Ismaning:Vogelhochzeit im Prunksaal

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Stilvolles Ambiente: Das norddeutsche Vokalensemble erfreut das Publikum im Schloss Ismaning mit einem abwechslungsreichen Programm. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Vokalensemble "Quartonal" präsentiert ein hörenswertes Programm

Von Julian Carlos Betz, Ismaning

Vor gewohnt pittoresker Kulisse im Prunksaal des Ismaninger Schlosses findet sich ein kleines Publikum ein, um vier Männern aus dem Norden des Landes beim Singen zuzuhören. So weit so gewöhnlich, wäre da nicht die große Bandbreite an Stücken, die das Vokalensemble "Quartonal" an diesem Freitag im Gepäck hat: französische Renaissancemusik, Schlager von Reinhard Mey sowie klassisches englisches Liedgut von der Romantik bis in die Gegenwart. Die Zuhörer durften die Ohren also weit aufmachen, denn neben allerlei stimmtechnischen Effekten kann das Quartett auch mit Humor und schauspielerischen Einlagen aufwarten.

"Quartonal", das sind Mirko Ludwig und Florian Sievers als Tenöre, Christoph Behm als Bariton und Sönke Tams Freier als Bass, haben sich bereits einen Namen gemacht. Vor nunmehr 13 Jahren gegründet, stehen die noch jungen Männer auf internationalen Bühnen und belegten schon 2010 beim Deutschen Chorwettbewerb den ersten Platz. Während Ludwig bei dem fünfstimmigen Vokalensemble zur Eröffnung der Elbphilharmonie in Hamburg Anfang 2017 mitwirken durfte, haben er und Tams Freier bereits mehrere CD-Einspielungen hinter sich, und Sievers wird in diesem Jahr noch unter anderem mit Kit Armstrong und Jordi Savall auftreten. Selbstbewusst dürfen die Sänger also allemal erscheinen, auch wenn das eine oder andere Volkslied noch einen kleinen Schubs braucht, um zu einem Erlebnis zu werden.

Zuerst machen die vier ihre Zuhörer jedoch mit dem klassischen englischen Lied vertraut. Das beginnt mit Alec Rowleys Vertonungen aus der Zeit um 1930, wenn rauchende Dampfer und kreischende Züge den stampfenden Takt zur bereits voll ausgebildeten Industrialisierung geben und gleichzeitig schaurig-romantische Erinnerungen an die alte Größe der englischen Seefahrernation aufkommen. Quartonal evoziert hier dichte, atmosphärische Bilder, die von ihrem harmonischen Zusammenklang getragen und beständig erweitert werden.

Komplex wird der Vortrag mit Ralph Vaughan Williams "The Vagabond": eine spannende Stimmführung, die von den Sängern problemlos gemeistert wird, während sich plötzlich einsetzende Forte-Stellen mit einem verdämmernden Bariton abwechseln. "Or let autumn fall on me", heißt es dort, ein britannischer Herbst mit all seinen Facetten leuchtet auf und Quartonal intoniert ihn konzise und dicht.

Zeitgenössisch wird es dann mit Thomas Hewitt Jones "Another way". Bei dem Titelsong von Quartonals erstem Album handelt es sich um eine dem Ensemble gewidmete Komposition von 2013, der eine philosophische Krise zugrunde liegt. Ein Wanderer sieht sich am Scheideweg im Gebirge und muss wählen zwischen der heimeligen Sicherheit und dem beschwerlichen Aufstieg zum Gipfel, in Richtung des Himmels. Was thematisch schnell auseinandergesetzt ist zwischen körperlicher Befriedigung und metaphysischer Entgrenzung, wird klanglich markant inszeniert. Die Ruhe bei den Kleinbauern kommt schön aus einer tiefen Basslinie heraus in den Schlussakkord des ersten Teils. Dann, "silently: a fierce, brutal silence", ein zartes Piano, das schließlich zum Ende des zweiten Teils in ein lustvolles Falsett von Tenor Ludwig übergeht.

Vor der Pause singen die Vier noch einige Texte von Shakespeare, vertont durch den 1956 geborenen Komponisten Matthew Harris. Auch hier können sie mit langen, kraftvollen Melodielinien und technischen Finessen aufwarten. Nach der Pause wird es dann bunter: Liebeslieder aus dem deutschen Volksgut, das bekannte Kinderlied "Die Vogelhochzeit", "Über den Wolken" von Reinhard Mey und das betörende Renaissance-Chanson von Clément Janequin "Le chant des oiseaux", zu deutsch: der Gesang der Vögel. Gerade bei Letzterem wurde dann lautmalerisch einiges umgesetzt. Ein Verwirrspiel aus Vogelklängen die mit Schnalzen, Klacken, Zwitschern und Tirilieren imitiert werden, Tenor Ludwig absolviert hier eine kleine Tour de Force an Stakkato-Einsätzen.

Neben "Les Champs-Élysées", bei dem der Autor nicht ganz die aktuelle Erinnerung an brennende Geschäfte und Randale in Paris ausblenden kann, sowie dem stimmlich aufgewerteten Stück von Reinhard Mey bietet das Quartett zum Schluss noch die eine oder andere Gelegenheit zum Lacher. Mit "La Cucaracha" wird die Instrumentierung, wie bei A-Cappella üblich, mimetisch vorgenommen. Also vocal percussions und was der menschliche Körper noch so an Geräuschpotenzial hergibt. Das Ganze steigert sich in der Zugabe noch mit dem bekannten Shanty "What shall we do with the drunken sailor". Wanken, Lallen und stimmliche Dehnungen illustrieren das Stück mit deutlicher Geste und beenden den hochwertigen Abend mit einem lockeren Abgang.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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