Landkreis München:Kindergeld

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Die Betreuung der Jüngsten hat in den Städten und Gemeinden des Landkreises enorme Kosten verursacht

Es sollte ein Informationsabend der Gemeinde Haar über die Situation in der Kinderbetreuung werden. Doch bevor Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) dazu kam, irgendetwas zu erklären, fand sie sich auf der Anklagebank wieder. Fast auf den Tag ein Jahr ist es her, dass Müller, sich im kleinen Saal des Bürgerhauses empörten Eltern gegenübersah und in Erklärungsnot geriet. Dabei hatte die Verwaltung sie mit so vielen Zahlen ausgestattet, die als Argumentationshilfe vor ein paar Jahren noch getaugt hätten, um bei den Vätern und Müttern ein gewisses Verständnis für die Situation der Gemeinde zu erlangen. Die Gemeinde hatte Kindertagesstätten gebaut. Wegen akuten Erziehermangels, für den die Kommune ja nun wirklich nichts konnte, drohten Engpässe.

Doch die Familien stehen unter Druck. Wenn Vater und Mutter arbeiten müssen, um die Miete zahlen oder den Hauskredit bedienen zu können, dann ist es schwierig, Verständnis dafür zu finden, dass das jetzt doch nicht möglich sein soll. Die Ansprüche der Bürger sind jedenfalls gewachsen, die Stimmung ist schnell gereizt, wenn eigene Pläne von der Rathausverwaltung oder der Politik durchkreuzt werden. Bürgermeisterin Müller war nicht die einzige, die vor einem Jahr von den Bürgern wegen fehlender Kindergartenplätze und einem Mangel an Betreuungsmöglichkeiten angegangen wurde. Auch der Unterhachinger Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) stand damals bei seiner Bürgerversammlung verärgerten Eltern gegenüber. Inzwischen haben beide Gemeinden die Kindergartenkrise allerdings wieder überwunden.

Deutlich hat sie aber auch gemacht: Es steckt viel Zündstoff darin, wenn die Kommunen auf dem Gebiet der Kinderbetreuung nicht immer und immer wieder aufstocken, um die gestiegenen Ansprüche zu erfüllen, und versuchen, dem zunehmenden Bedarf und den Ansprüchen berufstätiger Eltern gerecht zu werden. Die Vorgaben, wie das Bayerische Kinderbildungs- und fördergesetz (BayKiBiG) oder der gesetzliche Anspruch auf Betreuung für das Kleinkind, machen das Land und der Bund. Wie diese dann umgesetzt werden, obliegt dann den Kommunen. Haar hat es geschafft, mit dem Einsatz von viel Geld und kreativen Aktionen, die geforderten Betreuungsplätze zu stellen. Auch bei der Personal-Akquise - die eigentlich nicht der Job einer Rathausverwaltung ist - hat man dazugelernt. Dieser Tage kommen sogar Meldungen aus der Gemeinde Haar, dass Plätze in Einrichtungen noch frei sind. Bei ihrem Engagement fühlen sich die Rathäuser aber oft allein gelassen. Gerade auch finanziell.

Wie sehr den Kommunen allein die Kosten für Kinderbetreuung zu schaffen machen, zeigten landauf, landab die Haushaltsberatungen, bei denen die Ausgaben in diesem Bereich in den vergangenen Jahren erheblich nach oben schnellten. Allein mit der Erhöhung der Elterngebühren in den Kitas ist es nicht mehr getan, das auszugleichende Defizit, das an den Gemeinden hängen bleibt, liegt vielerorts in Millionenhöhe.

Für die Kommunen machen die Ausgaben im Kita-Bereich den Löwenanteil der insgesamt gestiegenen Ausgaben im sozialen Bereich aus. Die Bertelsmann-Stiftung hat daher kürzlich in einer Studie über die Sozialausgaben in kommunalen Haushalten anders als bei vorangegangenen, ähnlichen Untersuchungen die Ausgaben für Personal, Gebäude und Einrichtung für die Kinderbetreuung mit eingerechnet. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass trotz der guten Konjunktur in den vergangenen zehn Jahren die Sozialausgaben der Kommunen um mehr als 50 Prozent gestiegen sind. Auch in einem solch reichen Landkreis wie dem Münchner ist das ein großes Thema.

Eine Vervierfachung der Krippenplätze in Unterhaching: Die Gemeinde hat für die Kinderbetreuung im Jahr 2015 ein Defizit von 5,1 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. Einnahmen hat Unterhaching hier knapp vier Millionen, Ausgaben mehr als neun Millionen Euro. Mehr als drei Millionen Euro fließen in die kommunalen Kindertagesstätten, 1,1 Millionen Euro in Kitas anderer Träger, etwa 238 000 Euro in die Jugendkulturwerkstatt und noch einmal 555 000 Euro in die Jugendarbeit. Von zehn Jahren belief sich das Defizit der Kommune noch auf etwa 3,6 Millionen Euro. Die Steigerung von Einnahmen, Ausgaben und Defizit liegt an den zusätzlichen Betreuungsplätzen. Allein die Zahl der Krippenplätze hat sich in dieser Zeit vervierfacht.

Kostspielige Jugendsozialarbeit in Taufkirchen: Die Gemeinde betreibt keine eigenen Kindertageseinrichtungen. Sie stellt den Trägern die Gebäude und trägt den Betriebs- und Sachaufwand komplett. Hinzu kommt eine hundertprozentige Defizitübernahme. Im Jahr 2005 ergaben sich für Taufkirchen damit Ausgaben in Höhe von 2,1 Millionen Euro, in diesem Jahr wird mit 5,7 Millionen Euro gerechnet. Auch die Beträge, die in die Jugendarbeit fließen, haben sich in den vergangenen zehn Jahren vervielfacht. 2005 gab die Gemeinde noch knapp 1,4 Millionen Euro für die Jugendsozialarbeit an Schulen, die Jugendfreizeitstätte, mobile Jugendarbeit und Integrationsprojekte aus, 2015 sind fast 4,9 Millionen Euro veranschlagt. Allerdings sind auch auf der Einnahmenseite inzwischen weitaus höhere Beträge im Haushalt vermerkt: Statt 1600 Euro wie vor zehn Jahren stehen hier nun knapp 2,5 Millionen Euro. In diesem Bereich hat sich in Taufkirchen einiges verändert. Die Gemeinde ist aus dem Kreisjugendring ausgetreten und organisiert die Jugendarbeit seit mehreren Jahren in Eigenregie. Auch die Anforderung haben sich verändert, der Gemeinderat hat entsprechende Beschlüsse, etwa die Sprachförderung, beschlossen.

Kosten steigen um 144 Prozent in Oberhaching: In Oberhaching sind die Kosten für die Kinderbetreuung und damit das von der Gemeinde zu tragende Defizit in den vergangenen zehn Jahren um 144 Prozent gestiegen, von einer Million Euro in 2004 auf 2,5 Millionen Euro im Jahr 2014. Das kann nicht so weitergehen, hatte der Gemeinderat in den jüngsten Haushaltsberatungen festgestellt, und nach einer Erhöhung der Gebühren aufgrund der Arbeitsmarktzulage eine weitere Anhebung beschlossen. Neun Einrichtung hat Oberhaching inzwischen, vor zehn Jahren waren es noch fünf, meist klassische Kindergärten, in denen die Kleinen mittags abgeholt werden. Inzwischen allerdings sind Betreuungszeiten von 7.30 bis 17.30 Uhr gefragt. Auch das Personal im Rathaus wurde für diesen Bereich um zwei Personen aufgestockt.

In Ismaning fordert der Bürgermeister die Politik zum Handeln auf: Alexander Greulich (SPD) hat unlängst wieder erfahren, wie es sich anfühlt, wenn sich ein Saal von Menschen ganz und gar einig ist. Ismanings Bürgermeister war bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Dresden. Die Klagen über steigende Lasten, die die Kommunen zu schultern haben, waren von allen Seiten zu hören. "Das kommt schon was auf uns zu, und zwar ganz heftig", sagt Greulich. Ob bei der Kleinkindbetreuung, der Ganztagsschule und jetzt auch noch mehr und mehr beim sozialen Wohnungsbau. Greulich erlebt, wie Bund und Land auf vielen Feldern "politischen Druck" aufbauen. Mit der Umsetzung würden die Kommunen weitgehend allein gelassen. Nur einer, von vielen Ausgabeposten: 2005 steckte Ismaning unterm Strich 2,7 Millionen Euro in die Kindertagesstätten, zehn Jahre später sind es 5,5 Millionen Euro.

In Brunnthal werden weitere Kindertagesstätten gebaut: Auch auf dem Dorf hat sich die Welt verändert. Der Ausbau der Kinder- und Ganztagsbetreuung bindet in Brunnthal Jahr für Jahr Geld und kostet die Verantwortlichen viele Nerven. Für die Mittagsbetreuung an der Grundschule wird ein Neubau errichtet. Wegen der immer komplizierter werdenden Anmeldeverfahren für Krippe, Kindergarten und Hort soll eine neue Software angeschafft werden. Der Bau einer Kinderkrippe in Brunnthal-Ort steht auf der To-do-Liste von Bürgermeister Stefan Kern (CSU), und der Kampf gegen überbordende Defizite in den Einrichtungen gehört zu seinem täglichen Geschäft. Im Jahr 2005 wurden für die Kinderbetreuung - Mittagsbetreuung, Kindergarten - 275 000 Euro ausgegeben, Einnahmen schon abgezogen. Vergangenes Jahr waren es 850 000 Euro, die Abschreibungen eingerechnet, etwa eine Million Euro.

Armenunterstützung ist gerade in Haar auch Thema: Es gehört zur guten Tradition in Haar, dass der Rathauschef in der Bürgerversammlung den Finger mahnend erhebt und beklagt, wie viele Menschen in dem reichen Münchner Umland auf Armenunterstützung angewiesen sind. Haar ist nicht Grünwald, es gibt noch verhältnismäßig viele günstige Wohnungen, und entsprechend hoch ist der Anteil derer, die finanziell zu kämpfen haben. Und er wächst: 2005 gab die Kommune Haar 14 000 Euro aus, um Bedürftigen unmittelbar zur Seite zu stehen. 2015 waren es schon 85 000 Euro. Das ist eine Steigerung um sage und schreibe 500 Prozent. Bei der Kinderbetreuung und im Schulbereich sind die Zuwächse ebenfalls immens. Derzeit baut die Gemeinde Haar an der Jagdfeldschule auf eigene Faust einen Ganztageszweig neu auf. Die Errichtung von Krippen, Räumen für den Ganztagesbetrieb gar nicht eingerechnet, stiegen die Ausgaben für Personal, Zuschüsse und Sachkosten in den Kindertagesstätten von 2,1 Millionen Euro im Jahr 2005 innerhalb von zehn Jahren auf 8,4 Millionen Euro. 1,3 Millionen Euro mussten 2005 an Defizit übernommen werden, 2015 sind es 4,5 Millionen Euro.

Innovative Kinderbetreuung in Unterschleißheim: Die Stadt Unterschleißheim hat viele Ideen in den Ausbau ihrer Kindertagesstätten einfließen lassen. Die Kinderhäuser, in denen Buben und Mädchen von klein auf bis zum Schulalter unter einem Dach betreut werden, haben Modellcharakter. "Wir sind relativ vorbildlich", sagt der Referent des Bürgermeisters, Thomas Stockerl. Aber das alles kostet natürlich auch. Einrichtungen wurden neu gebaut, die Zahl der Betreuungsplätze stieg stark an. Im Jahr 2005, zwei Jahre vor der Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -förderprogramms mit seiner kindbezogenen staatlichen Förderung, belastete der Betrieb der Kindertagesstätten den Etat der Stadt mit 2,5 Millionen Euro. 2011 waren es 4,3 Millionen, 2014 dann 5,1 Millionen und heuer wird mit sechs Millionen Euro gerechnet.

Feldkirchen setzt auf Unterstützung für Familien: Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) will Feldkirchen nicht mit einer Kommune im Ruhrgebiet in einen Topf werfen. Die klassischen Sozialfälle, Langzeitarbeitslose in hoher Zahl und ähnliches seien im Raum München nicht das große Problem. Die Kommunen stünden dennoch in ihrer sozialen Funktion in der Pflicht, weil hohe Mieten und Immobilienpreise Familien unter Druck setzten. Ohne einen zweiten Verdiener gehe es oft nicht mehr. Feldkirchen hat in sechs Jahren zwei Krippen neu errichtet. Freie Träger, die die Einrichtungen dann führten, rechneten fest die Übernahme von Defiziten ein, sagt van der Weck. Annähernd vier Millionen Euro flossen zuletzt im Jahr auf diese Weise in die Kindertagesstätten. "Sinnvoller kann man das Geld nicht investieren", sagt er. Dennoch würde er sich mehr Unterstützung wünschen. Die Kommunen würden mit solchen sozialen Aufgaben zunehmend allein gelassen. "So lange es geht, geht es." Dann müssten andere Investitionen - wie eine neue Turnhalle - eben zurückstehen. Doch auch auf die wird von Bürgern - das ist allen in den Rathäusern klar - mehr oder weniger vehement gepocht.

Unterföhring - eine Kommune, in der die Kinderbetreuung nichts kostet: Seit mehr als 30 Jahren können sich Eltern in der wirtschaftsstarken Medienkommune glücklich schätzen. Für die Betreuung in Krippen, Kindergärten und Horten zahlen die Familien nichts. Unterföhring leistet sich den Luxus, die Gebühren zu übernehmen, was Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe ausmacht. "Eine Investition in die Zukunft", nennt das der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU). Das hat der Kommune einen enormen Zuzug von Familien beschert und den Titel "Jüngste Gemeinde im Landkreis" eingebracht. Die Kehrseite der Medaille: teure Mieten, hohe Grundstückspreis und wenig Wohnungen.

Es sollte ein Informationsabend der Gemeinde Haar über die Situation in der Kinderbetreuung werden. Doch bevor Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) dazu kam, irgendetwas zu erklären, fand sie sich auf der Anklagebank wieder. Fast auf den Tag ein Jahr ist es her, dass Müller, sich im kleinen Saal des Bürgerhauses empörten Eltern gegenübersah und in Erklärungsnot geriet. Dabei hatte die Verwaltung sie mit so vielen Zahlen ausgestattet, die als Argumentationshilfe vor ein paar Jahren noch getaugt hätten, um bei den Vätern und Müttern ein gewisses Verständnis für die Situation der Gemeinde zu erlangen. Die Gemeinde hatte Kindertagesstätten gebaut. Wegen akuten Erziehermangels, für den die Kommune ja nun wirklich nichts konnte, drohten Engpässe.

Doch die Familien stehen unter Druck. Wenn Vater und Mutter arbeiten müssen, um die Miete zahlen oder den Hauskredit bedienen zu können, dann ist es schwierig, Verständnis dafür zu finden, dass das jetzt doch nicht möglich sein soll. Die Ansprüche der Bürger sind jedenfalls gewachsen, die Stimmung ist schnell gereizt, wenn eigene Pläne von der Rathausverwaltung oder der Politik durchkreuzt werden. Bürgermeisterin Müller war nicht die einzige, die vor einem Jahr von den Bürgern wegen fehlender Kindergartenplätze und einem Mangel an Betreuungsmöglichkeiten angegangen wurde. Auch der Unterhachinger Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) stand damals bei seiner Bürgerversammlung verärgerten Eltern gegenüber. Inzwischen haben beide Gemeinden die Kindergartenkrise allerdings wieder überwunden.

Deutlich hat sie aber auch gemacht: Es steckt viel Zündstoff darin, wenn die Kommunen auf dem Gebiet der Kinderbetreuung nicht immer und immer wieder aufstocken, um die gestiegenen Ansprüche zu erfüllen, und versuchen, dem zunehmenden Bedarf und den Ansprüchen berufstätiger Eltern gerecht zu werden. Die Vorgaben, wie das Bayerische Kinderbildungs- und fördergesetz (BayKiBiG) oder der gesetzliche Anspruch auf Betreuung für das Kleinkind, machen das Land und der Bund. Wie diese dann umgesetzt werden, obliegt dann den Kommunen. Haar hat es geschafft, mit dem Einsatz von viel Geld und kreativen Aktionen, die geforderten Betreuungsplätze zu stellen. Auch bei der Personal-Akquise - die eigentlich nicht der Job einer Rathausverwaltung ist - hat man dazugelernt. Dieser Tage kommen sogar Meldungen aus der Gemeinde Haar, dass Plätze in Einrichtungen noch frei sind. Bei ihrem Engagement fühlen sich die Rathäuser aber oft allein gelassen. Gerade auch finanziell.

Wie sehr den Kommunen allein die Kosten für Kinderbetreuung zu schaffen machen, zeigten landauf, landab die Haushaltsberatungen, bei denen die Ausgaben in diesem Bereich in den vergangenen Jahren erheblich nach oben schnellten. Allein mit der Erhöhung der Elterngebühren in den Kitas ist es nicht mehr getan, das auszugleichende Defizit, das an den Gemeinden hängen bleibt, liegt vielerorts in Millionenhöhe.

Für die Kommunen machen die Ausgaben im Kita-Bereich den Löwenanteil der insgesamt gestiegenen Ausgaben im sozialen Bereich aus. Die Bertelsmann-Stiftung hat daher kürzlich in einer Studie über die Sozialausgaben in kommunalen Haushalten anders als bei vorangegangenen, ähnlichen Untersuchungen die Ausgaben für Personal, Gebäude und Einrichtung für die Kinderbetreuung mit eingerechnet. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass trotz der guten Konjunktur in den vergangenen zehn Jahren die Sozialausgaben der Kommunen um mehr als 50 Prozent gestiegen sind. Auch in einem solch reichen Landkreis wie dem Münchner ist das ein großes Thema.

Eine Vervierfachung der Krippenplätze in Unterhaching: Die Gemeinde hat für die Kinderbetreuung im Jahr 2015 ein Defizit von 5,1 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. Einnahmen hat Unterhaching hier knapp vier Millionen, Ausgaben mehr als neun Millionen Euro. Mehr als drei Millionen Euro fließen in die kommunalen Kindertagesstätten, 1,1 Millionen Euro in Kitas anderer Träger, etwa 238 000 Euro in die Jugendkulturwerkstatt und noch einmal 555 000 Euro in die Jugendarbeit. Von zehn Jahren belief sich das Defizit der Kommune noch auf etwa 3,6 Millionen Euro. Die Steigerung von Einnahmen, Ausgaben und Defizit liegt an den zusätzlichen Betreuungsplätzen. Allein die Zahl der Krippenplätze hat sich in dieser Zeit vervierfacht.

Investition in die Zukunft: Vor allem in den Ausbau der Kinderbetreuung haben die Städte und Gemeinden im Landkreis München viel Geld gesteckt. (Foto: Angelika Bardehle)

Kostspielige Jugendsozialarbeit in Taufkirchen: Die Gemeinde betreibt keine eigenen Kindertageseinrichtungen. Sie stellt den Trägern die Gebäude und trägt den Betriebs- und Sachaufwand komplett. Hinzu kommt eine hundertprozentige Defizitübernahme. Im Jahr 2005 ergaben sich für Taufkirchen damit Ausgaben in Höhe von 2,1 Millionen Euro, in diesem Jahr wird mit 5,7 Millionen Euro gerechnet. Auch die Beträge, die in die Jugendarbeit fließen, haben sich in den vergangenen zehn Jahren vervielfacht. 2005 gab die Gemeinde noch knapp 1,4 Millionen Euro für die Jugendsozialarbeit an Schulen, die Jugendfreizeitstätte, mobile Jugendarbeit und Integrationsprojekte aus, 2015 sind fast 4,9 Millionen Euro veranschlagt. Allerdings sind auch auf der Einnahmenseite inzwischen weitaus höhere Beträge im Haushalt vermerkt: Statt 1600 Euro wie vor zehn Jahren stehen hier nun knapp 2,5 Millionen Euro. In diesem Bereich hat sich in Taufkirchen einiges verändert. Die Gemeinde ist aus dem Kreisjugendring ausgetreten und organisiert die Jugendarbeit seit mehreren Jahren in Eigenregie. Auch die Anforderung haben sich verändert, der Gemeinderat hat entsprechende Beschlüsse, etwa die Sprachförderung, beschlossen.

Kosten steigen um 144 Prozent in Oberhaching: In Oberhaching sind die Kosten für die Kinderbetreuung und damit das von der Gemeinde zu tragende Defizit in den vergangenen zehn Jahren um 144 Prozent gestiegen, von einer Million Euro in 2004 auf 2,5 Millionen Euro im Jahr 2014. Das kann nicht so weitergehen, hatte der Gemeinderat in den jüngsten Haushaltsberatungen festgestellt, und nach einer Erhöhung der Gebühren aufgrund der Arbeitsmarktzulage eine weitere Anhebung beschlossen. Neun Einrichtung hat Oberhaching inzwischen, vor zehn Jahren waren es noch fünf, meist klassische Kindergärten, in denen die Kleinen mittags abgeholt werden. Inzwischen allerdings sind Betreuungszeiten von 7.30 bis 17.30 Uhr gefragt. Auch das Personal im Rathaus wurde für diesen Bereich um zwei Personen aufgestockt.

In Ismaning fordert der Bürgermeister die Politik zum Handeln auf: Alexander Greulich (SPD) hat unlängst wieder erfahren, wie es sich anfühlt, wenn sich ein Saal von Menschen ganz und gar einig ist. Ismanings Bürgermeister war bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Dresden. Die Klagen über steigende Lasten, die die Kommunen zu schultern haben, waren von allen Seiten zu hören. "Das kommt schon was auf uns zu, und zwar ganz heftig", sagt Greulich. Ob bei der Kleinkindbetreuung, der Ganztagsschule und jetzt auch noch mehr und mehr beim sozialen Wohnungsbau. Greulich erlebt, wie Bund und Land auf vielen Feldern "politischen Druck" aufbauen. Mit der Umsetzung würden die Kommunen weitgehend allein gelassen. Nur einer, von vielen Ausgabeposten: 2005 steckte Ismaning unterm Strich 2,7 Millionen Euro in die Kindertagesstätten, zehn Jahre später sind es 5,5 Millionen Euro.

In Brunnthal werden weitere Kindertagesstätten gebaut: Auch auf dem Dorf hat sich die Welt verändert. Der Ausbau der Kinder- und Ganztagsbetreuung bindet in Brunnthal Jahr für Jahr Geld und kostet die Verantwortlichen viele Nerven. Für die Mittagsbetreuung an der Grundschule wird ein Neubau errichtet. Wegen der immer komplizierter werdenden Anmeldeverfahren für Krippe, Kindergarten und Hort soll eine neue Software angeschafft werden. Der Bau einer Kinderkrippe in Brunnthal-Ort steht auf der To-do-Liste von Bürgermeister Stefan Kern (CSU), und der Kampf gegen überbordende Defizite in den Einrichtungen gehört zu seinem täglichen Geschäft. Im Jahr 2005 wurden für die Kinderbetreuung - Mittagsbetreuung, Kindergarten - 275 000 Euro ausgegeben, Einnahmen schon abgezogen. Vergangenes Jahr waren es 850 000 Euro, die Abschreibungen eingerechnet, etwa eine Million Euro.

Armenunterstützung ist gerade in Haar auch Thema: Es gehört zur guten Tradition in Haar, dass der Rathauschef in der Bürgerversammlung den Finger mahnend erhebt und beklagt, wie viele Menschen in dem reichen Münchner Umland auf Armenunterstützung angewiesen sind. Haar ist nicht Grünwald, es gibt noch verhältnismäßig viele günstige Wohnungen, und entsprechend hoch ist der Anteil derer, die finanziell zu kämpfen haben. Und er wächst: 2005 gab die Kommune Haar 14 000 Euro aus, um Bedürftigen unmittelbar zur Seite zu stehen. 2015 waren es schon 85 000 Euro. Das ist eine Steigerung um sage und schreibe 500 Prozent. Bei der Kinderbetreuung und im Schulbereich sind die Zuwächse ebenfalls immens. Derzeit baut die Gemeinde Haar an der Jagdfeldschule auf eigene Faust einen Ganztageszweig neu auf. Die Errichtung von Krippen, Räumen für den Ganztagesbetrieb gar nicht eingerechnet, stiegen die Ausgaben für Personal, Zuschüsse und Sachkosten in den Kindertagesstätten von 2,1 Millionen Euro im Jahr 2005 innerhalb von zehn Jahren auf 8,4 Millionen Euro. 1,3 Millionen Euro mussten 2005 an Defizit übernommen werden, 2015 sind es 4,5 Millionen Euro.

Innovative Kinderbetreuung in Unterschleißheim: Die Stadt Unterschleißheim hat viele Ideen in den Ausbau ihrer Kindertagesstätten einfließen lassen. Die Kinderhäuser, in denen Buben und Mädchen von klein auf bis zum Schulalter unter einem Dach betreut werden, haben Modellcharakter. "Wir sind relativ vorbildlich", sagt der Referent des Bürgermeisters, Thomas Stockerl. Aber das alles kostet natürlich auch. Einrichtungen wurden neu gebaut, die Zahl der Betreuungsplätze stieg stark an. Im Jahr 2005, zwei Jahre vor der Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -förderprogramms mit seiner kindbezogenen staatlichen Förderung, belastete der Betrieb der Kindertagesstätten den Etat der Stadt mit 2,5 Millionen Euro. 2011 waren es 4,3 Millionen, 2014 dann 5,1 Millionen und heuer wird mit sechs Millionen Euro gerechnet.

Feldkirchen setzt auf Unterstützung für Familien: Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) will Feldkirchen nicht mit einer Kommune im Ruhrgebiet in einen Topf werfen. Die klassischen Sozialfälle, Langzeitarbeitslose in hoher Zahl und ähnliches seien im Raum München nicht das große Problem. Die Kommunen stünden dennoch in ihrer sozialen Funktion in der Pflicht, weil hohe Mieten und Immobilienpreise Familien unter Druck setzten. Ohne einen zweiten Verdiener gehe es oft nicht mehr. Feldkirchen hat in sechs Jahren zwei Krippen neu errichtet. Freie Träger, die die Einrichtungen dann führten, rechneten fest die Übernahme von Defiziten ein, sagt van der Weck. Annähernd vier Millionen Euro flossen zuletzt im Jahr auf diese Weise in die Kindertagesstätten. "Sinnvoller kann man das Geld nicht investieren", sagt er. Dennoch würde er sich mehr Unterstützung wünschen. Die Kommunen würden mit solchen sozialen Aufgaben zunehmend allein gelassen. "So lange es geht, geht es." Dann müssten andere Investitionen - wie eine neue Turnhalle - eben zurückstehen. Doch auch auf die wird von Bürgern - das ist allen in den Rathäusern klar - mehr oder weniger vehement gepocht.

Unterföhring - eine Kommune, in der die Kinderbetreuung nichts kostet: Seit mehr als 30 Jahren können sich Eltern in der wirtschaftsstarken Medienkommune glücklich schätzen. Für die Betreuung in Krippen, Kindergärten und Horten zahlen die Familien nichts. Unterföhring leistet sich den Luxus, die Gebühren zu übernehmen, was Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe ausmacht. "Eine Investition in die Zukunft", nennt das der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU). Das hat der Kommune einen enormen Zuzug von Familien beschert und den Titel "Jüngste Gemeinde im Landkreis" eingebracht. Die Kehrseite der Medaille: teure Mieten, hohe Grundstückspreis und wenig Wohnungen.

© SZ vom 18.07.2015 / belo, FRM, hilb, sab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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