Kreishaushalt:Einer stört den Weihnachtsfrieden

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Bei der Verabschiedung des Etats 2021 stellt sich Ottobrunns Bürgermeister Loderer gegen den Rest des Kreistags

Von Stefan Galler, Ismaning

Es ist Tradition im Landkreis München, dass der Kreistag zum Jahresabschluss im Bürgersaal Ismaning zusammenkommt. Der ortsansässige Landwirt und Freie-Wähler-Kreisrat Max Kraus stiftet dann immer jedem der Kollegen einen Krautkopf, man verabschiedet meist einstimmig das Budget fürs neue Jahr, wünscht sich quer über alle Parteigrenzen schöne Feiertage und die Debatten verlaufen in der Regel äußerst harmonisch. Das wäre wohl auch diesen Montag wieder so gewesen, obwohl erstmals auch drei Kreisräte der AfD der Adventssitzung beiwohnten und ausgiebig von ihrem Rederecht gebraucht machten.

Doch der Ottobrunner Bürgermeister Thomas Loderer von der CSU schlüpfte in die Krampus-Rolle, schwang die verbale Rute gegen den Haushaltsplan - und war am Ende der einzige der anwesenden Kreisräte, der tatsächlich gegen den Etat stimmte. Die drei AfD-Vertreter dagegen, die in letzter Sekunde noch vergeblich versucht hatten, drei Stellenschaffungen im Bereich Klimaschutz zu kippen, votierten zwar gegen den Stellenplan, letztlich aber für den Haushalt.

Loderer wetterte in seiner Rede vor allem gegen die aus seiner Sicht verschwenderische Politik des Landkreises: "Ich erkenne an diesem Haushalt kein Signal, dass das Gremium die Zeichen der Zeit erkannt hat", sagte der CSU-Politiker. Man stehe nicht zuletzt wegen Corona vor "großen Herausforderungen", weshalb man "immer genau schauen muss, was effektive Maßnahmen" seien, sagte Loderer.

Der Ottobrunner Bürgermeister schimpfte etwa darüber, dass der Landkreis MVV-Jahreskarteninhabern von weiter außerhalb den Differenzbetrag zum Ticket der neuen M-Zone erstattet, kritisierte die Elektrifizierung von Bussen, Solarradwege und das MVG-Leihradsystem, das in seiner Gemeinde nicht umgesetzt wurde: "Die Räder stehen über viele Tage herum, bevor sie für 2,5 Kilometer genutzt werden. Wir bezahlen 1,4 Millionen Euro für 2020 und 2021, damit sie vor sich hinrosten", wütete Loderer, der sich generell gegen die Flut an Gutachten und Planungskosten aussprach: "Wir haben ein Umsetzungsproblem - und das lässt sich nicht in Stuhlkreisen lösen."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Schardt aus Ottobrunn antwortete direkt. Er finde Loderers Kritik "zu kulturpessimistisch". Man könne einzelne Punkte infrage stellen. "Aber den ganzen Haushalt abzulehnen, das geht zu weit."

Kreiskämmerer Markus Kasper bezeichnete den Etat bei der Sitzung in Ismaning als "sehr solide". Das Volumen beträgt im Verwaltungshaushalt 711,6 Millionen Euro und im Vermögenshaushalt 158,5 Millionen. Der größte Posten im Verwaltungshaushalt sind die Sozialausgaben, die mit rund 60 Prozent, etwa 431 Millionen Euro, zu Buche schlagen. Die Umlagekraft wird für 2021 auf 1,16 Milliarden Euro taxiert, das sind 3,3 Prozent weniger als im laufenden Jahr 2020.

Die Kreisumlage, also der Abgabeanteil der 29 Kommunen, bleibt wie im Vorjahr bei 48 Prozent. Die Bezirksumlage, also die Abgaben des Kreises an den Bezirk, steigt um 0,7 Prozentpunkte. Das dürfte sich in den kommenden Jahren auf den Landkreis auswirken: Da insbesondere die Stadt München als größter Träger der Bezirksumlage 2021 mit erheblichen Einbußen bei der Umlagekraft rechnet, werden dann auf den Landkreis höhere Anteile zukommen. Den gesamten Schuldenstand des Landkreises schätzt die Kämmerei für 31. Dezember 2021 auf 190,2 Millionen Euro, dem stehen Rücklagen von rund acht Millionen Euro gegenüber.

Nachdem vor allem beim Stellenplan fraktionsübergreifend einige Kompromisse nötig waren, zog Grünen-Fraktionschef Christoph Nadler ein nüchternes Fazit. Mit den von der CSU ursprünglich angedachten Streichungen beim Klimaschutz, beim Nahverkehrsplan und beim Brandschutz sei "ein Kurswechsel" eingeläutet: "Die CSU hat den Kreistag gespalten." Er sei froh, dass deren Anträge nicht alle durchgegangen seien und dankte Freien Wählern und FDP für ihre Unterstützung.

Sozialdemokrat Schardt widersprach Nadler: "Demokratie heißt nicht, dass man überall mitgeht." Und CSU-Fraktionschef Stefan Schelle entgegnete, man könne "als Leberwurst durchs Leben gehen, aber nicht als beleidigte". Von Spaltung zu reden, "geht zu weit".

Weniger konfrontativ äußerte sich Otto Bußjäger von den Freien Wählern: "Wir müssen das Verbindende suchen", um die aktuelle Pandemie zu überwinden. Und dabei schnell handeln, denn "übermorgen ist schneller gestern als uns lieb ist". Loderers Kritik am Etat könne er nicht nachvollziehen: "Wir dürfen nicht schwarzmalen, schließlich ist unser Landkreis auch weiterhin leistungsfähig."

© SZ vom 16.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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