Kirchheim:Gemeinde schöpft das Maximum ab

Lesezeit: 2 min

Das Landratsamt weist die Beschwerde der Grünen gegen den städtebaulichen Vertrag für die neue Ortsmitte zurück

Von Christina Hertel, Kirchheim

30 Millionen Euro, Geld für ein neues Schwimmbad oder einen Bürgersaal, lasse sich die Gemeinde Kirchheim entgehen, weil sie mit den Investoren des Bauprojekts in der neuen Ortsmitte zu schlecht verhandelt habe. Das hatte Grünen-Gemeinderat Rüdiger Zwarg immer wieder behauptet. Doch seine Beschwerde gegen das Vorgehen der Gemeinde hat das Landratsamt nun zurückgewiesen: Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach die Beschlüsse zum städtebaulichen Vertrag gegen geltendes Rechts verstießen oder ungültig seien.

Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) sieht sich dadurch bestätigt. Die Gemeinde schöpfe von den Investoren, anders als von Zwarg behauptet, das Maximum ab, heißt es in einer Stellungnahme des Rathauses. Mehr zu verlangen, wäre nach Ansicht der Gemeindeverwaltung rechtswidrig gewesen. Mehr noch: Zwarg hätte sich strafbar machen können. Die Gemeinde dazu aufzufordern, die Investoren noch mehr zu beteiligen, sei eine Aufforderung zur Straftat, so die Gemeindeverwaltung. Weil diese aber davon ausgeht, dass Zwarg aus "Unkenntnis" handelte, werde sie keine rechtlichen Schritte einleiten.

Es war die 26. Beschwerde gegen Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU), die das Landratsamt in den vergangenen sechs Jahren bearbeitete, allein 17 davon stammten von Zwarg. Und wie alle zuvor wies die Behörde auch diese zurück. Die Beschlüsse, schreibt sie in der fünf Seiten langen Stellungnahme, die in der Gemeinderatssitzung am Montagabend verteilt wurde, seien nicht zu beanstanden. Es ging dabei um die Frage, welche Kosten die Investoren, die bis 2030 ein neues Areal zwischen Kirchheim und Heimstetten bauen, übernehmen müssen. Zwarg hatte behauptet, dass die Gemeinde ihnen zu wenig zugemutet habe.

Ende 2019 unterzeichnete die Gemeinde mit 13 Grundstückseigentümern einen städtebaulichen Vertrag. Dieser regelte unter anderem, dass die Gemeinde Platz für öffentliche Einrichtungen wie Pflegeheim, Rathaus, Gymnasium und Ortspark erhält. Insgesamt müssen die Investoren etwa 135 Millionen Euro leisten. Darunter fällt Geld für Grünflächen, Schulen, Kindergarten und das neue Rathaus, aber auch eine Wertminderung des Wohnraums: 30 Prozent müssen die Bauträger vergünstigt zur Verfügung stellen.

Böltl bezeichnete das als "Megapaket für Kirchheim". Gemeinderat Zwarg zweifelte das an und machte eine eigene Rechnung auf. Sein Ergebnis: Die Gemeinde hätte 30 Millionen Euro mehr herausholen können - unter anderem weil ihr zwar ein Drittel der Fläche gehöre, sie aber darauf nur öffentliche Bauten realisiere. Von den Gewinnen durch den Wohnungsbau bleibe ihr also nichts. Diese Rechnung jedoch ist laut der Gemeinde nicht mit dem Baurecht vereinbar. Die Gemeinde könne die Bauträger bloß an den Lasten ihrer Planung - wie Kindergärten, Schulen und Straßen - beteiligen. Sie dürfe keinen reinen Planungsgewinn abschöpfen. Das könnte den Strafbestand der Vorteilsnahme erfüllen. In Kirchheim müssen die Investoren 1000 Euro pro Quadratmeter Wohngeschossfläche leisten. Ihnen bleibt ein Gewinn von 51,6 Prozent. Im Vergleich zu Wohnbebauung in München sei das unterdurchschnittlich, so die Gemeinde. Die Vereinbarung weiterer Zahlungen hätte zur Rechtswidrigkeit geführt - der gesamte Vertrag wäre damit nichtig gewesen.

Zwarg sprach von "angeblichen Fakten", die verbreitet würden, und von einer Freundschaft zwischen den CSU-Parteifreunden Landrat Christoph Göbel und Bürgermeister Maximilian Böltl. Letzterer ist sich jedoch sicher, dass die Gemeinde nicht besser hätte verhandeln können. Im Sommer seien die Verhandlungen fast gescheitert, sagte er. Damals habe die Gemeinde ausgehandelt, dass sich die Investoren auch an dem Pflegeheim beteiligen müssen.

In einer früheren Fassung war eine Stellungnahme der Gemeindeverwaltung mit einer Rechtsauskunft des Landratsamts verwechselt worden. Dadurch ist fälschlich der Eindruck entstanden, das Landratsamt habe behauptet, die Forderungen von Grünen-Gemeinderat Rüdiger Zwarg könnten strafbar sein. Dabei handelt es sich jedoch vielmehr um eine Einschätzung der Gemeinde Kirchheim. Das Gleiche gilt für die Aussage, die Abschöpfung von Planungsgewinnen könne den Straftatbestand der Vorteilsnahme erfüllen. Auch diese Einschätzung erfolgte nicht vom Landratsamt, sondern von der Gemeindeverwaltung, wie auch die Behauptung, der Gewinn sei im Vergleich zu Wohnbebauung in München unterdurchschnittlich.

© SZ vom 29.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: