Kirchheim wählt:Die Mitte finden

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Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bürgerentscheid "Kirchheim 2030", über den am Sonntag die Wähler in der Gemeinde abstimmen

Von Christina Hertel, Kirchheim

Wenn in Deutschland am 24. September ein neuer Bundestag gewählt wird, steht für Kirchheim noch eine zweite Entscheidung an. Die Gemeinde kann darüber abstimmen, ob sie die Ortsmitteplanungen will - oder nicht. Um was geht es genau? Was hat der Gemeinderat bis jetzt geplant? Und was passiert, wenn die Mehrheit das Konzept ablehnt? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie sehen die Pläne konkret aus?

Auf einer Fläche von fast 500 000 Quadratmetern zwischen dem Seniorenzentrum in Heimstetten und der Cantatekirche in Kirchheim entsteht ein neuer Ortskern. Hauptbestandteil dessen ist ein Park mit einer 100 000 Quadratmeter großen Grünfläche. Darauf sollen sich das neue Gymnasium, das neue Rathaus und Kinderbetreuungseinrichtungen befinden. Außerdem sollen 900 Wohnungen und 330 Eigenheime entstehen. Diese bieten Platz für etwa 3300 Menschen.

Wer kann sich dort den Wohnraum überhaupt leisten?

Die Gemeinde hat mit den Grundstückseigentümern ausgehandelt, dass fast ein Drittel der Wohnfläche zu einem reduzierten Preis gemietet oder gekauft werden kann. Die Miete soll bei 15 Prozent der Geschossfläche um 2,50 Euro pro Quadratmeter günstiger sein als der Marktwert. Momentan liegt dieser bei 15 Euro pro Quadratmeter. Bei fünf weiteren Prozent der Fläche soll die Miete um fünf Euro pro Quadratmeter reduziert werden. Doch der größte Teil davon soll für die Erweiterung des Seniorenzentrums zur Verfügung stehen. Auch bei zehn Prozent der neuen Eigenheime gibt es Nachlässe - und zwar um 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Hier geht man von einem Marktpreis von 6000 Euro pro Quadratmeter aus.

Wie viele Menschen werden nach Kirchheim ziehen?

Wohnraum soll für etwa 3300 Menschen entstehen. Bei einem Drittel hat die Gemeinde das Belegungsrecht und will ihn Ortsansässigen zur Verfügung stellen. Bleiben noch 2 300 Menschen, die sich verteilt auf zehn Jahre in Kirchheim niederlassen werden. Die übrigen freien Flächen zwischen Kirchheim und Heimstetten hat der Gemeinderat im Flächennutzungsplan von Wohnbauland auf Ackerland zurückgestuft. Damit sei eine Bebauung innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht realistisch, heißt es von der Gemeinde.

Spaziergang in einem möglichen, künftigen Ortspark: Die Bürgerinitiative pro 2030 hat am Freitag Interessierte durch das Gelände geführt. (Foto: Claus Schunk)

Was bedeutet das alles für den Verkehr?

Die Heimstettener Straße, die momentan hinter dem Gymnasium endet, soll geöffnet werden. Dass Lastwagenfahrer und Pendler nicht auf die Idee kommen, auf diesem Weg eine Abkürzung zu nehmen, sollen Verschränkungen und Einbuchtungen verhindern. Ein Gutachten der Gemeinde kommt zu dem Ergebnis, dass die Ortsentwicklung nur geringfügige Verkehrssteigerungen verursacht. Geplant ist außerdem ein Umbau des Kirchheimer Eis. An der Stelle, wo sich heute ein kleiner Kreisverkehr befindet, soll eine große Kreuzung mit Ampeln entstehen. Und um die Leute dazu zu bringen, öfter aufs Rad zu steigen, soll es nach den Plänen der Kommune fünf Fuß- und Radwege geben, die die Ortsteile Kirchheim und Heimstetten miteinander verbinden.

Was kostet das alles?

Auf die Gemeinde kommen Kosten von 27,7 Millionen Euro zu. Sie muss alle Kosten tragen, die nicht durch die Wohnbebauung ausgelöst werden, die also nicht von den Investoren übernommen werden müssen. Das sind zum Beispiel etwa 5,4 Millionen Euro für den Ortspark. Und 21 Millionen für das neue Rathaus.

Wie werden sich die Bauträger beteiligen?

Die Bauträger beteiligen sich mit insgesamt 85,8 Millionen Euro. Darin sind Kosten für die Planung, die Erschließung, den Ortspark, Grün- und Ausgleichsflächen, für Kindergärten, Schulen und Rathaus sowie der vergünstigte Wohnraum enthalten.

Wie haben sich die Pläne seit 2011 verändert und warum?

Die Fläche, die überplant wird, ist jetzt mit 500 000 Quadratmetern nur noch halb so groß wie ursprünglich angenommen. Das liegt laut Gemeinde daran, dass sie noch Flächen für die Zukunft haben möchte. Bei der größeren Planung hätten Verträge mit viel mehr Grundstückseigentümern geschlossen werden müssen - was sich hätte lange hinziehen können. In dem neuen Konzept gibt es keinen Supermarkt oder sonstigen neuen Einzelhandel. Dafür hat sich die Gemeinde entschieden, um die bestehenden Ortskerne - wie das Räter-Einkaufszentrum in Heimstetten nicht zu schwächen. Auch das Verhältnis von Ein- und Mehrfamilienhäusern hat sich verändert, zugunsten von mehr Wohnungen.

Die Broschüre "Informationen zum Bürgerentscheid, Dokumentation des Bürgerdialogs" enthält auch Pläne und kann bei der Gemeinde bis zum 22. September bestellt werden. (Foto: Claus Schunk)

Was passiert, wenn eine Mehrheit das Konzept ablehnt?

Die Verwaltung werde dem Gemeinderat vorschlagen, die Gesamtplanung für das Areal zwischen Kirchheim und Heimstetten unmittelbar und abschließend einzustellen, sagt Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Das heißt: Es gibt keinen zweiten Anlauf mehr. Der Bürgermeister geht davon aus, dass dann eine kleinteiligere Bebauung käme. Und das heißt, Kirchheim müsste auf so manches verzichten - zum Beispiel auf den Park oder den Umbau beim Kirchheimer Ei. Denn die Gemeinde kann sich das ohne die Beteiligung der Investoren nicht leisten. Auch das neue Rathaus müsste Kirchheim alleine stemmen. Außerdem würde es wohl länger dauern, bis es fertig gestellt ist. Der Kommune gehört die Fläche nicht komplett. Das gleiche gilt für den Neubau des Gymnasiums. Böltl rechnet mit einer Verzögerung von mindestens zwei Jahren. Die Gespräche mit den Grundstückseigentümern, sagt er, müssten komplett neu anlaufen. Wenn sie scheitern, müsste man sich einen anderen Standort für die Schule überlegen. "Ob der Zweckverband diesen weiteren Zeitverzug duldet oder dann woanders loslegt, wird sich zeigen." Rüdiger Zwarg (Grüne) zweifelt diese Darstellung an. Nach seiner Lesart wäre es für die Gemeinde auch bei einer Ablehnung von Kirchheim 2030 ein Leichtes, mit dem Grundstücksbesitzer der vorgesehenen Fläche für das Gymnasium - einer der Wohnbaugesellschaften, mit denen die Gemeinde den Vertrag über die Bauträgerschaft vereinbart hat - einen Tausch zu vereinbaren, sodass die Schule dort wie geplant entstehen kann. Bürgermeister Böltl hingegen verweist darauf, dass bei den Flächen für Sportanlagen, Umgriff und Erschließung des Gymnasiums mit einem weiteren Bauträger sowie einer Erbengemeinschaft verhandelt werden müsste. Das würde den Neubau zeitlich zurückwerfen, ist sich Böltl sicher.

Wie steht der Gemeinderat zu dem Thema?

Am 4. Oktober 2016 hat der Gemeinderat das Konzept, über das die Bürger am kommenden Sonntag abstimmen sollen, beschlossen. Es gab nur eine Gegenstimme von Rüdiger Zwarg (Grüne). Aber auch Wolfgang Heinz-Fischer (VFW) und Marcell Proffert (LWK), die bei der Abstimmung nicht anwesend waren, haben sich inzwischen gegen das Projekt ausgesprochen. Sie kritisieren unter anderem, dass der Wettbewerbsieger von 2011 verändert wurde, obwohl es dafür aus ihrer Sicht keine Gründe gibt. Ansonsten ist sich der Gemeinderat einig: CSU, SPD, FDP und ÖDP hoffen, dass sich die Kirchheimer mehrheitlich für das Projekt entscheiden. Bürgermeister Böltl ist offenbar besonders optimistisch: Er hat den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan für Kirchheim 2030 gleich auf die Tagesordnung für die Sitzung des Gemeinderats am Montag nach der Abstimmung gesetzt.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.kirchheim2030.de.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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