Es gibt immer noch Menschen, die die Konzerte der Gebrüder Johannes Tonio und Cornelius Claudio Kreusch nicht kennen. "Wer ist das erste Mal da?", fragte Bürgermeister Thomas Loderer (CSU), der die Arbeit der Veranstalter mit Leidenschaft unterstützt. Zur Antwort kamen aus dem Saal des Wolf Ferrari Hauses erstaunlich viele Handzeichen. Dabei haben die Kreusch-Konzerte im letzten Jahr schon das Zehnjährige gefeiert. Fürs 3. Jazzfest war Hochkarätiges angesagt. "Weltklasse - Jazz - Made in Germany" hieß die Losung des Konzertmarathons. Die eine Hälfte gehörte der saarländischen Gitarristin Susan Weinert und ihrem "Rainbow Trio". Nach der Pause folgte dann das Brüderpaar Rolf & Joachim Kühn, zwei Legenden der deutschen Jazzszene, der eine fast 90, der andere 75 Jahre alt.
"Leise, fast unbemerkt" ging der Abend los. Der erste Titel von Gitarristin Susan Weinert führt gleich mittenhinein in ihre Welt, die geprägt ist von den New Yorker Lehrern, dem Avantgarde-Gitarristen John Abercrombie und dem Fusion-Spezialisten Mike Stern. Die beiden Mitspieler der Neunkirchnerin Weinert, die kürzlich vom Magazin Jazzpodium zur "ersten europäischen Gitarristin von Weltformat" gekürt wurde, sind ihr Bass spielender Mann Martin Weinert und der herausragende Pianist Sebastian Voltz. Auf eindrucksvolle Weise verknüpfen die drei Pulsierendes aus der Musik der Maghreb-Ländern und aus Afrika mit urbanem Jazz der amerikanischen Metropole. Ein Beispiel für die Spielweise dieses Trios gibt der Titel "Geschichten aus dem Kongo". Bassist Weinert setzt den Bogen hinter dem Steg an, wo die Töne etwas metallisch und sehr obertonreich klingen. Ein Zirpen und Brummeln ist der Beginn. Voltz steigt am Klavier ein, indem er eine Saite im Resonanzkasten anzupft. Mit der Taste klopft er sie nach. Es klingt geheimnisvoll, wie wenn man im Wald nicht mehr sicher ist, ob da irgendwo, irgendwie, irgendwas ist.
Und während das Trio immer mehr in eine fulminante Improvisation hineingleitet, in dem Zartes mit Groovigem wechselt, beginnt im Kopf des Zuhörers eine Reise in eine neue Klangwelt, ohne dass man sich überlegt, was das jetzt für eine Stilrichtung ist, oder, ob man so etwas schon mal gehört hat. Ein eloquenter Monolog des Pianisten rückt in den Mittelpunkt - brillant, bravourös, unaufdringlich. Dialoge folgen, dann wieder das gesamte Trio im Zusammenspiel. Zur Pause war das Publikum auf diese Weise gut vorgeglüht, für den historischen Moment danach: Die Gebrüder Rolf und Joachim Kühn. Beide aus Leipzig, seit Jahrzehnten renommierte Jazzmusiker in der ganzen Welt, aber selten zusammenspielend.
"Wann haben wir das das letzte Mal gemacht", witzelte der Ältere zum Jüngeren, bevor es losging - "Vor 75 Jahren?". Ganz so ist es natürlich nicht, das war sogleich zu erleben. Klarinettist Rolf, in seiner Jugend geprägt von der Swing-Ära, lieferte Motive, die an die von George Gershwin und Benny Goodman erinnerten. Bei letzterem spielte er in den 40er Jahren in der Band. Pianist Joachim Kühn, geprägt vom Freejazz der 1960er Jahre, reagierte mit avantgardeskem Tastenspiel. Faszinierend, dass bei den beiden deutschen Jazzheroen, wohin immer auch immer sie sich in ihrem von Jahrzehnten geprägtem Individual-Stil versteigen, stets die Wurzeln spürbar bleiben. Eine improvisative Gratwanderung mit schwindelerregender Selbstverständlichkeit.
Das hat historische Dimension. Kein gefälliger Jazz allerdings auch, mitunter schroff und kantig, aber stimmig und überzeugend. Großer Beifall am Ende für die fabelhaften Kühns zum Abschluss der Saison der Ottobrunner Konzerte. Nächster der Termin ist "Classical & Beyond, das 6. Klavier Festival am 20. und 21. Dezember 2019 unter anderem mit Tastenmeisterin Julia Hülsmann und den Pianisten Leonid Chizhik und Jasper Van't Hoff