Kirchheim:Maibaumsterben

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Kirchheims Burschen haben ihr Schmuckstück umgelegt. Das empört die Grünen

Von Christina Hertel, Kirchheim

Bäume liegen den Grünen schon immer am Herzen. Und schon immer setzt sich die Partei mit großen Gesten für sie ein. Sie trug tote Bäume in den Bundestag, begrünte sogar das Brandenburger Tor. Auch in Kirchheim kämpfen die Grünen gegen rücksichtslose Rodung. Nur haben die Bäume, für die sich die Partei hier einsetzt, die Farbe gewechselt: Sie sind nicht mehr grün, sondern weiß-blau. Sie betreiben keine Fotosynthese und retten auch nicht das Klima, dafür wird um sie jedes Frühjahr ein feucht-fröhliches Tamm-Tamm gemacht. Richtig: Es geht um die Maibäume.

"Ohne unmittelbaren Anlass" sei der Kirchheimer Maibaum "gekillt" worden, beklagt Gemeinderat Rüdiger Zwarg von den Grünen in einem Antrag an den Gemeinderat. Eigentlich ist ein Maibaum ja schon ein toter Baum, aber wozu die Haarspalterei? Fest steht: Der Kirchheimer Maibaum ist weg und Rüdiger Zwarg darüber empört. Sogar so sehr, dass er beantragt, den Burschenverein, der den Maibaum umgelegt hat, nicht mehr beim Bau seines neuen Vereinsheims zu unterstützen. Die Gemeinde hat nämlich zugesagt, dass die Burschen dafür alte Container bekommen. Diese Zusage soll der Gemeinderat jetzt wieder zurückziehen, denn: "Hier in Kirchheim macht jeder, was er will. Und das bei Nacht und Nebel."

Heimlich mit Sturmhauben und Tarnanzug haben sich die Burschen dem Maibaum freilich nicht genähert. Das wäre wohl auch gar nicht gegangen, braucht es bei so einem Riesen-Trumm Kran und Kettensäge. Ein anarchischer Akt war der Abbau auch nicht: Er war mit dem Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) abgesprochen. Doch Zwarg befürchtet nun das Schlimmste: "Kopfsteinpflaster-Wüste" den ganzen Sommer lang. Dorffest im Juli ohne Baum. Überhaupt sei die ganze Aktion geschäftsschädigend. Es stimmt schon: Der Platz sieht jetzt leer aus ohne Baum. Trotzdem, das versichern Katharina Ruf, die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchheimer Rathaus, und der vermeintliche Maibaum-Mörder und Vorsitzende des Burschenvereins Mario Neumeyer, gehe in Kirchheim alles mit rechten Dingen zu. Nächstes Jahr bekomme die Gemeinde nämlich einen neuen Baum. Den alten etwa ein Jahr vorher umzuschneiden, sei im gesamten Landkreis München Tradition. "Aber anscheidend kennt Herr Zwarg nicht einmal die Traditionen in seiner eigenen Gemeinde", sagt Neumeyer. Außerdem sei der Baum schon relativ krumm gewesen und habe auch etwas morsch ausgesehen. "Für uns war das Risiko zu hoch, ihn noch länger stehen zu lassen."

Wer sich noch an Joschka Fischer in Jeansjacke oder an Jürgen Trittin mit Schnauzer und Strickpulli erinnert, dem dürfte es etwas seltsam vorkommen, dass sich nun ausgerechnet die Grünen so für Ästhetik einsetzen. Aber die einstige Protestpartei ist eben voll und ganz im Bürgertum angekommen. Doch über eine Sache dürfte sie sich immer noch freuen: Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist mittlerweile sogar beim Kirchheimer Burschenverein im schwarzen Bayern angekommen. Das Holz des alten Maibaums schmeißen die Burschen nicht einfach weg, sondern bauen daraus Bänke für ihr Vereinsheim.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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