Landkreis:Konjunktur hemmt Gründer

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Die Zahl der Selbständigen in Stadt und Landkreis München ist laut Industrie- und Handelskammer stark rückläufig. Grund ist die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt. Jene, die dennoch den Schritt aus der Festanstellung hin zu einer eigenen Firma wagen, lassen sich intensiv beraten

Von Lenka Jaloviecova, Landkreis

Flexible Arbeitszeiten, Urlaub nehmen, wenn es passt und eigener Herr sein - die Selbständigkeit klingt oft verlockender, als sie im Alltag wirklich ist. Das haben nun auch die Menschen im Landkreis München erkannt. Mittlerweile überlegen sie es sich ganz genau, ob sie sich auf dieses risikoreiche Terrain wagen - und entscheiden sich dann eher für die sichere Variante: angestellt zu sein. Das zumindest belegen die Zahlen der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. Laut der IHK ist Selbständigkeit "out" oder anders gesagt: im Raum München nicht mehr attraktiv.

Allein im vergangenen Jahr sanken die Gewerbeanmeldungen im Landkreis München deutlich um acht Prozent auf 3701. Das ist ein doppelt so starker Rückgang wie im bayerischen Durchschnitt. Im Freistaat gingen die Neuanmeldungen und Übernahmen von Unternehmen nach Angaben des Statistischem Landesamtes im Vergleich zu 2013 um 3,7 Prozent zurück. Die stärksten Rückgänge in Oberbayern verzeichnete die Stadt München auf rund 16 800 neugegründete oder übernommene Firmen. Das ist ein Minus von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2014.

Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, kennt den Grund. Die gute Konjunktur mache dieses Ergebnis möglich. "Dass die Wirtschaft in Bayern brummt, ist erfreulich, hinterlässt aber zugleich erhebliche Bremsspuren bei der Gründungsdynamik", sagt Driessen. Denn bei guter Arbeitsmarktlage und Fachkräftemangel gäben viele einer sicheren Festanstellung den Vorzug gegenüber der Selbständigkeit, die mit mehr Risiken verbunden sei, so Driessen weiter.

Heiko Lorson ist da eine Ausnahme. Der selbständige Unternehmensberater ist Risiken eingegangen und entschied sich vor eineinhalb Jahren, sein eigener Chef zu sein. "Ich wollte aus der ganzen Hierarchie rauskommen. Obwohl ich in meinem Berufsleben und den Positionen, die ich durchlaufen habe, viele Freiheiten genießen konnte. Dennoch, die Hierarchie musst du bedienen, Sachverhalte immer abstimmen", so der Harlachinger. Natürlich gehöre auch Glück am Anfang dazu, um erfolgreich zu sein. Das müsse man sich jedoch erarbeiten. Mittlerweile hat Lorson Aufträge in Berlin, in seinem Büro in München arbeitet er eher am Ende der Woche. "Es läuft im Moment gut, es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung", sagt der 48-Jährige. Ob er sich vor dem Schritt zur Selbständigkeit beraten lassen hat? Ja, seine Kollegen konnten ihm viel mit auf den Weg geben, und er habe Beratungsgespräche bei der IHK in Anspruch genommen.

Diese Hilfe nehmen weit mehr Menschen an als noch in den vergangenen Jahren. IHK-Gründungsseminare verzeichneten einen Zuwachs um 4,9 Prozent. "Das ist ein Indikator für mehr Sensibilität der Gründungswilligen, die sich früher und umfassender informieren", betont Driessen. So könnten finanzielle Risiken und Enttäuschungen gemindert werden, ist er sich sicher.

Gut vorbereitet zu sein - das ist das Wichtigste. Auch Stefan Winklhofer informierte sich ausführlich bei seinem Universitätsprofessor - seinem Mentor -, bevor er die Firma namens Suprsale - eine Bürosoftware für Kleinunternehmen - gründete. Der 28-jährige Aschheimer war angestellt, genoss die finanzielle Sicherheit, ehe er sich vor drei Jahren selbständig machte. Als Angestellter zu arbeiten habe ihm nicht so viel ausgemacht. Dennoch wagte er den Schritt: "Ich kann mehr mein eigenes Ding machen, etwas eigenes schaffen, auch wenn ich scheitern sollte", so der Aschheimer.

Die Angst zu scheitern. Das ist das Risiko der Selbständigkeit. So sieht das zumindest Lorson. Was rät er jenen, die sich überlegen, ein Gewerbe auf die Beine zu stellen oder eine Firma zu übernehmen? Es ist "die Persönlichkeit eines Menschen", die entscheidend sei. Kämpfen, sich etwas zutrauen, fleißig sein und Risiken eingehen - alles Faktoren, die nach Lorsons Ansicht nötig sind, um sich auf dem freien Markt behaupten zu können.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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