Kandidaten für den SZ-Kulturpreis:Geschmeidig mit Schlägel

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Viktoria und Johanna Kainz brillieren am Hackbrett

Von Christina Hertel, Sauerlach

Sie wollen das Image des Hackbretts verbessern und ihm Anerkennung jenseits der Volksmusik verschaffen: Johanna und Viktoria Kainz (von links). (Foto: Angelika Bardehle)

Wenn es zu einem Auftritt geht, wird die ganze Familie gebraucht. Die Mama, die Brote schmiert. Der Freund, der die Handtasche sucht. Der Papa, der mit schweren Koffern das Auto belädt. Würden Johanna und Viktoria Kainz Flöte oder Gitarre spielen, wäre das Gewusel vor einem Auftritt vielleicht nicht so groß. Aber die beiden Schwestern haben sich das Hackbrett ausgesucht. Und da müssen sie zwei Tische, zwei Ablagen und natürlich zwei Instrumente mitnehmen, trapezförmig, etwa einen Meter lang, mit mehr als 120 Saiten.

Das Klischee einer Hackbrettspielerin stellt man sich vielleicht so vor: altbacken, Volksmusik spielend, Dirndl tragend. Viktoria und Johanna Kainz sind das Gegenteil. Viktoria ist 19 und studiert Physik. Johanna ist zwei Jahre jünger und möchte nach dem Abi ein Mathe-Studium beginnen. Und zusammen haben sie sich vorgenommen, das Instrument zu entstauben. Sie spielen auf ihren Hackbrettern Rocksongs wie "Hit the Road Jack" oder "Highway to Hell" von AC/DC, aber auch Stücke aus der Renaissance, bei denen die Schwestern erst mal die Noten umschreiben müssen, weil sie eigentlich nicht für zwei Hackbretter komponiert wurden. Mit ihrer Musik sind Johanna und Viktoria ziemlich erfolgreich: Sie haben bei "Jugend musiziert" bundesweit erste Preise geholt und wollen auch heuer wieder antreten.

Um der Zeitungsfrau zu zeigen, was sie können, haben sich die beiden Schwestern ein unbekanntes, modernes Lied ausgesucht. "Hit it" von Michael Öttl. Es ist eines der wenigen Stücke, das extra für Hackbrett geschrieben wurde und klingt ein bisschen asiatisch. "Mittlerweile gibt sogar immer mehr Stücke", erzählt Veronika Kainz. Denn das Hackbrett wiederzubeleben, haben sich ein paar Musiker vorgenommen. Es gibt inzwischen Hackbrettfestivals, Hackbrettorchester und an der Hochschule für Musik in München eine Hackbrettprofessorin.

Wenn Viktoria und Johanna Kainz zusammenspielen, sieht es aus, als würden sie tanzen. Weil sie so geschmeidig mit den Schlägeln auf die Saiten hauen und ihren ganzen Körper bewegen. Und wenn man die Augen schließt, könnte man meinen, irgendwer hat heimlich noch ein zweites oder drittes Instrument ausgepackt - so erfüllt ist der Raum von Klängen. Und dann öffnet man sie wieder und stellt fest: Da stehen immer noch bloß zwei junge Frauen im Wohnzimmer ihrer Eltern in Sauerlach, graues Sofa, Kruzifix an der Wand.

Doch warum haben sie sich von allen Instrumenten ausgerechnet das Hackbrett ausgesucht? Und nicht Klavier oder Blockflöte so wie alle Kinder? Die Antwort ist eine, die wohl bloß eine Physik-Studentin geben kann: "Weil das Hackbrett so logisch ist." Viktoria besuchte als Fünf-, Sechsjährige die musikalische Früherziehung. Da sei ganz schnell klar gewesen, dass ein Blasinstrument, bei dem man probieren und experimentieren muss, bis überhaupt ein Ton entsteht, nicht in Frage kommt. Dann habe ihr eine Freundin der Mutter das Hackbrett gezeigt. "Der Aufbau hat mir von Anfang angefallen. Alle Tonleitern liegen neben einander, man kann drauf schauen und sieht, was man tut." Und ein schöner Nebeneffekt beim Hackbrett Spielen: Die Leute sind immer überrascht. Viele würden bei dem Instrument bloß an Volksmusik denken, andere könnten gar nichts damit anfangen - so wie die Freunde, die sie bei einem Schüleraustausch in England kennengelernt hat. "Sie dachten, ich mache Musik auf einem Schneidebrett", erzählt Viktoria Kainz. Die 19-Jährige überlegte lange, ob sie nach dem Abi ein Musikstudium beginnen soll, entschied sich aber dagegen. Wieder aus ganz logischen Gründen: "Ich mochte Physik und Musik immer beides gerne. Aber Physik als Hobby zu behalten, wäre deutlich schwieriger."

Die Schwestern treten in Sauerlach ab und zu auf Weihnachtsmärkten, Geburtstagen und anderen Festen auf, und mitunter ist noch eine Freundin dabei, die Querflöte spielt. Um traditionelle Lieder kommen sie da nicht immer herum. "Das ist das Standardprogramm", sagt Viktoria Kainz. "Das gehört für einen Hackbrettspieler eben auch dazu."

Vorschläge können an tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ-Lokalredaktion Landkreis München geschickt werden: Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss: 28. Februar.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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