Klimaschutz:Es geht auch ohne Taufkirchen

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Kreispolitiker von CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern zeigen sich irritiert über das Ausscheren der Gemeinde bei der Klimaschutz-Initiative "29++". Umgesetzt werden sollen die Ziele trotzdem

Von Iris HilbertH und Martin Mühlfenzl, Landkreis

Ökologie und Ökonomie müssen in Einklang gebracht werden, sagt Landrat Christoph Göbel (CSU). Das sei die große Herausforderung der Klimainitiative "29++": "Wir sind eine Wachstumsregion. Die Geschwindigkeit der Entwicklungen ist bei uns so unfassbar hoch." Auch deshalb sei die gemeinsame Resolution des Landkreises und seiner 29 Städte und Gemeinden zu Klimazielen "bewusst ausgewogen" gehalten, sagt Göbel, denn: "Wären wir noch konkreter an die Sache rangegangen, hätten wir damit rechnen müssen, dass noch mehr Kommunen ausscheren."

Bisher trifft das nur auf die Gemeinde Taufkirchen zu, deren Gemeinderat sich vergangene Woche gegen die Resolution ausgesprochen hat. "Es kann sein, dass sie in Taufkirchen über den letzten Abschnitt gestolpert sind", sagt Landrat Göbel in einer ersten Reaktion auf den Taufkirchner Ausstieg aus der Klimainitiative. "Mich macht diese Entscheidung aber nicht nervös. Dann erklären eben die anderen 28 ihr Einverständnis - und Taufkirchen vertritt es nicht. Das ist alleine Sache der Gemeinde." In besagtem letzten Abschnitt verständigen sich Landkreis und Kommunen darauf, bis zum Jahr 2030 die jährliche Pro-Kopf-Emissionen im Landkreis um 54 Prozent von derzeit zehn Tonnen Kohlendioxid (Stand 2010) auf nur noch sechs Tonnen zu reduzieren. Ein Prozess, der von diesem Jahr an auch ständigen Prüfungen und Fortschreibungen unterzogen werden soll - dem die Gemeinde Taufkirchen so aber nicht folgen will.

Die Resolution, die derzeit in allen 29 Stadt- und Gemeinderäten beraten wird oder bereits verabschiedet worden ist, sei eine "Absichtserklärung" sagt Göbel. Denn auch der Landrat weiß, dass der Landkreis kein homogenes Gebilde ist. "Die Gemeinde Putzbrunn, die der Resolution zugestimmt hat, hat etwa keine Geothermie. Dort werden die Gemeinderäte andere Lösungen finden müssen", sagt Göbel - und verweist noch einmal auf Taufkirchen. "Ich kann nicht verstehen, dass das Wirtschaftswachstum und Gewerbesteuereinnahmen als Argumente für die Ablehnung herhalten müssen", sagt der Landrat. "Dekarbonisierung, also die Umstellung der Wirtschaft bei gleichzeitiger Einsparung von Kohlenstoffdioxid, ist doch das Ziel." Und gerade Taufkirchen mit Geothermievorkommen im Gemeindegebiet könne wachsen und ein wirklich modernes Gewerbegebiet ausweisen.

Damit befindet sich Göbel auf einer Linie mit dem Grünen-Kreisrat Christoph Nadler aus Taufkirchen. Der zeigt sich über die Entscheidung in seiner Heimatgemeinde sehr überrascht. "Damit haben wir im Kreis wirklich nicht gerechnet", sagte Nadler, "wir haben eine Ablehnung schlicht nicht für möglich gehalten." Daher müsse man sich nun auch erst einmal beraten, wie man mit der ablehnenden Haltung Taufkirchens umgeht. Nadler wundert sich aber auch über das offenbare Informationsdefizit im Gemeinderat. Er selbst habe intensiv mit der Grünen-Fraktion die Hintergründe der gemeinsamen Erklärung besprochen, "die wussten Bescheid". Insbesondere sei man diesmal bewusst den Weg gegangen, die Resolution von den Gemeinden ratifizieren zu lassen. Bei der alten Energievision von 2006 habe man lediglich versucht, durch Anträge in den Gemeindegremien die Zustimmung zu erlangen. Damals habe lediglich Straßlach-Dingharting abgelehnt.

Als schlichtweg "verantwortungslos" bezeichnet Otto Bußjäger, Kreisrat der Freien Wähler und stellvertretender Landrat, das Ausscheren der Gemeinde Taufkirchen. "Es ist schon tragisch, wenn eine Gemeinde einfach aus dem Dialog aussteigt. Aber Mehrheiten können irren", sagt Bußjäger. Die Klimainitiative 29++ sei eine Matrix, die mit Leben gefüllt werden müsse. "Es ist doch nicht so, dass der Kreis eine einfache Entscheidung trifft, und die Gemeinden dann zu bestimmten Maßnahmen gezwungen werden", sagt Bußjäger. "Wir haben ein wichtiges Ziel formuliert und werden gemeinsam die richtigen Instrumente erarbeiten. Da brauchen wir alle Gemeinden an Bord." Wenn etwa ein neues Baugebiet - oder auch eine Gewerbegebiet - ausgewiesen werde, müssten alle Möglichkeiten einbezogen werden, die dabei helfen, Kohlenstoffdioxid-Emissionen zu verhindern - "Solar, Windkraft, Geothermie, auch Wasser. Auf die jeweilige Kommune zugeschnitten", sagt Bußjäger.

Auch die SPD-Kreisrätin und stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche zeigt sich irritiert über die Taufkirchner Entscheidung. Insbesondere wundert sie sich über die Begründung der Ablehnung. "Ich könnte ja verstehen, dass man das ablehnt, weil es einem nicht weit genug geht", sagt sie. Allerdings sieht sie im Fall Taufkirchen auch ein Kommunikationsproblem. Der Prozess der beauftragten Firma, die das Konzept erarbeitet habe, sei schon nicht optimal gelaufen. Hinzu komme aber auch, dass der parteifreie Bürgermeister Ullrich Sander kein Kreistagsmandat habe. Ganssmüller-Maluche hat sich vorgenommen, auf die Gemeinde mehr zuzugehen und noch einmal darüber zu reden, "Wir müssen uns einfach mehr um die Gemeinden kümmern, deren Bürgermeister nicht im Kreistag sitzen. "Die ganz große Tragödie ist das jetzt aber nicht", findet sie.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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