Keferloh:Das alte Bayern

Lesezeit: 3 min

Einen Keferloher Krug in der Hand, einen Keferloher Hut auf dem Kopf: Peter Gauweiler weiß, welche Sprache in einem Bierzelt ankommt. (Foto: Claus Schunk)

Peter Gauweiler beschwört beim Keferloher Montag die bayerische Willkommenskultur, fordert aber auch das Ende des Schengen-Abkommens

Von Martin Mühlfenzl, Keferloh

Nur ein paar Meter trennen die beiden Welten. Es sind zwei Sphären, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemein haben. Die Hallen des Tenniscenters Keferloh, in denen seit einer Woche mehr als 1500 Menschen eine vorübergehende Bleibe, ein Dach über dem Kopf und vor allem das Gefühl, in Sicherheit zu sein, gefunden haben. Gleich daneben das Zelt der Keferloher Freunde, die etwa 2000 Menschen in ihrer Halle empfangen, das alte, traditionelle Bayern beschwören und einem Mann an den Lippen hängen und diesen feiern, der wie kaum ein anderer für diesen urigen, vor Kraft strotzenden und auch etwas bockigen Freistaat steht: Peter Gauweiler.

Und doch haben genau diese beiden Welten in diesen Tagen mehr gemein, als ihnen bewusst sein dürfte. Beide kommen sie aneinander nicht mehr vorbei. Nicht die Flüchtlinge, die hier nicht nur eine Herberge suchen, wie Peter Gauweiler in seiner Festrede in Anlehnung an Ludwig Thomas "Heilige Nacht" bemerkt, "sondern hier bleiben wollen". Und nicht die Bürger im Saal, die nicht zuletzt in Keferloh in der vergangenen Woche "ein beeindruckendes Zeugnis der Humanität und Nächstenliebe" abgelegt hätten, wie Landrat Christoph Göbel (CSU) in seinem Grußwort sagt.

An diesem Keferloher Montag verschmelzen die beiden Welten ein wenig miteinander. Im Festzelt - und auch in Peter Gauweilers Rede.

Der Keferloher Montag ist nicht irgendein Volksfest. Lange Zeit war die Veranstaltung einer der bedeutendsten Viehmärkte, eine der größten Menschenansammlungen in Bayern. Die Veranstalter um Anton Reichlmair werden nicht müde zu betonen, dass es ein Vorläufer der Wiesn sei, ein Fest mit 1050 Jahren Tradition, das sie vor 20 Jahren wieder haben aufleben lassen. Natürlich spielt auch ein Jahrtausend später die Landwirtschaft immer noch eine große Rolle; der Höhepunkt des viertägigen Festes ist aber seit vielen Jahren der Auftritt einer nicht zu unterschätzenden politischen Hausnummer - nach Angela Merkel im Jahr 2009 und Edmund Stoiber im vergangenen Jahr nun also der selbst ernannte Politrebell und Europaskeptiker Peter Gauweiler. Nicht zuletzt dessen Demission als Bundestagsabgeordneter im März dieses Jahres hat bei vielen Besuchern im Vorfeld des Keferloher Montags Aufmerksamkeit erzeugt. Denn wer oft kritisiert, dabei auch vor der eigenen Partei nicht Halt macht, schürt hohe Erwartungen.

Gauweiler kann ihnen nur bedingt gerecht werden. Denn wer sich gerade in der Flüchtlingsthematik scharfe Töne des ehemaligen bayerischen Umweltministers und Münchner Kreisverwaltungsreferenten erwartet hat, muss mitanhören, wie bereits Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) und Landrat Göbel aller verbalen Schärfe in ihren Grußworten eine klare Absage erteilen. Die Weltpolitik habe Grasbrunn erreicht, sagt Korneder - und die Freiwilligen und Ehrenamtlichen hätten die Herausforderungen mit "viel Engagement" gemeistert: "Dafür einfach Danke." Landrat Göbel sagt: "Wir werden uns anstrengen müssen, und wir wissen noch gar nicht, was diese Anstrengungen uns alles abverlangen werden. Aber wir sagen: Herzlich willkommen allen Gästen aus der ganzen Welt."

Peter Gauweiler greift diese Form der Willkommenskultur zunächst auf. "Deutschland zieht an - und das ist nichts Schändliches", sagt der Christsoziale. "Es ist schon viel Schlechteres über uns geschrieben worden." Die Tat, sagt Gauweiler mit Blick auf die Erstaufnahmeeinrichtung in unmittelbarer Nachbarschaft des Festzeltes, sei immer besser als 1000 Worte: "Danke an alle, die diese Unterkunft hergerichtet haben." Und noch ein erstaunlicher Satz hinterher: "Kein Mensch ist illegal. Und jetzt spricht die ganze Welt davon, wie gut Bayern das macht. Das tut unseren Ansehen gut."

Allein damit, sagt Gauweiler, sei das Problem aber nicht zu Ende. Das "uralte Möbel der Politik", wie er sich selbst bezeichnet, nimmt nun seinen eigentlichen Kontrahenten ins Visier: Brüssel, respektive die dort ansässige EU-Kommission. Und immer dann, diese Bierzelterfahrung hat Gauweiler längst gemacht, ist ihm lautstarker Applaus sicher. Der "Völkerwanderung", wie Gauweiler die nicht abreißen wollende Flucht der Menschen nach Deutschland nennt, müsse natürlich Einhalt geboten werden. Die EU-Kommission müsse endlich eine Liste sicherer Herkunftsstaaten erstellen: "Das dürfte selbst für die in Brüssel intellektuell machbar sein." Zudem müsse - wie es Dänemark unlängst vorgemacht hat - das Schengen-Abkommen aufgekündigt werden. "Es braucht ein kontinentales EU-Grenzmanagement", sagt Gauweiler. "Grenzen können schützen." Außerdem müssten die anerkannten Flüchtlinge schnellst möglich arbeiten dürfen und "vom ersten Tag an" einen Deutschkurs bekommen: Wenn 20- bis 25-Jährige den ganzen Tag nur in der Unterkunft rumsitzen, kann das nicht gut gehen." Und dann natürlich noch etwas zur Verteilung der Flüchtlinge: Quoten müssten eingehalten werden; wer sie nicht umsetzt, müsse EU-Gelder verlieren. Außerdem sieht Gauweiler, und plötzlich klingt er wie die Linke Sahra Wagenknecht, die USA in der Verantwortung: "Hier muss das Verursacherprinzip gelten. Einfach drohen, bombardieren und wieder weg sein, funktioniert nicht." Das sind die Töne, die einer großer Teil des Festzeltes gerne hört.

Gauweiler aber wäre nicht Gauweiler, wenn er nicht mindestens eine etwas ausgefallenere Idee mitgebracht hätte. Die hat er im Gepäck: Große Städte müssten gebaut werden rund ums Mittelmeer, in den Menschen sich eine Zukunft aufbauen können. Dies sei schon einmal gelungen - nach dem Zweiten Weltkrieg, als zwölf Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten vertrieben wurden und sich in neu geschaffenen Vertriebenenstädten wie Neugablonz oder Waldkraiburg niederließen. Sie hätten sich eine neue Welt aufgebaut. Darauf warten in Keferloh noch viele Menschen.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: