Landkreis:Debatte im Grenzbereich

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Das Flüchtlingsthema prägt die Klausuren von CSU und SPD in Kreuth und Irsee

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Es gibt ein Foto, das drückt aus Sicht einer Facebook-Freundin von Kerstin Schreyer-Stäblein alles aus. Darauf ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, wie sie in Wildbad Kreuth vor der CSU ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik verteidigt. Direkt neben ihr ist die Abgeordnete aus dem Stimmkreis München-Land Süd und stellvertretende Fraktionschefin auf dem Podium sitzend zu sehen. "Du guckst echt kritisch . . . man sieht . . . Du bist sauer!", interpretiert die CSU-Anhängerin Schreyer-Stäbleins Miene. Ohne Emotionen geht es nicht, wenn derzeit über Flüchtlinge geredet wird. Das gilt für Bürgerversammlungen im Landkreis genauso wie für die CSU-Klausur in Wildbad-Kreuth.

Nie zuvor dürften die Bürger im Landkreis München mit derart wachem Interesse nach Wildbad Kreuth und Kloster Irsee geblickt haben, wo die Fraktionen von CSU und SPD tagten. Die Stimmung ist aufgewühlt. Ob nun in Pullach, Brunnthal, Ottobrunn oder Straßlach-Dingharting: Fast täglich sehen sich die Vertreter des Landratsamts und die jeweiligen Bürgermeister drängenden Fragen gegenüber, wie es gelingen kann, die große Zahl an Flüchtlingen unterzubringen und in die Gesellschaft zu integrieren. Viele sind persönlich betroffen, weil Unterkünfte in der Nachbarschaft entstehen, oder weil sie als Flüchtlingshelfer aktiv sind. Jeden Tag, sagt Schreyer-Stäblein, erlebe sie in Gesprächen, wie das Thema bewege. Viele hätten "Angst, einfach Angst", dass sich unsere Gesellschaft ändere. Auch der Haarer SPD-Abgeordnete Peter Paul Gantzer erlebt, dass die Bürger Antworten einfordern, wobei die SPD in Irsee anderes anbot, als die CSU in Kreuth. "Wir haben uns vor allem mit Integration beschäftigt." Über eine Obergrenze habe man "nicht einmal diskutiert".

Die CSU-Forderung war natürlich das Thema Nummer eins bei der Klausur in Kreuth, bei der Schreyer-Stäblein angeblich den Vortrag der Kanzlerin so kritisch verfolgte, was Schreyer-Stäblein freilich etwas abbiegt, indem sie sagt, sie habe nur ernsten Blickes, weil konzentriert, die Ausführungen Merkels verfolgt. Aus ihrer Distanz zu deren Versuch, eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise hinzubekommen, macht sie freilich keinen Hehl. "Ich verstehe ihren Weg, aber ich halte ihn für falsch", sagt die CSU-Frau aus Unterhaching. Die Frage sei doch, wie eine Überforderung auch der vielen ehrenamtlichen Helfer, die weit mehr leisteten, als zu erwarten sei, vermieden werden könne. Es müssten als "allererstes" nationale Lösungen her, in Zusammenarbeit mit Österreich und Balkanländern. In Österreich wurde soeben eine Obergrenze für aufzunehmende Flüchtlinge beschlossen.

Peter Paul Gantzer hält davon nichts, schon weil es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Reduziert werden müsse die Zahl der ankommenden Flüchtlinge allerdings, sagt er. Die Sorgen in der Bevölkerung, gerade auch in Sicherheitsfragen, müssten ernst genommen werden. So sei in Irsee über eine Integrationsvereinbarung zwischen Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung beraten worden. Die Ankömmlinge hätten klare Pflichten, müssten Gesetze und Werte respektieren. Mädchen müssten die Schule besuchen und am Schwimmunterricht teilnehmen. Man müsse auch "klare Kante zeigen", sagt Gantzer. Um Ballungsräume zu entlasten, sei eine Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge geboten. Die Abgeordnete Natascha Kohnen (SPD) aus Neubiberg spricht sich dafür aus, Flüchtlinge schneller in Arbeit zu bringen und die Vorrangprüfung, die deutschen Arbeitnehmern nicht helfe, aber Flüchtlinge bei der Jobsuche oft blockiere, abzuschaffen. Endlich greife die CSU das von der SPD schon lange geforderte Integrationsgesetz auf.

In seiner Funktion als stellvertretender Landrat hat der Haarer CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch einige erregte Diskussionen in Bürgerhäusern im Landkreis erlebt. "Wir müssen den Flüchtlingen klar kommunizieren, was bei uns geht und was nicht", sagt er. "Wenn es nach wie vor bei der Allianz aller Parteien im Landkreis bleibt, werden wir unsere Aufgaben auch weiterhin erledigen können." Genau eine solche Allianz würde sich Kohnen in Berlin wünschen. Doch da, sagt die Generalsekretärin der Bayern-SPD, zündle die CSU in einer Tour fort.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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