Kirchheimer Zaundebatte:Everybody's Depp

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Sicht- und Lärmschutz: Viele Eigenheimbesitzer grenzen sich gerne ab. Tujenhecken sind beliebt. Jedenfalls dürfen sie in Kirchheim nicht einfach irgendeinen Zaun aufstellen. Was geht, ist genau geregelt. In der Theorie zumindest. (Foto: DAH)

Die Einfriedungssatzung regelt in Kirchheim genau, wie die Zäune auszusehen haben. Wer sich daran hält, ist offenbar selbst schuld.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Damit Kirchheim, was die Zäune betrifft, nicht etwa so unfreundlich aussieht wie eine Kaserne oder ein Gefängnis, gibt es eine so genannte "Einfriedungssatzung". Mit ihr ist genau geregelt, hinter welcher Art von Zaun sich die Kirchheimer auf ihren Grundstücken verstecken können. Stacheldraht ist nicht erlaubt. Mauern auch nicht. Das klingt irgendwie sinnvoll. Aber die Gemeinde geht weiter. "Zu öffentlichen Verkehrsflächen", so heißt es in der Satzung, "sind Einfriedungen nur als sockellose, senkrechte Holzlatten- und Staketenzäune oder lebende Hecken aus heimischen Gewächsen zulässig."

In der Satzung steht außerdem, dass geschlossene Bretterwände und Einfriedungen, die mit Matten oder Kunststoffplatten bespannt sind, verboten sind. Zäune dürfen nicht höher als 1,20 Meter sein. Wer von all dem abweichen möchte, muss einen Antrag stellen. Und der wird dann im Bauausschuss geprüft. Klingt eigentlich logisch, aber anscheinend hat das Verfahren doch seine Tücken, wie sich in der jüngsten Sitzung zeigte.

Ein Bauherr errichtete eine 1,80 Meter hohe Kunststoffwand

Am Eichenweg wollte sich ein Bauherr vor fremden Blicken schützen und errichtete eine 1,80 Meter hohe Wand aus Kunststoff. In Kirchheim eigentlich verboten, aber er baute sie trotzdem. Den Antrag dafür stellte er erst hinterher. Obwohl er, wie es von der Verwaltung heißt, über die Richtlinien in der Einfriedungssatzung informiert worden war.

Einige Bauausschussmitglieder brachte das Verhalten, salopp gesagt, auf die Palme. "Ich habe Verständnis für Privatheit, aber dann kann man sich so eine Satzung sparen", sagt Marcel Prohaska (SPD). Eine Mehrheit stimmte jedoch dafür, dass der Antragsteller seinen Sichtschutz behalten darf. Darunter war zum Beispiel Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Er findet den Zaun zwar nicht besonders schön, doch im Sinne der Bürgerfreundlichkeit wollte er eine Ausnahme machen.

Laut dem Bürgermeister ist das nicht die einzige Mal, dass der Bauausschuss beide Augen zudrückte. Weil längst nicht jeder überhaupt einen Antrag stelle, sei man geneigt, denjenigen, die einen stellen, entgegenzukommen. Gut findet Böltl das nicht: "Wir brauchen wieder eine eindeutige Linie, sonst ist es Glücksache, was genehmigt wird - je nach dem, wie gerade die Stimmung im Bauausschuss ist."

Bürgermeister Böltl weiß, warum es so viele Ausnahmen gibt

Von der Laune der Mitglieder dürfte eine Genehmigung eigentlich nicht abhängen. Vor allem gibt es ja eine Regelung, sogar eine ziemlich strikte. Doch genau dort liegt laut Böltl der Hund begraben: "Gerade weil die Satzung so streng ist, gibt es so oft Ausnahmen."

Beendet dürfte die Angelegenheit mit der Entscheidung des Ausschusses jedenfalls noch nicht sein. Prohaska will einen Nachprüfungsantrag stellen, das Ganze also noch einmal im Gemeinderat diskutieren. Dafür müsste er ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder gewinnen. Auch Wolfgang Heinz-Fischer (VFW) und Susanne Merten-Wente (Grüne) sind dafür. Merten-Wente sagt: "Für mich ist das falsch verstandene Bürgernähe. Und dabei wusste schon Franz Josef Strauß: Everybody's Darling ist schnell auch everybody's Depp."

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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