wenn etwa die Deutschen schon um 11.30 Uhr hungrig sind, die Spanier aber erst um 14 Uhr in die Kantine gehen."

Chantal Jonscher, 45, ist seit 19 Jahren in führenden Positionen beim Flugzeugbauer Airbus tätig. Die gebürtige Belgierin bezeichnet sich selbst als überzeugte Europäerin – und Flamin. (Foto: N/A)

Airbus ist das europäische Unternehmen schlechthin. Sein Ursprung liegt in der "Arbeitsgemeinschaft Airbus" der Firmen Bölkow, Dornier, Messerschmitt, der Hamburger Flugzeugbau und der Vereinigten Flugtechnischen Werke Mitte der Sechzigerjahre. Ziel des Zusammenschlusses war es, konkurrenzfähige, europäische Passagierflugzeuge auf den Markt zu bringen. Offiziell gegründet wurde Airbus im Jahr 1970, zwei Jahre später hob die erste Maschine mit dem Namen A 300 und zwei Triebwerken sowie Platz für 226 Passagiere zum Jungfernflug ab. Mittlerweile ist Airbus in vier Kernländern und 17 Standorten in Europa präsent - Spanien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Den bevorstehenden Brexit betrachtet Jonscher mehr aus unternehmerischer, denn emotionaler Sicht. Das muss sie auch. Etwa 14 000 Mitarbeiter beschäftigt Airbus in Großbritannien, bei einem Umsatz von etwa sechs Milliarden Pfund. "Wir haben auch sehr viele Mitarbeiter aus EU-Ländern, die in Großbritannien arbeiten und umgekehrt", sagt sie. "Man merkt den Mitarbeitern auch eine gewisse Unsicherheit an." Airbus aber werde sich der Herausforderung Brexit stellen. "Wir haben einen Plan B, einen Plan C, ein Back-up."

Airbus sei nur deshalb eine Erfolgsgeschichte geworden, weil es immer als europäisches Projekt gedacht worden sei und immer noch gedacht wird, sagt Chantal Jonscher, die sich selbst als "überzeugte Europäerin" bezeichnet. Sie glaube deshalb auch an ein offenes, starkes Europa. "50 Jahre Airbus hätten wir ohne Europa nicht geschafft. Deshalb müssen wir dieses Zukunftsprojekt auch weiterdenken. Das ist ein Muss", sagt Jonscher, die gerne in Ottobrunn lebt und dort zuhause ist, aber auch ihrer Heimat stets verbunden geblieben ist. "Wenn ich zu Hause in Brügge bin, bin ich wieder Flamin und spreche auch Flämisch. Man muss die Eigenheiten, die Kultur jedes Menschen anerkennen. Dann ist das alles kein Problem."

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: