Kreis und quer:Es ist höchste Auszeit

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Seit Hape Kerkeling gilt es vielen Menschen als selbstver­ständlichen Wunsch, sich eine Pause vom Erwerbsleben zu gönnen. Doch nicht immer lässt er sich umsetzen

Von Lars Brunckhorst

Der Satz des Jahres, den wohl die meisten uneingeschränkt unterschreiben würden, stammt von Silvia Horn: "So eine große Pause wäre schon schön." Im Gegensatz zu anderen lässt die Grünwalder Buchhändlerin ihren Worten auch Taten folgen: Sie gibt ihr Geschäft auf und macht - nichts. Sie liegt damit im Trend. Seit Hape Kerkeling ist es in immer breiteren Bevölkerungskreisen schick, "dann mal weg" zu sein: Ob Sabbatical oder Elternjahr, Ayurveda-Kur in Indonesien oder Umschulung zur Yoga-Lehrerin - die Auszeit gehört heute zum Lebenslauf wie der komplette Neuanfang nach der Sinnkrise zur Lebensmitte. Manche planen ihren frühzeitigen Absprung aus der Tretmühle sogar schon, bevor sie sich überhaupt in diese begeben. Anhänger der Fire-Bewegung - was für Financial Independence, Retire Early steht - wollen bis Ende 30 so viel Kohle machen, dass sie bei bescheidener Lebensweise den Rest ihres Daseins nicht mehr arbeiten müssen.

Zu ihnen gehört freilich weder besagte Buchhändlerin noch Neubibergs Bürgermeister, der seine Entscheidung, bei der Kommunalwahl im März nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, mit den Worten begründete: Er wolle mehr Zeit für seine Familie haben und weiterhin gesund bleiben. Ein Wunsch, den ebenfalls sehr viele haben dürften, nur können die allerwenigsten deshalb in den Sack hauen. Auch Günter Heyland wird im nächsten Jahr nicht den lieben Gott einen guten Mann sein lassen; er bekannte nämlich auch, beruflich noch einmal etwas anderes machen zu wollen. Angesichts der Art, wie seine designierten Nachfolger ihm gerade auf den letzten Metern zusetzen, ein allzu verständlicher Wunsch.

Andere Kommunalpolitiker kamen ihm bereits zuvor. Reihenweise traten Stadt- und Gemeinderäte aus Parteien und Fraktionen aus, vor allem in den letzten Wochen. Insgesamt 23 in dieser Wahlperiode. Wem es im Kreise der bisherigen politischen Gesinnungsfreunde nicht mehr passte, ging einfach. Oft freilich, um gleich darauf beim einstigen Gegner wieder aufzutauchen. Tobias Thalhammer etwa oder Florian Riegel, die wahlweise von der FDP zur CSU und andersherum wechselten. Umgekehrt gibt es auch jene, von denen man überzeugt war, dass sie nun wirklich weg vom Fenster wären, und die dann doch irgendwie geblieben sind: Natascha Kohnen etwa und Annette Ganssmüller-Maluche, die beiden SPD-Kombattantinnen, nach ihren haushoch verlorenen Wahlen. Eine andere SPD-Frau, von der man sicher war, sie sei nach ihrem Rückzug für immer weg, ist sogar plötzlich wieder zurück: Bela Bach. Die zweimal als Bundestagskandidatin gescheiterte Planeggerin rückt im neuen Jahr ins Parlament nach, zumindest für Eindreivierteljahre. Für den Fall, dass die Legislaturperiode nicht bis zum Ende halten sollte und sie es bei einer Neuwahl nicht wieder schafft, hat Bach schon mal durchblicken lassen, dass sie damit auch kein Problem hätte: Dann sei sie eben wieder häufiger in den Bergen.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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