Konzerte, Kabarett und Klamauk:Live von der Couch

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Mit einem dreiwöchigen Open-Air-Fest bei freiem Eintritt feiert Unterschleißheim das Wiedererwachen der Kultur in der Stadt. Schüler des Carl-Orff-Gymnasiums nehmen das Homeschooling satirisch aufs Korn - und auch sonst geht es heiter zu

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Geahnt hat man es ja. Aber jetzt ist das ungute Gefühl, dass das mit dem Homeschooling gewaltig in die Hose gegangen ist, einer Gewissheit gewichen. Forscher der Frankfurter Goethe-Universität haben Daten aus aller Welt zum Distanzunterricht ausgewertet und bringen es auf den einfachen Satz: Der Effekt gleicht dem von Sommerferien. Wer sich darüber nicht nur ärgern möchte, sondern der Misere gerne auch mit einem befreienden Lachen begegnet, kann sich am Sonntag, 4. Juli, um 14.30 Uhr auf dem Rathausplatz in Unterschleißheim einfinden. Dort zeigt das P-Seminar "Stand-up-Comedy" des Carl-Orff-Gymnasiums Sketche, die Schüler zum verrückt-traurigen Corona-Alltag produziert haben.

Natürlich spielen sie sich dabei manchen Frust von der Seele. Als eine Art Lockdown-Bewältigung darf auch das gesamte Open-Air-Ereignis angesehen werden, welches das Forum Unterschleißheim über fast drei Wochen hinweg im Stadtzentrum aufzieht. Der Rathausplatz wird von Samstag, 3. Juli, bis Freitag, 23. Juli, zum Eventraum mit Bühne. 260 Plätze bieten sich dort unter Einhaltung der Corona-Schutzregeln. Elf Künstler und Gruppen treten an neun Tagen auf, ein Poetry-Slam findet zum Abschluss an der Parkgaststätte statt; alles zusammen verspricht Spaß wie Tiefgang. "Wir freuen uns wahnsinnig, dass es wieder losgeht", sagt Kulturamtsleiterin Daniela Benker. "Wir hoffen, dass die Unterschleißheimer und Unterschleißheimerinnen einen Ausgleich haben für die vergangenen Monate." Der Eintritt ist frei.

Es ist an alle Altersstufen gedacht. Auch die Kinder sollen ein Stück weit entschädigt werden, die neben den Jugendlichen mittlerweile als die größten Verlierer der Pandemie ausgemacht worden sind. Den passenden Groove zum Auftakt am 3. Juli um 17 Uhr liefert der Kindermusiker Donikkl mit seiner Mitmach-Show. Sein "Fliegerlied" mit der Mitsingzeile "So a schöner Tag!" könnte der perfekte Einstieg in den Open-Air-Juli werden.

Tags drauf stehen die Unterschleißheimer Gymnasiasten auf der Bühne und geben Einblick in ihr Innenleben. 14 Sketche haben sie produziert. Sie handeln von einer zu Hause eingesperrten Jugend, die wie gelähmt Videokonferenzen auf der Couch liegend ertragen und schließlich beim Schulpsychologen auf der Therapiecouch landen. "Auch Mama hat jetzt Youtube", heißt eines der kurzen Stücke, die feinfühlig wahrgenommene Beobachtungen am Rande des Corona-Irrsinns aufspießen. Die Zuschauer erfahren, wie es bei der "Lehrplan-Kommission" wirklich zugeht und wie das Kultusministerium die Corona-Krise managen würde, wenn es dürfte, wie es gerne möchte.

Die Bühnenshows scheinen ausgewählt, als hätte man im Kulturamt bewusst einen Kontrapunkt zum Corona-Blues gesetzt. Tatsächlich hat man einige der Programmpunkte, die in den vergangenen Monaten ausgefallen sind, auf den Spielplan genommen. Insgesamt ergibt es eine bunte, anregend konzertierte Melange. Freudig gespannt dürfen durch die Zumutungen der Corona-Zeit genervte Eltern dem Erfolgsstück "Der Gott des Gemetzels" am Sonntag, 4. Juli, 20 Uhr entgegenblicken. Es kann befreien, darauf zu schauen, wie sich zwei Elternpaare einen sich steigernden Psychokrieg liefern, weil ihre Kinder mal aneinandergeraten sind. Die Münchner Theatergruppe Wirtshausmannschaft zeigt das Stück in Originalfassung, aber auf Bairisch.

Jung, spontan und aus Unterschleißheim: Das P-Seminar Stand-up-Comedy des Gymnasiums setzt sich in seinem Programm mit dem Homeschooling auseinander. (Foto: Veranstalter/oh)

Bekannte Stoffe werden in neue Formate gepackt und wie passend gemacht für einen lauen Open-Air-Sommerabend. So ergeht es auch Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte, die der renommierte Bratschist Johannes Erkes mit ausgewählten Gesangssolisten und einem hochwertig besetzten Streichquartett am Donnerstag, 8. Juli, 19 Uhr, im Taschenbuchformat inszeniert. Erkes erläutert auf der Bühne das Geschehen um den Vogelfänger Papageno und die Königin der Nacht. Zumindest dem Titel nach angelehnt an Giuseppe Verdis Oper La Traviata bringt Deutschlands einziges Impro-Opern-Ensemble Einzigartiges auf die Bühne am Rathausplatz. Denn die vier Sängerinnen und Sänger lassen sich am Sonntag, 11. Juli, bei ihrem Programm "La Triviata" treiben und vom Publikum inspirieren. Sie komponieren, dichten, singen und spielen spontan. Es sind Arien, Duette Chöre und am Ende ganze Opern zu erleben, die komisch, skurril oder traurig sein können. Der Unterschleißheimer Andreas Lübke stimmt von 20 Uhr an am Piano seriös das Publikum ein, bevor um 20.30 Uhr das schräge Impro-Programm startet.

Nahe dran an der Oper war immer die Band Queen mit ihrer Diva Freddie Mercury. Die Queen Revival Band bringt am Sonntag, 18. Juli, um 20 Uhr die Songs des 1991 verstorbenen genialen Sängers auf die Bühne. Das Lebensgefühl einer ganzen Epoche will am Freitag, 9. Juli, von 20.30 Uhr an das Hippie-Kammerorchester erlebbar machen. Die fünf Musiker um die Münchner Ruth von Chelius und Julia von Miller erzählen von dem Aufbruch damals, als in den Sechziger- und Siebzigerjahren die jungen Menschen neue Grenzen musikalisch, aber auch konkret im Leben ausloteten. Es ging um Liebe, aber auch um Fernweh. "Come together", singt das Hippie-Kammerorchester wie die Beatles und kündet von Love, Peace and Happiness. Das ist Nostalgie pur, aber es passt zur Lust der Jugend am Aufbruch, am Feiern nach der Corona-Tristesse. Der Lohhofer Rock-Gospel-Pop-Chor Rogopops stimmt mit einer Gesangsshow auf den Abend ein.

(Foto: Veranstalter/oh)

Der aus der Bayern-1-Radioshow "Die Blaue Couch" bekannte Moderator Thorsten Otto hat am Samstag, 10. Juli, 20 Uhr, einen Tag vor dem Finale der Fußball-Europameisterschaft den Sportkommentator Wolff Fuss bei sich auf der Bühne sitzen. Die Musiker der Stadtkapelle Unterschleißheim geben Samstag, 17. Juli, 20 Uhr, nach Monaten, in denen kaum geübt werden konnte, wieder ein großes Konzert. Die Regenschirmpoeten, Preisträger des Tassilo-Kulturpreises 2021 der Süddeutschen Zeitung, bilden zum Abschluss des Open-Air-Monats am Freitag, 23. Juli, 19 Uhr, die Jury bei einem Poetry-Slam an der Parkgaststätte. Ersatztermin dafür ist eine Woche später.

Alle anderen Veranstaltungen finden bei jedem Wetter statt - ganz unkompliziert, nach dem Motto: "First come, first serve". Registrierung ist natürlich noch notwendig und die Corona-Regeln sind nicht aus der Welt. Wenn es regnet, gibt es einen nachhaltigen Regenponcho gestellt.

© SZ vom 25.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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