Landkreis:Für viele ist die Wahl schon gelaufen

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Tausende von Wahlberechtigten haben ihre Stimme bereits abgegeben. Für die Kommunen bedeutet der Trend zur Briefwahl erhebliche Mehrarbeit

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Ihr Kreuz machen immer mehr Wähler lieber daheim. (Foto: dpa)

Jahrzehntelang haben die Ayinger am Wahltag ihre Traditionen gepflegt und dem Bild des oberbayerischen Paradewählers in Perfektion entsprochen: Morgens in die Tracht geschlüpft, dann zum Kirchgang und im Anschluss in die Wahlkabine. Und heute? Da ruft ein nicht zu unterschätzender Teil der Wahlberechtigten die Gemeinde-Homepage auf, klickt sich durch das Menü, drückt auf "Bestellen" und lässt sich die Wahlunterlagen einfach nach Hause liefern wie von einem Online-Versandhändler. Und weil die öffentliche Hand in diesem Fall ein Premium-Anbieter ist, muss der Kunde, also der Wähler, die Rücksendung des Wahlzettels mit seinen Kreuzchen nicht einmal bezahlen.

Der Trend zur Briefwahl schlägt sich auch in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises nieder, selbst in den ländlichen Gegenden. Von insgesamt etwa 3700 Wahlberechtigten haben in Aying, Stand 8. September, bereits 780 einen Antrag auf Briefwahl gestellt. Klaus Friedrich, geschäftsführender Beamter im Rathaus, sagt: "Wir merken, dass immer mehr Bürger schon vorher wählen wollen." Bei der Kommunalwahl im Jahr 2014 sei seine Verwaltung von dieser Entwicklung "ein wenig überrascht worden", sagt Friedrich. "Damals sind uns die Briefwahlunterlagen zwischenzeitlich ausgegangen. Wir mussten nachbestellen und nachdrucken." Seinen Ursprung hat der Trend hin zur Briefwahl in einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2008. Damals änderte die große Koalition die Bundeswahlordnung. Seither muss, wer seine Stimme vor dem Wahltag abgeben will, keine Gründe mehr nennen.

Den Trend zur Briefwahl registrieren Statistiker auch in Unterhaching. Die Gemeinde ist bei Bundestagswahlen für sie so etwas wie die Gemeinde Haßloch für Konsumforscher. In der hessischen Gemeinde, einem Testmarkt der Gesellschaft für Konsumforschung, werden neue Artikel erforscht, die erstmals auf dem deutschen Markt eingeführt werden sollen. In Unterhaching nimmt das Statistische Landesamt unter anderem Erstwähler unter die Lupe. Diesmal wurde einer der zwei Unterhachinger Briefwahlbezirke vom Landesamt zum sogenannten Auswahlbezirk erkoren. Dort werden die Stimmzettel mit Buchstaben markiert - "A" steht etwa für männliche Wähler der Jahrgänge 1993 bis 1999 - und anschließend ausgewertet. "Dieses Verfahren der Wahlanalyse wird bei uns seit Jahrzehnten angewandt", sagt Simon Hötzl, Pressechef im Unterhachinger Rathaus. "Bei dieser Bundestagswahl aber erstmals in einem Briefwahlbezirk." Und es zeichnet sich ab, dass die Statistiker auch hier deutlich mehr zu tun bekommen als bei vorangegangen Wahlen. Von 18 000 Wahlberechtigten haben bisher 4000 Unterhachinger die Briefwahl beantragt, 200 haben den Wahlbogen bereits wieder zurückgeschickt. Ein Mitarbeiter der Rathausverwaltung ist bis zum Wahltag fest für die Bearbeitung der Anträge abgestellt, zwei Kollegen helfen beim Verpacken und Versenden der Briefe. "Das bindet Arbeitskraft. Der Aufwand wird immer mehr. Aber jeder Bürger bekommt seine Unterlagen rechtzeitig", versichert Hötzl.

Von den 6250 wahlberechtigten Pullachern haben bereits 1800 abgestimmt. Reger Betrieb herrscht auch im Ottobrunner Rathaus. Insgesamt 3355 Anträge hatte das Team um Ordnungsamtsleiter Richard Putz bis Freitagnachmittag bereits verschickt. "Ein Packen liegt noch hier und wir gehen davon aus, dass es noch deutlich mehr werden", sagt Putz. 14 437 Wahlberechtigte gibt es in der flächenmäßig kleinsten Kommune des Landkreises - doch nicht alle wohnen auch in Ottobrunn. "Wir haben festgestellt, dass vor allem die Zahl der Auslandsdeutschen, die per Briefwahl wählen wollen, angestiegen ist", sagt Putz und wagt einen Rückschluss: "Das deutet wohl auf eine hohe Wahlbeteiligung hin." Viele Ottobrunner würden aber auch direkt im Rathaus ihr Kreuzchen machen, sagt Putz: "Die Online-Anträge werden immer mehr, das stimmt schon. Aber sehr viele Bürger kommen ins Rathaus und wählen auch gleich hier. Das geht am schnellsten."

Im Bürgerbüro der bevölkerungsreichsten Kommune des Landkreises kümmern sich gleich sieben Mitarbeiter um die Briefwahl - bei laufendem Betrieb. "Wir stellen Ausweise aus, bearbeiten sonstige Anträge und nebenher auch die Briefwahl", sagt Anita Obermaier von der Stadtverwaltung in Unterschleißheim. Bisher haben 3300 Unterschleißheimer von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, etwa 4000 waren es vor vier Jahren - bei mehr als 19000 Wahlberechtigten unter den 30 000 Einwohnern. "Ich gehe davon aus, dass es deutlich mehr werden als bei der letzten Wahl", sagt Obermaier und prophezeit für diese Woche: "Nach den Ferien wird noch ein Schwung kommen."

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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