Kooperationsprojekt:Experimente im Kunstlabor

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Das Kallmann-Museum und Schüler der Realschule Ismaning zeigen in einer Ausstellung die spannenden und vielfältigen Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der rote Ball sitzt noch auf der Nase, doch die Schminke ist verschmiert. Das Lächeln ist dem Clown aus dem Gesicht gerutscht. Hinter der Maskierung blickt ein junger Mann unter schweren Augenlidern dem Zuschauer entgegen, verloren, vielleicht desillusioniert. Der Clown ist ein beliebtes Motiv in der Kunstgeschichte, große Maler wie Paul Klee, Pierre Auguste Renoir oder Marc Chagall haben ihn in ihren Werken verewigt. Der traurige Clown verleiht der Figur noch eine tiefere Ebene, eröffnet den Kontrast zwischen dem vordergründig immerfrohen Spaßmacher und den menschlichen Abgründen, die sich hinter seiner Maske verbergen. Spätestens durch die Figur des Joker in Todd Phillips Verfilmung der Comicvorlage um Batmans wohl spannendsten Widersacher ist der Clown als vielschichtige Figur auch in der Popkultur angekommen.

Viola Schröter gelingt es mit wenigen Strichen in Ölpastellkreide auf Karton, dieser häufig zitierten Figur Tiefe zu verleihen und sie in die Gegenwart zu holen. Weibliche wie männliche Clowns verkörpern ein Abbild der sozialen Medienwelt vieler junger Menschen von heute. Die Schminke sitzt perfekt, das Styling stimmt; wie es der Person dahinter geht, wird zur Nebensächlichkeit. Damit wirft Schröter, Schülerin der Johann-Andreas-Schmeller-Realschule in Ismaning, einen genauen und ziemlich selbstkritischen Blick auf ihre Generation. Mit ganz anderer Technik, aber nicht minder spannend, nähern sich Eleni Oikonomidou und Emely Tschiers den Fragen von Identität, inneren und äußeren Bildern an. Oikonomidous Engelplastik aus Papier und Draht scheint sich unter den Zwängen der Welt zu winden. In Tschiers' gipsweißem Torso klaffen neonfarben leuchtende Wunden. Alle drei Werke laden zum näheren Betrachten ein. Das ist umso bemerkenswerter, als die jungen Künstler zum ersten Mal in einer professionellen Museumsumgebung zu sehen sind.

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(Foto: Kallmann-Museum)

Ein Werk von Viola Schröter, Ölpastelkreide gemalt auf Karton.

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(Foto: Kallmann-Museum)

Protest-Kunst von Olivia Folek.

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(Foto: Kallmann-Museum)

Eine Skulptur von Emily Tschiers.

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(Foto: Kallmann-Museum)

Eleni Oikonomidous leidender Engel.

Ihre Arbeiten sind das Ergebnis einer Kooperation der Realschule Ismaning mit dem Kallmann-Museum im vergangenen Schuljahr, unter der Leitung von Kunstlehrerin Corinna Mosch und Museumsmitarbeiter Luca Daberto. In diesem "Kunstlabor" sind über die vergangenen Monate so viele spannende Arbeiten entstanden, dass ihnen das Kallmann-Museum nun eine eigene Ausstellung zuteilwerden lässt.

Kunstvermittlung direkt am Objekt, das ist das Ziel des "Kunstlabors". 15 Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klasse nutzten das freiwillige Angebot und zogen mit Mosch und Daberto raus aus dem Klassenzimmer und rein ins Museum. Dort diskutierten die Schüler gemeinsam mit den beiden Kunstpädagogen die Werke der aktuellen Ausstellungen und fanden erste Anregungen für ihr eigenes Arbeiten. "Die Atmosphäre im Museum war eine ganz andere als in der Schule", erzählt Viola Schröter. "Dass dort professionelle Künstler ausgestellt sind, hat mich sehr inspiriert." Im zweiten Teil des Wahlseminars wurden die Schülerinnen selbst aktiv. Neben der fachkundigen Anleitung ließen Mosch und Daberto den Jugendlichen dabei viele Freiheiten. Die Vielfalt der nun ausgestellten Arbeiten, darunter Zeichnungen, Malereien, Installationen, Skulpturen und Videoarbeiten, zeugt vom weiten Horizont und der Experimentierfreude der jungen Künstler. Dabei wandten sich die 14- bis 17-Jährigen nicht nur zeitgenössischen oder modernen Formen zu. "Für mich war es spannend zu sehen, dass die Schüler großes Interesse an klassischen Kunstformen wie etwa realistischer Malerei haben", sagt Daberto.

Die Corona-Pandemie freilich ließ das Kunstlabor nicht unberührt. Auch an der Realschule musste die Schulfamilie sich plötzlich den Herausforderungen des Homeschoolings stellen. Wahlfächer wurden zur Debatte gestellt. Doch das Kunstlabor sollte, da waren sich die Beteiligten rasch einig, unbedingt zum Abschluss gebracht werden. Die jungen Künstler setzten ihr Werken also zuhause fort, Feedback und Begleitung gab es dann digital. Das Experiment gelang. "Ich hatte den Eindruck, dass das kreative Arbeiten gerade in Zeiten des Eingesperrtseins eine wichtige andere Aufgabe geboten hat für die Schüler", sagt Kunstlehrerin Mosch rückblickend. Neben dem Entdecken der eigenen kreativen Kraft hofft Daberto, dass die Schülerinnen und Schüler noch etwas aus dem Kunstlabor mitnehmen: "Ich hoffe, dass sie sich jetzt natürlicher im Museum bewegen, ohne übertriebene Ehrfurcht. Dass sie sich das Museum als Raum zu eigen machen."

Ein Gemälde gemalt von Amir Bekolli. (Foto: Kallmann-Museum)

Auf eine große Feier zur Ausstellungseröffnung müssen die Beteiligten des Kunstlabors coronabedingt zwar verzichten. Doch die Werkschau wird unbenommen der Pandemie stattfinden: Von diesem Freitag, 17. Juli, bis Sonntag, 26. Juli, sind die Arbeiten immer dienstags bis samstags zwischen 14.30 und 17 Uhr sowie sonntags von 13 bis 17 Uhr im Kallmann-Museum in Ismaning zu sehen.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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