Landkreis:Das Zeitfenster ist zu

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Auf Jahre hinaus wird die Kreis-CSU von einem Quartett dominiert, das alle wichtigen Posten inne hat. Diese Konzentration der Macht blockiert den Nachwuchs - er wird sich in Geduld üben müssen

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

2020 wird ein Hammerjahr. Fußballeuropameisterschaft, Olympische Sommerspiele, der Brennerbasistunnel könnte in Betrieb gehen und - wahrscheinlicher als die Inbetriebnahme des Tunnels - Christoph Göbel wird wieder zum Landrat gewählt. Gut, an letzterem Ereignis werden sich deutlich weniger Menschen erfreuen als an den Kickern, die ihren Kontinentalmeister suchen. Aber es müsste schon einiges passieren, um Göbels Bestätigung bei der bayerischen Kommunalwahl im Jahr 2020 zu verhindern.

Die Mächtigen der CSU: Kerstin Schreyer-Stäblein und Christoph Göbel mit Edmund Stoiber. (Foto: Claus Schunk)

Der Christsoziale wird dann übrigens 45 Jahre alt sein - ein immer noch junger Landrat, der 2020 bereits auf eine lange politische Karriere wird zurückblicken können. Und sollte das alles so eintreten, hat Göbel immer noch eine lange Laufbahn vor sich. Denn die Altersgrenze für bayerische Landräte, ab der sie nicht mehr antreten dürfen, liegt bei 65 Jahren. Die erreicht der Gräfelfinger erst 2040.

Christoph Göbel ist im Landkreis München ein Trumpf für seine Partei. Das war nicht allen klar, die an seiner Kür zum Landratskandidaten beteiligt waren; viele rechneten eher damit - oder hofften darauf - , einen schwachen, leicht zu kontrollierenden Parteigänger ins Landratsamt am Mariahilfplatz zu hieven. Jetzt aber steht nicht nur die politische Konkurrenz vor einem Problem, sondern auch manch einer in der CSU. Göbel sitzt so fest im Sattel, dass selbst ambitionierte CSU-Nachwuchspolitiker oder bereits arrivierte Kräfte sich keine Hoffnungen auf einen Karrieresprung in Form der mittelfristigen Göbel-Nachfolge machen können. Und die Aussichten der anderen Parteien bringen ein hochrangiger Sozialdemokrat und ein Grüner auf den Punkt: "Der macht momentan schon einen unglaublich guten Job", sagt der Grüne. "Es ist thematisch schwer, gegen ihn anzukommen. Er macht kaum Fehler", sagt der Genosse.

Düstere, wenn nicht sogar schwarze Aussichten sind das für alle jene, die aus Ehrgeiz eine kommunalpolitische Verantwortung anstreben. Oder ein Amt auf Bundes- oder Landesebene.

Die Kreis-CSU wird von einem Quartett repräsentiert, das sich im besten politischen Alter befindet. Es ist eine Art goldene Generation, die gemeinsam ein günstiges Zeitfenster genutzt hat, um die wichtigsten und prestigeträchtigsten Posten zu besetzen - auf lange Zeit. Das Bundestagsdirektmandat des Landkreises liegt fest in Händen des Putzbrunners Florian Hahn, seit 2009 sitzt der heute 41-Jährige in Berlin und gehört mittlerweile dem mächtigen Verteidigungsausschuss an. Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtags-CSU ist Kerstin Schreyer-Stäblein, 44, aus Unterhaching eine der Taktgeberinnen der selbst ernannten Herzkammer der Partei, der sie seit 2008 angehört. Fünf Jahre länger sitzt der 51-jährige Haarer Ernst Weidenbusch im Landtag; dort gehört er dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen an und führt unter anderem die Verhandlungen mit der Republik Österreich rund um die Skandalbank Hypo Alpe Adria.

Diese vier Schwergewichte sind die Gegenwart einer im Landkreis vor Kraft strotzenden Partei. Für den Nachwuchs aber viel schlimmer: Sie werden auch auf nicht absehbare Zeit die Zukunft bilden. Ein Jungpolitiker aus dem Dunstkreis des Kreisvorstandes fasst es so zusammen: "Wer etwas werden will, hat es bei uns sicher sehr schwer. Die vier dominieren den Kreisverband. Auf ein Amt braucht man also nicht schielen."

Es wird also auch zur Aufgabe des Quartetts Schreyer-Stäblein-Göbel-Hahn-Weidenbusch gehören, dem eigenen Nachwuchs Perspektiven zu öffnen. Florian Hahn versucht dies als neuer Kreisvorsitzender mit einem deutlich verjüngten Vorstand. Nach seinem internen Wahlerfolg über Schreyer-Stäblein hat Hahn Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl, 32, die Grünwalderin Annabella Wünsche, 23, und Florian Keil, 21, aus Höhenkirchen Siegertsbrunn in den Vorstand berufen; der Neubiberger Kreisrat Thomas Pardeller, 28, gehört ihm als Beisitzer an. Vor allem Böltl und Pardeller gelten als große politische Talente in der Partei - für den Kirchheimer hat sich mit der Wahl zum Rathauschef ohnehin das Fenster zur richtigen Zeit geöffnet.

Es kann für einen wie Böltl eine Art Warteschleife sein. Die Möglichkeit, sich als Bürgermeister einer prosperierenden Gemeinde zu profilieren - und irgendwann, wenn sich das zweite Fenster öffnet, in die Fußstapfen eines der CSU-Granden zu treten. Das kann etwa passieren, wenn sich der Wähler oder die eigene Basis von ihren Vertretern abwenden. Vor dieser Gefahr ist selbst das CSU-Quartett im Landkreis nicht gefeit. Denn letztlich gibt es Ämter und die damit verbundene Macht immer nur auf Zeit. Heiner Janik, der Vor-Vorgänger und Parteigänger Göbels im Amt des Landrats hat dies bei seiner Niederlage gegen die Sozialdemokratin Johanna Rumschöttel leidvoll erfahren. Bisher hat das CSU-Quartett kaum gravierende Fehler gemacht. Sie sitzen fest und selbstbewusst im Sattel - und doch gibt es nicht nur beim politischen Kontrahenten jene, die mit Argusaugen darüber wachen, wann es zu ersten ernsthaften Patzern kommt.

Bevor Christoph Göbel in fünf Jahren wieder in das Rennen ums Landratsamt einsteigt, will Florian Hahn 2017 wieder in den Bundestag einziehen. Und auch Kerstin-Schreyer-Stäblein sowie Ernst Weidenbusch signalisieren deutlich, dass sie eine erneute Kandidatur als selbstverständlich erachten. Ohnehin neigt die CSU nicht zu Kampfabstimmungen - da war das Duell Schreyer-Stäblein gegen Hahn um den Kreisvorsitz schon die Ausnahme. Schreyer-Stäblein hat sich von dieser Niederlage übrigens äußerst schnell erholt. Vielleicht liegt das daran, dass die gelernte Sozialpädagogin auch immer wieder für höhere Aufgaben, etwa als Staatsministerin, gehandelt wird. Dafür ist allerdings noch Zeit - aus Schreyer-Stäbleins Sicht. Zeit, die vielen jüngeren Parteigängern dann fehlen wird.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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