Kirchheim:Die Einheit ist beschlossen

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Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört: Kirchheim und Heimstetten sollen nach jahrzehntelangem Ringen eine Ortsmitte bekommen. Der Gemeinderat stimmt dem Konzept zu, nun haben die Bürger das Wort.

Von Ulrike Schuster, Kirchheim

Bürgermeister Böltl (CSU) ist die Erleichterung anzusehen. Der Kirchheimer Gemeinderat hat das Konzept zur Gestaltung der neuen Ortsmitte beschlossen - bei nur einer Gegenstimme. Die Parteien sind sich einig, wie sich die Kommune in Zukunft entwickeln soll, wie endlich zusammenwachsen kann, was zusammen gehört. Die geplante Ortsmitte soll die zwei Gemeindeteile Kirchheim und Heimstetten miteinander verbinden.

Seit vielen Jahren wird geredet und zerredet, unverändert blieb die ursprüngliche Motivation. Kirchheim soll für seine Einwohner und alle, die es werden wollen, lebenswerter werden. Heißt: mehr Grün, mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Bildung, mehr Betreuung, mehr öffentliche Treffpunkte und eine neue Verkehrsführung. Das alles soll bis 2030 auf rund 500 000 Quadratmetern beidseits der Staatsstraße 2082 entstehen. Davon sind 153 000 Quadratmeter für den neuen Ortspark geplant, das entspricht 14 Fußballfeldern Raum für Erholung, Rückzug und Sport und Symbol der Verbindung zwischen den zwei Gemeindeteilen. Böltl nennt ihn "Herzstück" - zentral, für jedermann gut zu erreichen.

Besonders Familien und Senioren sollen profitieren

Auf diesem Gebiet sollen bis 2021 die öffentlichen Einrichtungen entstehen: ein neues Gymnasium, ein Rathaus mit Bürgersaal und Bücherei, Kitas, ein größeres Seniorenzentrum. Die gleiche Fläche ist für den Wohnungsbau vorgesehen. Mehrfamilien- und Reihenhäuser sollen gebaut werden, im Verhältnis 49 zu 51 Prozent. Bis 2030 sollen dort rund 3000 Menschen einziehen, Kirchheim wird dann 16 000 Einwohner zählen - ein jährliches Plus von 300 Neubürgern.

Für eine bessere Anbindung an die Staatsstraße soll das "Kirchheimer Ei", ein Kreisverkehr, umgebaut werden. Neue Fuß- und Radwege sollen Kirchheim und Heimstetten verknüpfen. Auch neue Straßen werden nötig, damit die Neubauten nicht über die bestehenden Wohngebiete, sondern von außen erreicht werden können, und um Lärm und CO₂ zu vermeiden.

Besonders Familien und Senioren sollen von der neuen Ortsmitte profitieren, sie sind die Zielgruppe, auf ihre Sorgen und Bedürfnisse ist die Planung zugeschnitten. Jungen Leuten soll geholfen werden, in ihr erstes oder in ein größeres bezahlbares Zuhause zu ziehen, Älteren will man eine attraktive Alternative bieten: raus aus dem zu großen, mehrgeschossigen Haus und rein in eine kleinere, ebenerdige Wohnung.

Eine Stunde lang präsentierte Bürgermeister Böltl am Dienstagabend im Gemeinderat die Ergebnisse. Danach wurde nicht diskutiert, diese Zeit scheint endgültig vorbei. Stattdessen wurde der Vorschlag fast einhellig gebilligt. Besonders gelobt wurde von den Gemeinderäten der prozentuale Anstieg der Geschosswohnungen. Von "sozial gerechtem Wohnungsbau" sprach Stephan Keck (SPD). Waren im Erstentwurf nur 40 Prozent Mehrfamilienhäuser geplant, ist in der Finalfassung nahezu die Hälfte Geschosswohnungsbau. "Welche Normalverdiener-Familie kann sich denn aktuell ein Reihenhaus leisten?", sagte dazu Thomas Etterer (SPD).

"Kirchheim 2030" steht und fällt mit einem Bürgerentscheid

Immer wieder fielen in der Sitzung die Worte "Riesenchance", "gelungenes Konzept", hieß es, "die Jahre sind reif genug", "wenn nicht jetzt, wann dann?". Die Gemeinderäte beschworen regelrecht ihre Pflicht und Verantwortung gegenüber den Bürgern, jetzt und hier eine Entscheidung zu fällen, die beweist, dass Politik immer noch handlungsfähig ist. "Den Luxus, mal wieder nix zu tun, können wir uns nicht mehr leisten", sagte Etterer. "Wir finden keine Mitarbeiter mehr für die Verwaltung, für die Kitas, für die Pflege." Sie könnten sich die Mieten schlicht nicht mehr leisten. Mit 19 gegen eine Stimme - jene von Rüdiger Zwarg (Grüne) - wurde das Ortsmitten-Konzept "Kirchheim 2030" angenommen. Böltl nannte die Entscheidung anschließend "historisch". Er hatte das Scheitern in dieser Sache in der Vergangenheit schon zweimal miterlebt: einmal in den Achtzigerjahren, als sein Vater im Gemeinderat saß, dann in den Neunzigern, als er mit 18 Jahren selbst in den Gemeinderat gewählt wurde.

Die Ortsmitte soll bloß der erste Schritt im Projekt Gemeindeentwicklung sein. Letztlich steht und fällt "Kirchheim 2030" mit einem Bürgerentscheid. Stattfinden soll dieser im Sommer 2017. Bis dahin will man reden. Diesmal nicht in Ausschüssen, Sitzungen und Steuerungskreisen, sondern öffentlich mit den Bürgern. Unter dem Titel "Dialog Kirchheim 2030" will die Gemeinde überzeugen. Noch im November wird über die Planung und den Zeitplan in einer Bürgerversammlung sowie auf der Gemeinde-Webseite informiert. Bis in den Frühsommer 2017 hinein sind Veranstaltungen vorgesehen. Erst dann folgt die endgültige Entscheidung. Fällt diese positiv aus, wird es konkret mit Bebauungs-, Kosten- und Finanzierungsplan. Von 2018 an könnte gebaut werden. Mit dem Gymnasium und dem Rathaus würde es losgehen.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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