Kreis und quer:Egoismus hinterm Gartenzaun

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Dass Normalverdiener die Mieten im Großraum München nicht mehr bezahlen können, ist längst auch für die Wohlhabenden zu einem Problem geworden. Wer sich mit ererbtem Geld ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung leisten kann, wünscht sich schließlich eine funktionierende Infrastruktur am Ort: Kitas für die Kinder, Pflegedienste und Heime für die Eltern, eine Polizeistation gegen Einbrecher. All das aber gibt es nicht ohne die Menschen, die dort arbeiten. Und die werden so schlecht bezahlt, dass sie sich lieber Jobs in günstigeren Gegenden suchen.

Weil der schöne neue Kindergarten halb leer steht, wenn sich nicht genug Erzieherinnen und Kinderpfleger finden, sind die Gemeinden inzwischen dazu übergegangen, selbst günstige Wohnungen für das Personal zu bauen. Dass das nötig ist, hat inzwischen sogar die CSU eingesehen, die bis vor wenigen Jahren noch in großem Stil staatliche Wohnungen privatisiert hat. Umso bitterer ist es, dass es andere aus egoistischem Kalkül torpedieren wollen.

Fast jedes kommunale Wohnungsbauprojekt stößt mittlerweile auf Widerstand. In Oberschleißheim schreien Nachbarn Zeter und Mordio, weil zwischen die Häuschen der Berglwaldsiedlung ein Block mit sage und schreibe sieben Mietwohnungen gestellt werden soll. In Gräfelfing wittern Anwohner eine Verschwörung, weil sich der Gemeinderat in Klausur über ein Gemeinschaftswohnprojekt Gedanken macht. Und in Oberhaching hätte eine Grünen-Gemeinderätin den Grund für eine neue Siedlung mit kommunalen Wohnungen gerne als Spielwiese für ihre Kinder erhalten.

Vordergründig geht es den Verhinderern immer um die Natur und das Ortsbild, den Erhalt des alten Dorfkerns oder des Gartenstadtcharakters, der mittlerweile jeder piefigen Einfamilienhaussiedlung zugeschrieben wird. In Wirklichkeit dürfte sie vor allem eine viel profanere Sorge antreiben: dass der Wert der eigenen Immobilie nicht mehr ganz so schnell steigt, wenn nebenan weniger solvente Menschen einziehen, die vielleicht auch noch einen fremden Akzent haben.

Das Schlimme ist, dass die scheinheilige Argumentation bei den Gemeinderäten oft genug verfängt. Weil sie aus den Fehlern der Sechziger- und Siebzigerjahre gelernt haben, wollen die Kommunalpolitiker Bausünden und Problemviertel unbedingt vermeiden. Deshalb sind sie nun gerade beim - im weitesten Sinne - sozialen Wohnungsbau zu zaghaft. In den ohnehin schon eher putzig angelegten Entwürfen wird gerne mal am Ende noch ein ganzes Stockwerk gestrichen, wie jetzt in Pullach beim Wohnheim des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Das verringert nicht nur die Zahl der Wohnungen, sie werden dadurch in der Regel auch für die Mieter teurer. Aber Hauptsache die Nachbarn fühlen sich wohl in ihrem Eigenheim.

© SZ vom 30.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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