Kommentar:Kahlschlag im Namen der Sicherheit

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Um niemanden zu gefährden, werden Straßenbäume geopfert. Das ist nachvollziehbar. Aber manchmal wünscht man sich mehr Augenmaß

Von Bernhard Lohr

Es wäre kein Wunder gewesen, wenn der eine oder andere vor Schreck seinen Wagen in den Graben gesteuert hätte. Der Anblick, der sich Autofahrern zwischen Feldmoching und Oberschleißheim im November von einem Tag auf den anderen bot, hatte alles, um einen auch nur halbwegs sensiblen Menschen aus der Fassung zu bringen. Arbeiter mit Kettensägen hatten etliche der stattlichen Bäume an der Allee gefällt. Von einigen ragten nur noch drei, vier Meter hohe Stümpfe in die Höhe. Eine wahrlich ortsprägende Baumreihe im Münchner Norden wurde zerstört.

So wie jetzt im Süden, wo in Straßlach-Dingharting eine ganze Reihe von Bergahornen von der Fällung bedroht ist, argumentierte damals das Staatliche Bauamt damit, dass die Bäume "wegen mangelnder Vitalität und Pilzbefalls nicht mehr verkehrssicher" seien. Der radikale Einschnitt wurde dann fast noch als Erfolg verkauft, weil es gelungen sei, von einigen Bäumen die Stümpfe stehen zu lassen. Wegen dort lebender Lindenkäfer habe man lediglich sehr stark in der Krone eingekürzt. Als "Erhalt von Biotopbäumen" wurde das bezeichnet.

Natürlich: Die Mitarbeiter im Staatlichen Bauamt in Freising machen das, was von ihnen erwartet wird. Sie müssen garantieren, dass niemand verletzt wird oder gar zu Tode kommt, weil starke Winden oder schwerer Schnee Äste brechen lassen und Bäume zum Umstürzen bringen. Seit Jahren erprobte und bewährte Verfahren zur Baumkontrolle kommen zur Anwendung. Die Rechtssprechung bewegt sich in diesem Bereich seit Jahren durch eine Vielzahl von Urteilen auf relativ sicherem Terrain. Insoweit ist alles klar: Dennoch ist zu bedauern, dass all das eine Vollkaskomentalität fördert, bei der es darum geht, jegliche Gefährdung auszuschließen. Das wäre am Ende zu kurz gedacht: Man kann Behördenleitern nur Augenmaß wünschen - und den Gutachtern bei der Inspektion von Bäumen eine glückliche Hand, wenn es gilt, Sicherheitsaspekte und auch die Belange des Naturschutzes abzuwägen.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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