Klimaschutz:Die zweite Pumpe ist durch

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Der Austausch der Pumpe erfolgt durch einen Kran und will gut vorbereitet sein. Im Bild von links: Bürgermeister Christoph Böck, GTU-Vorstand Thomas Stockerl und Bauleiter Gregor Mauerer. (Foto: Steven Ahlrep/Stadt Unterschleißheim)

Unterschleißheim war die erste Kommune der Region, die die Geothermie nutzte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft das Projekt gut. Jetzt steht ein Umbau an

Von Irmengard Gnau, Unterschleißheim

Wenn Quirin und Sebastian mit ihren Eltern in den Unterschleißheimer Valentinspark gehen, hält sie üblicherweise nichts davon ab, direkt zum Klettergerüst zu stürmen. In diesen Tagen allerdings macht ein anderer Ort dem Spielplatz Konkurrenz, und das nicht nur bei den beiden Buben: Mitten im Park ragen Kräne in den Himmel und es dröhnt immer wieder das Surren von Motoren durch die Luft. Hinter einem Bauzaun liegen meterweise Rohre aufgereiht nebeneinander. Direkt unter Unterschleißheims größter Erholungsgrünfläche nämlich hat die Stadt vor bald 20 Jahren als erste Kommune in der Region ein Experiment gewagt, um klimaschonend Energie zu gewinnen. 1961 Meter wurde in die Erde gebohrt, um dort in tiefen Erdschichten lagerndes Wasser anzuzapfen. Heute wird mit der aus der Geothermie gewonnenen Fernwärme knapp ein Drittel der Unterschleißheimer Haushalte versorgt.

Nach so langer Zeit freilich werden Überholungsarbeiten nötig. Bürgermeister Christoph Böck (SPD) und Thomas Stockerl, Geschäftsleiter der Stadt und Vorstand der städtischen Geothermie-AG GTU, standen zu einer standesgemäßen Verabschiedung bereit, als die Unterschleißheimer Geothermiepumpe Anfang der Woche aus ihrem Arbeitsplatz in mehr als 300 Metern Tiefe herausbefördert wurde, um sie dem verdienten Ruhestand zuzuführen. Das glänzende, etwa 17 Meter lange Metallgestänge wird nach 16 Jahren durchgehenden Einsatzes planmäßig durch eine neue Pumpe ersetzt.

Dass die Pumpe so lange durchgehalten hat, sei beachtlich, sagt GTU-Vorstand Stockerl. Die meisten Geothermiepumpen würden bereits nach fünf bis acht Jahren ausgetauscht. Dass diese so lange störungsfrei ihren Dienst getan hat, freut Stockerl besonders angesichts der unglücklichen Wirkungsgeschichte ihrer Vorgängerin. Die Unterschleißheimer Geothermie ging im Frühherbst 2003 in Betrieb. Das örtliche Schwimmbad, das heutige Aquariush, war damals der erste Kunde der AG, die völlig in städtischer Hand ist. Nach großer Freude über den gelungenen Start des Projekts kam Anfang 2004 jäh die Ernüchterung. Es gab Probleme mit der Förderung des knapp 80 Grad heißen Thermalwassers. Grund dafür war, wie die GTU bald feststellte, dass die Förderpumpe sich vom Steigrohr gelöst hatte, das sie in gut 300 Metern Tiefe halten sollte, und ein Stück in das Bohrloch gestürzt war.

Es dauerte lange, bis die alte Pumpe geborgen werden konnte und eine neue bestellt war; erst Ende 2004 konnte die Anlage wieder wie geplant in Betrieb gehen. Aus dieser Erfahrung hat die GTU ihre Lehren gezogen: Die neue Pumpe, welche nun die jetzige Pumpe ersetzen wird, hatte die Geothermiegesellschaft bereits frühzeitig beschafft und für Notfälle eingelagert.

Diese Woche soll der neue Pumpenkopf mit Hilfe eines Großkrans eingesetzt werden. Die Tage davor nutzt die GTU laut Stockerl, um den Zustand des Bohrlochs zu untersuchen. Mit einer Sonde wird die Anlage geophysikalisch und wasserchemisch inspiziert, eine Kamerafahrt soll zudem Aufschluss geben, ob die Verrohrung irgendwo Korrosionen aufweist. Das Thermalwasser enthält schließlich auch Schwefel.

Die neue Pumpe wird wie ihre Vorgängerin einiges zu leisten haben. Zu Spitzenzeiten im Winter fördert sie bis zu 90 Liter Wasser pro Sekunde aus dem Erdinneren an die Oberfläche, im Sommer sind es etwa 40 bis 50 Liter pro Sekunde. Im Jahr 2019 waren es insgesamt 2,7 Kubikliter Wasser. In der Energiezentrale gleich neben dem Schwimmbad wird dem Thermalwasser mittels eines Tauschers die Wärme entzogen. Diese gelangt dann über einen separaten Wasserkreislauf zu den einzelnen Unterschleißheimer Häusern, wo sie zum Heizen eingesetzt wird. Knapp 19 Kilometer lang ist das Unterschleißheimer Verteilnetz inzwischen, es versorgt neben 277 Wohngebäuden mit 4135 Haushalten auch elf Bürogebäude sowie kommunale Bauten wie Rat- und Bürgerhaus, die Unterschleißheimer Schulen, das Sehbehinderten- und Blindenzentrum und die beiden Kirchenpfarrzentren St. Ulrich und das Maria-Magdalena-Haus. Und es soll noch weiter wachsen. Von Oktober an werden die neuen Bürobauten auf dem Businesscampus angeschlossen, auch für den Gewerbepark Koryfeum sind Anschlüsse geplant.

GTU-Vorstand Stockerl blickt durchaus stolz auf die Geschichte der Erdwärme-Nutzung in Unterschleißheim. "Wir waren das erste Projekt im Umkreis von München", sagt er, noch vor Unterhaching oder Pullach; Spatenstich für die erste Förderbohrung im Valentinspark war im Dezember 2001. Das Thema Klimaschutz ist heute präsenter denn je, mit der Geothermie leiste Unterschleißheim seinen wichtigen Beitrag. Auch wirtschaftlich fühlt sich die Stadt bestätigt: Seit 2014 schreibt die GTU schwarze Zahlen - 15 Jahre früher, als ursprünglich prognostiziert. Eine Gelddruckmaschine ist die Geothermie freilich nicht. "Wir müssen immer wieder investieren, aber ich bin zuversichtlich, dass wir in der Gewinnzone bleiben", sagt Stockerl.

Als nächste Investition steht eine Erweiterung der Energiezentrale an. Dort wird - vermutlich von kommendem Frühjahr an - eine Wärmepumpe installiert, die dem rückfließenden Thermalwasser weitere Restwärme entziehen soll. Daraus kann noch weitere Energie gewonnen werden. 6,5 Millionen Euro wird diese Investition voraussichtlich kosten.

© SZ vom 15.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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