Kirchheim:Liebeserklärung an die gute alte Zeit

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Wie anno dazumal: Dagmar Semecky-Neubauer verkauft feine Häkelspitzen, Puppen und Porzellan. (Foto: Angelika Bardehle)

Art-déco-Löffel, Porzellanpuppen, gehäkelte Tischdecken - beim Nostalgie-Flohmarkt wird die Vergangenheit lebendig

Von Franziska Bohn, Kirchheim

Wie alt das Bügeleisen ist, das sie in der Hand hält, weiß Hanna Zobel-Hutter selbst nicht. Sie öffnet ein metallenes Türchen am Bauch des Bügeleisens und zieht eine kleine Steinplatte aus dem Inneren heraus. "Die hat man im Ofen erhitzt und dann wieder rein gelegt. Dadurch wurde das Bügeleisen heiß und so konnte man früher bügeln", erklärt die Kirchheimerin. Neben dem Bügeleisen liegen ein alter Nachttopf, Schals, Strickjacken und einiger Krimskrams. Auf den Tischen daneben findet man einen Tropenhelm aus Bast, alte Ketten und einen Reise-Tauchsieder in rot-weiß gepunkteter Lederhülle aus den Fünfzigerjahren.

Seit zehn Jahren findet im Heimstettener Pfarrsaal Sankt Peter einmal im Jahr ein Nostalgie-Flohmarkt statt. "Der Flohmarkt ist mittlerweile legendär. Er soll ein Ort der Begegnung sein", erklärt Veronika Lentz, die Initiatorin. Der Trödelmarkt richtet sich speziell an ein älteres Publikum. Heuer sind viele neue Verkäufer dazu gekommen, mehr als 15 Stände konnten so am Samstag aufgebaut werden. Veronika Lentz ist zufrieden, auch wenn die Besucher nur schubweise kommen. Um Profit geht es bei dem Flohmarkt ohnehin nicht.

Hanna Zobel-Hutter geht es vor allem darum, dass "das Zeug weg ist und nicht im Container landet und sich jemand daran freuen kann". Dann freut auch sie sich. Ihre Waren hat sie teilweise aus Haushaltsauflösungen, teilweise geerbt, auch von ihrem Ururgroßvater. Von ihm hat sie an diesem Vormittag bereits einen Einplattenherd von Anfang des 19. Jahrhunderts verkauft. "Der war schon cool, wie man heute so sagt", erzählt sie und grinst. Sie ist zum ersten Mal auf dem Markt und konnte schon einiges verkaufen: alte Manschettenknöpfe, sechs Uhren, einen sieben-armigen Messingleuchter und eben den besagten Herd ihres Ururgroßvaters.

Im Nebengang hält Katharina Mayr-Meissner einen großen goldenen Bilderrahmen unter dem Arm. Den hat sie soeben gekauft, zusammen mit einem großen Pastellbild, auf dem viele kleine Engel zu sehen sind. Das Bild war ein Spontankauf - für ihre Tochter.

Hinter dem Verkaufstisch neben ihr steht Gertrud Brandl. Viele Tischdeckchen bietet sie an, alle selbst von ihr in aufwendiger Handarbeit gehäkelt. Etwas ganz Besonderes steht noch auf ihrem Verkaufstisch: das Kraut der Unsterblichkeit. "Auf ein unendliches Leben kann man damit zwar nicht hoffen, aber es soll gegen Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck helfen", erklärt sie. Jeden Abend kocht Gertrud Brandl sich damit einen Tee.

Auf dem Verkaufstisch von Dagmar Semecky-Neubauer sitzen hauptsächlich kleine Porzellan-Puppen. Früher hat sie die auch selbst hergestellt, ihnen Glasaugen eingesetzt, das Gesicht bemalt und ihnen Kleidchen genäht. Die, die sie heute verkauft, sind aber gekaufte Puppen, die ihrer bereits verstorbenen Mutter gehörten.

Am wertvollsten sind ihr Silberbesteck und die Art-déco-Löffel, auch aus dem Haus ihrer Mutter, und noch unbenutzt. Auf ihrem Tisch reihen sich chinesische Vasen neben Schlangenleder-Handtaschen und Parfüm-Zerstäuber aus Glas. Viel verkauft habe sie heute aber noch nicht, Bücher und Tupperware sollen gut gehen. "Für meine Sachen muss man eben ein Liebhaber sein."

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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