Kreis und Quer:König Kunde und Kaiserin Sisi

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Endlich wieder live im Laden sein statt online bestellen. Einkaufen ist ja nicht nur eine kapitalistische Tugend, sondern auch eine Frage der Moral und ein Gestus der Lebenskunst

Kolumne von Udo Watter

Gott sei Dank, man kann wieder ohne Test und Termin in allen Läden zum Einkaufen gehen. Eine Münchner Zeitung hat schon die "neue Lust am Shoppen" entdeckt und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Welt hierzulande allmählich wieder in Ordnung gerät, dann ist es der, dass Frauen, Männer und Nicht-Binäre wieder unbelasteter ihrer Bürgerpflicht als Konsument und Homo oeconomicus nachgehen können. Ein Geschäft betreten, ein hübsches Oberteil aussuchen, anprobieren, zahlen, mitnehmen - wer würde sich da nicht denken: "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein."

Vielleicht sind ja auch manche psychischen Probleme vergangener Monate damit zu erklären, dass einem der Präsenz-Einkauf verwehrt war. Das In-den-Supermarkt-Rennen und Exkursionen ins größte Kaufhaus der Welt, das Internet, sind nicht für alle Shopping-Queens und Manufactum-Hipster ein gleichwertiger Ersatz. Einkaufen ist ja nicht nur eine kapitalistische Tugend, sondern auch eine Frage der Moral und ein Gestus der Lebenskunst, des Qualitätsbewusstseins.

Der Ismaninger Einkaufstyp ist etwa enorm anspruchsvoll, wie eine Studie zum Einzelhandel, die die Gemeinde in Auftrag gegeben hatte, herausfand. Der Ismaninger Kunde wolle auf zwei Ebenen "bestmöglich angesprochen und bespielt werden", also online und stationär. Teils genüge die digitale Business-Präsenz indes nicht, "um den anspruchsvollen Ismaninger Käufertyp zu erreichen und zu binden". Dass alle Befragten Bereitschaft zeigten, lokal zu kaufen und lokale Produkte schätzen, ist toll. Hinzu kommt der Wunsch, dass auf regionale und nachhaltige Angebote ein stärkerer Fokus gelegt werden solle, und einen Zero-Waste-Laden zu bekommen. Was nicht nur für Ismaning gilt, sondern für jede Gemeinde im Landkreis: Die Bedeutung eines lebendigen Zentrums ist wichtig fürs Lebensgefühl, der Ortskern als des Pudels Kern.

Menschen, die kapitalistischer Nutzenmaximierung kritisch gegenüber stehen, finden ja die Alternative des Homo ludens besser als den Oeconomicus. Der spielerische, schöpferische Mensch nimmt zwar in politischen Überlegungen keine große Rolle ein, aber Klassiker wie Schiller sehen darin die Erfüllung unserer Spezies: "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Als Kombination aus Spielen und Shoppen könnte man die Teilnahme an einer Versteigerung betrachten, wo man gegen Konkurrenz mitbietet, und da hat eine Institution aus dem Landkreis in dieser Woche enormes Aufsehen erregt: Das Auktionshaus Hermann Historica in Grasbrunn hat Sisis Unterwäsche versteigert. Bei allen Berichten über der Kaiserin superschmale Dessous wurde zudem nicht versäumt, eine andere Versteigerung vor ein paar Jahren zu erwähnen, die Kritik provoziert hatte: Hermann Görings (größere) Seidenunterhose geriet damals in Grasbrunn unter den Hammer. Man mag von derlei Kauftransfers halten, was man will, aber nachhaltig ist's - Zero Waste quasi.

© SZ vom 05.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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