Landkreis:Kuchen mit beschränkter Haftung

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Die Aufregung über die Lebensmittelinformationsverordnung hat sich gelegt. Doch einige Unklarheiten bleiben

Von Frederick Mersi, Landkreis

Die Aufregung war groß, als im Dezember vergangenen Jahres die neue Lebensmittelinformationsverordnung in Kraft trat. Von Boulevard-Zeitungen wurde sie als neue "Gaga-Verordnung" aus Brüssel betitelt und zum Sargnagel für ehrenamtliche Kuchenspenden erklärt, weil nicht nur Nährwerttabellen auf Verpackungen Pflicht wurden, sondern auch die Kennzeichnung von Allergenen, erstmalig auch bei losen Waren. Acht Monate später sind die meisten Anlaufschwierigkeiten überwunden.

"Die Umstellung war eine Mammutaufgabe", sagt Tobias Götz. Er ist Juniorchef der Bäckerei seines Vaters Christoph Götz, in deren Taufkirchner Filiale alle Waren in der eigenen Backstube hergestellt werden. Besonders die Allergenkennzeichnung von losen Waren, von Semmeln bis zu Schokocroissants, bereitete Schwierigkeiten. "Wir hätten eigentlich eine zusätzliche Person einstellen müssen", sagt Götz.

Inzwischen seien für die meisten Produkte die nötigen Kennzeichnungen vorgenommen worden, doch die Nachfrage seitens der Verbraucher sei "gering bis sehr gering". Die Regelungen der Verordnung findet er nach wie vor "völlig überzogen". Sie benachteilige vor allem kleine Familienbetriebe. Garantieren könne man in seiner Bäckerei sowieso nicht, dass Allergene nicht zumindest spurenweise in den Produkten zu finden sind. In der Backstube ist nicht genug Raum, um die Produktionsorte von allergenfreien und normalen Erzeugnissen zu trennen. "Dafür haben wir viel zu geringe Stückzahlen", sagt Götz, "das wäre unwirtschaftlich."

Regierung, Industrie und Verbraucherschützer waren sich bei einer Informationsveranstaltung des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim eigentlich weitgehend einig, dass die Verordnung ein Schritt nach vorn gewesen sei. "So große Werke gelingen nur auf europäischer Ebene", sagte Gerhard Zellner, beim Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zuständig für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. "Es wurde auch Zeit", befand Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern: "Die geforderte Allergenkennzeichnung hatten wir 40 Jahre lang nicht."

Eine Studie des Deutschen Allergie- und Asthmabundes hatte 2008 festgestellt, dass die meisten allergischen Schocks durch den Verzehr loser Waren, beispielsweise von Bäckereien, ausgelöst werden. Mündliche Auskünfte des Verkaufspersonals seien häufig falsch oder unvollständig gewesen. Nun sind Verkäufer verpflichtet, zumindest eine für Personal und Kunden einsehbare Liste aller Produkte mit Angaben über 14 Allergene bereitzustellen. Neben kleinen Betrieben wie der Bäckerei Götz hatten aber auch größere Unternehmen teilweise Probleme bei der Umstellung.

Christian Strauß, Pressesprecher von Edeka Südbayern, sagt zwar, man befürworte die Verordnung grundsätzlich als wichtige Basis. "Die neuen Regelungen für unverpackte Waren erfordern jedoch einen hohen administrativen Aufwand", schränkt er ein. Vor allem die Allergenkennzeichnungen seien bei den Frischetheken und gastronomischen Angeboten eine Herausforderung. Man reagiere mit "intensiven Schulungen" und schriftlichen Anweisungen für das Personal. Kritik übt auch Ulrich Korb vom Deutschen Hotel und Gaststättenverband: "Es hat bei uns auch in den letzten 30 Jahren nie Probleme mit allergischen Unfällen gegeben", sagt er und fügt hinzu: "Wenn man von seinen Allergien nichts weiß, helfen einem die Informationen auch nicht weiter." Außerdem gebe es auch momentan noch rechtliche Grauzonen, in denen Regelungsbedarf bestehe. Zum Beispiel, wenn eine Hochzeitsfeier in einem Hotel stattfindet, und Gäste Kuchen für das Buffet mitbringen. Grundsätzlich gilt zwar: Privatpersonen, die gelegentlich Lebensmittel ausgeben oder verkaufen, sind nicht von der Kennzeichnungspflicht betroffen. Diese richtet sich nur an "Lebensmittelunternehmer", was eine gewisse Regelmäßigkeit und einen bestimmten Organisationsgrad der Tätigkeit voraussetzt. So war auch Eltern die Angst vor Kuchenspenden genommen worden. In Korbs Beispiel müsste der Hotelier trotzdem befürchten, dass er für den Kuchen haftet.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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