Kirchheim:Zu früh gefreut

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Kirchheim hinkt bei den Gewerbesteuereinnahmen hinterher

Von Christina Hertel, Kirchheim

Wolfgang Gerstenberger ist ein Zahlenmensch. Als studierter Volkswirt sieht er schnell, wenn mit den richtigen Zahlen die Fakten ein bisschen schöner aussehen sollen, als sie es eigentlich sind. Und so eine Beschönigung habe, so Gerstenberger, auch die CSU-Fraktion im Gemeinderat mit ihrer neuesten Kolumne betrieben, die jüngst in den Kirchheimer Mitteilungen erschienen ist. Darin verweisen die Christsozialen auf gestiegene Gewerbesteuereinnahmen und auf die gelungene Wirtschaftsförderung in der Gemeinde. Der Strukturwandel sei eingeleitet, der Ausbau der Internetversorgung gestartet, Leerstände eruiert und zum Teil "frischt befüllt". "Diese Aktivitäten wirken sich natürlich auch auf die Gewerbesteuereinnahmen aus", schreiben die Gemeinderäte. Seit 2011 sei das Gewerbesteueraufkommen von 11,2 aus 15,6 Millionen Euro gestiegen. Klingt nach Erfolg. Doch laut Gerstenberger, der unter anderem die Europäische Kommission beriet und mittlerweile im Ruhestand ist, steckt hinter diesen Zahlen nicht viel.

Dass die Gewerbesteuereinnahmen gestiegen sind, liege an der günstigen Wirtschaftsentwicklung im gesamten Münchner Raum. Doch das Wachstum sei in den anderen Kommunen viel größer. "Hätte das Kirchheimer Gewerbesteueraufkommen in den vergangenen zehn Jahren eine Entwicklung wie in den Nachbargemeinden oder wie im Durchschnitt des Landkreises genommen, dann wären 2015 nicht 15 Millionen zu verbuchen gewesen, sondern 18 beziehungsweise 23 Millionen Euro", schreibt der Volkswirt. Die Zahlen für diese Einschätzung hat Gerstenberger vom Bayerischen Statistischen Landesamt. Aus den Daten geht auch hervor, dass von 2013 bis 2015 der Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen in den Nachbargemeinden fast dreimal so hoch war wie in Kirchheim. Hier stiegen sie um 5,1 Prozent, in den Nachbarorten aber um 14,7 Prozent, im gesamten Landkreis sogar um fast 18 Prozent. Gerstenberger findet deshalb: "Die CSU hat sich da zu früh einen Ordnen angeheftet."

Das sieht auch Gemeinderat Rüdiger Zwarg von den Grünen so. Er hat ebenfalls Statistiken recherchiert, aus denen hervorgeht, dass Kirchheim bei den Gewerbesteuereinnahmen dem Rest des Landkreises hinterherhinkt. "Was hier betrieben wird, ist Schönfärberei", sagt Zwarg. Dass vor zwei Jahren ein Referat für Wirtschaftsförderung gegründet wurde, hält er zwar für richtig, doch leider habe die Maßnahme noch nicht gegriffen. Diese Meinung teilt Thomas Etterer von der SPD. Auch er sieht die Zeit, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, noch nicht gekommen. "Mit der Wirtschaftsförderung gehen wir zwar die richtigen Schritte, aber die Auswirkungen sind eben noch nicht messbar." In den Nachbargemeinden habe man sich in der Vergangenheit viel mehr um das Gewerbe gekümmert. Jetzt sei es nicht verwunderlich, wenn Kirchheim das nicht in ein, zwei Jahren aufholen könne.

Über das, was das Referat bereits erreicht hat, möchte Etter nicht urteilen - es gebe bislang zu wenig Grundlagen, die eine Bilanz ermöglichen würden, sagt er. Vom neuen Wirtschaftsreferenten Tobias Schock, der seit Juni für die Gemeinde arbeitet, erwartet er deshalb vor allem mehr Transparenz: "Er müsste die Defizite und die Perspektiven genau benennen." Konkrete Zahlen wünscht sich auch Rüdiger Zwarg. "Sonst bleiben sämtliche Aussagen unbelegt." Bedauerlich findet dieser außerdem, dass die Vorgängerin des neuen Wirtschaftsreferenten nur etwa zwei Jahre für die Gemeinde tätig war. "Jetzt muss er wieder von vorn Kontakte aufbauen." Das koste Zeit. "Aber Wirtschaftsförderung kann man auch nur betreiben, wenn Vertrauen vorhanden ist."

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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