Lise-Meitner-Gymnasium:Das kalte Herz als heißer Scheiß

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Die Schüler der Theatergruppe haben sich selbst gefilmt: im eigenen Zimmer, allein im Wald oder vor der Haustür. Das gesammelte Material ist vom 17-jährigen Mika Esch zu einem Kurzfilm geschnitten worden. Collage: Alexandra Wiesner (Foto: N/A)

Unterhachinger Schüler machen aus geplatztem Märchentheaterstück einen kriminalistischen News-Film.

Von Selina Trummer, Unterhaching

Peter Munk ist ein armer Junge und unzufrieden mit seinem Leben. Er entscheidet sich dazu, sein Herz gegen Geld einzutauschen. Erst mit der Zeit bemerkt er, dass der Reichtum und Wohlstand, den er sich so sehr gewünscht hatte, ihn alles andere als glücklich macht. Mit seinem neuen Herz aus Stein kann er nichts empfinden. Es ist kalt. So will er den Tausch rückgängig machen, doch das erweist sich als schwierig.

"Ich wollte 'Das kalte Herz' immer schon mal machen", sagt Ursula Honisch, Theaterlehrerin am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching. Seit 2009 ist sie Teil des Schultheaters, seit knapp sechs Jahren leitet sie den Profilkurs Theater und Film für die elfte und zwölfte Klasse. Das berühmte und düstere Märchen von Wilhelm Hauff fand Honisch schon immer faszinierend und ihr Vorschlag konnte auch die Schüler überzeugen, die in diesem Schuljahr entweder ein Märchen oder einen Krimi machen wollten. "Das Thema war einfach aktuell", erklärt die Lehrerin. Im Märchen werden hoch aktuelle Themen, wie das dauernde Gewinnstreben der Gesellschaft, behandelt.

In Zeiten von Fridays For Future sei es wichtiger denn je, den Wert von Liebe und Freundschaft im Vergleich zur ständigen Jagd nach Geld zu erkennen. "Das Märchen thematisiert eine gesellschaftliche Problematik, die heute noch genauso existiert", sagt auch die 17-jährige Schülerin Lili Lukacs. Das Stück sollte laut Ursula Honisch ein modernes, zeitgemäßes Märchen werden. Die Figuren wurden etwas verändert und die Schüler konnten ihre Texte selbst verfassen. Anstelle eines altmodischen, aus heutiger Perspektive eventuell verstaubten Stückes sollte eine modernisierte Version der Geschichte entstehen. So wurde aus dem Glasmännchen die Crazy Glasfee und der Holländermichel wurde zu einem schmierigen Typen im Zuhälter-Outfit. Alles lief nach Plan, die Texte waren fertig, die Rollen verteilt und die Premiere sollte am 23. März stattfinden. Dann war das Lise-Meitner-Gymnasium eines der ersten im Landkreis München, das einen Corona-Fall bestätigte. Aufgrund der neuen Regelungen wurde die Premiere, wie dann die meisten Veranstaltungen im Freistaat, abgesagt.

Die Theatergruppe bestehe aus 13 Schülern, eine Schülerin der zehnten Klasse sei als Gast dabei, sagt Honisch. Die Absage habe alle Beteiligten sehr getroffen. Schnell sei klar gewesen, dass eine Alternative hermüsse. Eine Entscheidung wurde gefällt: "Lasst uns einen Film drehen." Die Gruppe wollte sich für den Dreh zwei bis drei Wochen nach der Schließung der Schule treffen. Doch durch die kurz darauffolgende Ausgangssperre, sei auch das nicht mehr möglich gewesen. "Dann musste ich auf jeden Fall Motivationsarbeit leisten. Sie sollen sich nicht unterkriegen lassen", sagt die Lehrerin. Die Schüler seien eine kreative Gruppe.

Alles wurde von zuhause mit dem Smartphone gefilmt

Honisch habe ihnen einige Ideen gegeben und es dann ruhen lassen. Von hier sei dann alles ins Rollen gekommen. Die Schüler entschieden sich dazu, eine Reportage aus dem Märchen zu machen. In den folgenden Wochen sei alles von zuhause mit dem Smartphone gefilmt worden. Der Kriminalfall starte nun mit dem Herzenfund im Schwarzwald. Die Crazy Glasfee werde mit Hilfe einer Wildkamera entdeckt und schließlich interviewt. Auch Peters Mutter, seine Freunde und seine Frau, sowie er selbst äußern sich im Laufe des Films in Interviews. Der Holländermichel rechtfertige sich und sehe die Schuld nicht bei sich, sondern bei den anderen. Zwei Schüler moderieren von zuhause und schalten immer wieder vor Ort. "In meiner Rolle als Nachrichtensprecherin konnte ich mir viele echte Moderatoren als Vorbild nehmen. Schließlich berichten diese aktuell aufgrund der Coronakrise auch oft aus dem Home-Office", erzählt die 17-jährige Antonia Jenuwein. Der ganze Film sei eine Art Sondersendung zu dem besonderen Fund im Schwarzwald, so Honisch. Die Schüler wurden kreativ, sie filmten sich selbst allein im Wald oder vor der Haustür. Das gesammelte Material wurde dann vom 17-jährigen Mika Esch zu einem Kurzfilm geschnitten. "So kann man seine Zeit sinnvoll nutzen, wenn Corona die Welt terrorisiert", sagt er.

Die Schüler hätten wirklich Einsatz gezeigt, freut sich Honisch. "Stück für Stück wurde aus verschiedenen kreativen Ideen ein einzigartiger Kurzfilm, der mir bewiesen hat, dass man auch unter schweren Bedingungen das Beste aus einer Situation machen kann", sagt die 18-jährige Negeen Sultan, im Film die Mutter des unglücklichen Peter. Eine Schülerin richtete unter anderem einen Online-Raum ein, in dem alle zwei Tage eine Videokonferenz stattfinden konnte. "Wir leben vom Austausch. Das tut uns gut", erklärt Honisch. Der Film sei so gut wie fertig. Bald werde ein Trailer veröffentlicht. Die Premierenvorführung müsse aber noch warten. Sie werde in der Schule stattfinden, sobald dies wieder möglich sei.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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