Unterschleißheim:CSU nennt Wahl mit AfD-Stimmen "hypothetisch"

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Nachdem Stefan Krimmer fast Zweiter Bürgermeister geworden wäre, üben SPD und Grüne schwere Kritik.

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Diverse Passagen in den Geschäftsgrundlagen für den neuen Unterschleißheimer Stadtrat wurden mit dem ebenso unausgesprochenen wie unverkennbaren Ziel geändert, die AfD möglichst zu isolieren. Auch das ungeschriebene örtliche Gesetz, wonach alle im Stadtrat vertretenen Gruppierungen in angemessener Form in die Arbeit einzubinden seien, wurde geschleift. Und doch durften sich gleich zum Auftakt die neuen Stadträte von ganz rechts außen bei der CSU willkommen fühlen: als Stimmenbringer für den CSU-Kandidaten Stefan Krimmer bei der Wahl zum Zweiten Bürgermeister.

Die Abstimmung, die letztlich Tino Schlagintweit (Grüne) gewann, war geheim; dennoch erschiene es beim Ergebnis von 15 zu 15 Stimmen maximal verwunderlich, wenn nicht die 15 Räte von SPD, Grünen und ÖDP Schlagintweit gewählt hätten - und folglich die 15 Räte von CSU, Freier Bürgerschaft, FDP und AfD Krimmer. Spätestens als auf dieses Stimmenpatt hin ein zweites Mal votiert wurde, musste Krimmer klar sein, dass eine eventuelle Wahl nur mit Stimmen der AfD erfolgen könnte. Dennoch hielt er seine Kandidatur aufrecht. Erst der Losentscheid fiel dann zugunsten Schlagintweits.

"Man kann keine Personenwahl gutheißen, die mit Stimmen der AfD entschieden wird", sagte Bürgermeister Christoph Böck (SPD) am Montag zur SZ. Es wäre "verheerend gewesen, wenn das in Unterschleißheim passiert wäre". Böck verweist auf entsprechende Aussagen des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der noch im Wahlkampf gemeinsam mit Krimmer in Unterschleißheim aufgetreten war. Krimmers Wahlkonkurrent Tino Schlagintweit sagte, es sehe es "sehr kritisch, sich mit Stimmen der AfD wählen zu lassen". Wäre Krimmer damit erfolgreich gewesen, hätte er sich "einige Fragen gefallen lassen müssen, wie er sich die Zusammenarbeit mit der AfD vorstellt".

CSU-Fraktionschef bestreitet Absprachen

Krimmer selbst meldete sich erst am späten Montagnachmittag schriftlich mit einer ausweichenden Antwort. Die "Bestimmung eines so wichtigen Amtes" per Losentscheid sei "unglücklich". Er habe gehofft, dass der Stadtrat ihn über "Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg mit einer deutlichen Mehrheit" gewählt hätte. Sein neuer Stellvertreter im Fraktionsvorsitz der CSU, Stefan Diehl, bezeichnete die Frage der Annahme einer Wahl mit AfD-Stimmen angesichts des Ausgangs als "hypothetisch". Jedenfalls habe es zuvor definitiv keine Absprachen zwischen CSU und AfD gegeben. So hat der Stadtrat in seiner neuen Geschäftsordnung - auch mit Stimmen der CSU - die Ausschüsse exakt so zugeschnitten, dass die AfD nicht mitwirken kann. Die Besetzung von Beiräten und Aufsichtsräten oder die Zuteilung von Referaten ging bisher an alle Gruppierungen, die als Fraktion mindestens zwei Mandate im Stadtrat haben. Da dies auch für die AfD gelten würde, sind für eine Fraktion neuerdings mindestens drei Sitze erforderlich.

Böck bezeichnet neue Geschäftsordnung als kluge Regelung

Kurioserweise trugen die beiden AfD-Neulinge diese Änderung ohne Widerworte mit - entweder weil sie die Zusammenhänge nicht ganz durchdrangen oder weil sie auf Mitarbeit keinen Wert legen. Von einer Ausgrenzung der AfD als Ziel will Bürgermeister Böck nicht sprechen. Die neue Geschäftsordnung sei "eine kluge Regelung, die der Stadtrat beschlossen hat", formuliert er. Für seine Amtsführung kündigt er an, die AfD werde "auf der Basis dieser Geschäftsordnung gleich behandelt wie alle anderen Parteien". Er halte die AfD gleichwohl "nicht für eine demokratische Partei, wie die anderen es sind", sondern für eine "Partei an der Grenze des demokratischen Verständnisses".

Unbehagen über die Ausgrenzung der AfD ist allerdings auch schon artikuliert worden. Martin Birzl, der bisherige Sprecher der lokalen Agenda, hat es in einem Schreiben an den Stadtrat als "sehr bedauerlich" bezeichnet, dass die obligate Gleichbehandlung der demokratisch gewählten Stadtratsmitglieder aufgegeben wurde. Bislang wurde vom Stadtrat je ein Mitglied jeder Gruppierung in das Agenda-Team entsandt, neuerdings sollten es nun "vier Vertreter der vier stärksten Fraktionen" sein, also CSU, SPD, Grüne und FB. "Auch wenn man die AfD nicht mag und ihre Ziele ablehnt, sind sie von den Bürgern gewählt worden und vertreten einen nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft", findet Birzl. Für die Arbeit der Agenda sei "eine Rückbindung in alle Parteien und Wählergruppen notwendig", so der Sprecher.

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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