Kirchheim:Ausgebremst

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Eigentlich hatten Kirchheims Gemeinderäte einer kommunalen Verkehrsüberwachung ja schon eine Absage erteilt. Jetzt hebt Bürgermeister Maximilian Böltl das Thema wieder auf die Tagesordnung

Von Verena Fücker, Kirchheim

Eigentlich war die Sache mit der kommunalen Verkehrsüberwachung schon durch, dachten zumindest die Kirchheimer Gemeinderäte, nachdem sie in ihrer Sitzung Anfang Oktober dagegen gestimmt hatten. Nicht wenige hatten sich damals allerdings bereits in der Sitzung gewundert, als Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) Raimund Steckermeier, den Experten für Verkehrsüberwachung von der "Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft", mit den Worten verabschiedete: "Wir sehen uns bestimmt bald wieder."

Bereits eine Woche danach stand die kommunale Verkehrsüberwachung überraschend wieder auf der Agenda des Gemeinderats, konnte aber aus Zeitmangel nicht beraten werden. Heute nun, einen Monat später, wird die kommunale Verkehrsüberwachung zum dritten Mal verhandelt. Allerdings bleibt die Frage: Braucht Kirchheim diese überhaupt? Die Antwort der Gemeinderäte im Oktober war ja ziemlich eindeutig.

Nicht nur die Polizei, sondern auch die Gemeinden selbst sind verpflichtet, mit Geschwindigkeitskontrollen und Parkraumüberwachung Sicherheit im Straßenverkehr herzustellen. Kirchheim wollte damit den privaten Dienstleister Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft beauftragen. Der sollte für eine Gebühr von stündlich 115 Euro Raser blitzen und für 26,90 Euro pro Stunde an Falschparker Knöllchen verteilen. Plus Wochenend- und Nachtzuschläge. Für die Verfahrensabwicklung, den gesamten Schriftverkehr, Telefonate, Bußgeldbescheide und Anhörungen wäre dann die Stadt Wolfratshausen zuständig, die bereits für mehrere Städte und Gemeinden die Kommunale Verkehrsüberwachung organisiert. Auch dort wären für die Gemeinde Kirchheim Gebühren entstanden. Das Geld, so hoffte man im Rathaus, sollte über Bußgeldbescheide wieder reinkommen. "Uns geht es nicht darum, Geld zu machen, sondern darum, die Verkehrssicherheit zu erhöhen", sagte Bürgermeister Böltl.

Die Gemeinderäte machten dem Bürgermeister allerdings einen Strich durch die Rechnung und stimmten dagegen. Für sie gab es zu viele Ungereimtheiten. Gemeinderat Gerd Kleiber (FDP) fragte im Gremium, ob es überhaupt eine kommunale Verkehrskontrolle in Kirchheim brauche. Tatsächlich gab es 2014 in Kirchheim 199 Verkehrsunfälle. "Allerdings wurde keiner durch unzulässiges Parken oder Halten beziehungsweise überhöhte Geschwindigkeit verursacht", sagte Michael Inhuber von der Polizei München der SZ. Außerdem gab es in Kirchheim im vergangenen Jahr keine Verkehrstoten.

Marcel Prohaska (SPD) erklärte, dass die Parkprobleme in der Gemeinde hausgemacht sind: "In den Wohngebieten sind die Parkräume auf die Bedürfnisse der Siebziger- und Achtzigerjahre ausgelegt, als die Gebiete gebaut wurden. Da bringt auch eine Parkraumüberwachung nichts." Stattdessen, sagte er, seien die Parkprobleme im Endeffekt etwas Positives, weil die geparkten Autos die Straßen verengten und Rasen damit unmöglich machten. Frank Holz (CSU) stimmte Prohaska zu: "Die Probleme sind hausgemacht. Allerdings sagt man der Polizei oft genug, dass im Gewerbegebiet Lkw auf den Gehwegen parken und nichts passiert." Thomas Heinik (CSU) sagte: "Ich stimme der kommunalen Verkehrsüberwachung nur zu, wenn im ganzen Gemeindegebiet Tempo 30 eingeführt wird. Es gibt zu viele Straßen, auf denen man stellenweise erst 50 fahren darf, dann 30 und dann wieder 50. Das ist einfach verwirrend."

Rüdiger Zwarg (Grüne) sagte, eine kommunale Verkehrsüberwachung würde die Verkehrssicherheit nicht verbessern und verwies auf die Partnergemeinde Aschheim: "Dort gibt es dieses System seit einem Jahr. Seitdem gibt es dort noch mehr Raser, auch wenn es da keinen kausalen Zusammenhang gibt." Bürgermeister Böltl erklärte, die kommunale Verkehrsüberwachung solle in Kirchheim zunächst für ein Jahr getestet werden - wie in Aschheim. Dort hat der Gemeinderat das Projekt erst im September nach gut einjähriger Testphase verlängert. Man sei zufrieden, sagte Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU): "Wir haben zwar noch keine aussagekräftigen Zahlen, aber ich glaube schon, dass langsamer gefahren wird. Das ist ein Gewohnheitseffekt. Wenn man weiß, wo geblitzt wird, fährt man dort automatisch langsamer. Aber das ist noch recht subjektiv." Ein objektiver Vergleich der monatlichen Rate sei wegen der geringen Laufzeit noch nicht möglich. In Aschheim ist lediglich bekannt, dass etwa fünf Prozent aller gemessenen Fahrzeuge, also 1883 von insgesamt 34 989 zu schnell unterwegs waren - und eben, dass sich die Zahl der Raser erhöht hat.

Genaue Zahlen waren aber das, was die Gemeinderäte in Kirchheim bereits im Oktober gefordert hatten. Stattdessen erklärte ihnen Raimund Steckermeier von der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft damals nur: "In Haar haben wir deutliche Ergebnisse. Da müssen wir an einigen Stellen schon viel weniger kontrollieren." Was das konkret bedeutet, wurde allerdings wieder nicht klar.

Umso erstaunlicher ist nun, dass Bürgermeister Böltl am Montagabend, 9. November, plötzlich genaue Zahlen aus Aschheim vorstellen will, um so die Mehrheit der Gemeinderäte möglicherweise doch noch von der kommunalen Verkehrsüberwachung zu überzeugen. Ob das so einfach wird, muss sich zeigen. Die Gemeinderäte hatten ihre Skepsis ja schon mehrfach geäußert.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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