Ismaning:Mehr Trennungen, mehr Wohnungsprobleme

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Reinhard Beinhölzl geht nach 37 Jahren bei der Familienberatung in den Ruhestand. Die Arbeit hat sich in der Zeit gewandelt

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Beinahe wären die 37 Jahre noch voll geworden. Am 1. Juni 1982 trat Reinhard Beinhölzl seine Arbeit bei der Familienberatung in Ismaning an. Seither hat er den Weg zunächst in den Schloßgartenweg, dann in die Emil-Kurz-Straße und schließlich in den zweiten Stock des Sozialzentrums in der Reisingerstraße einige hundert Male gemacht. An der roten Tür, hinter der seit 1997 die Räume der Familienberatung liegen, klebt ein Schild mit der Aufschrift "Lösungen". Die hat Beinhölzl gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen und den Klienten, die zu ihnen kamen, in den vergangenen Jahrzehnten stets gesucht und sehr oft auch gefunden. Ende des Monats geht der Sozialpädagoge nun in den Ruhestand und übergibt die Leitung der Familienberatung an seine Nachfolgerin, Luisa Finzi.

Er habe es nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben, sagt Beinhölzl. Dass er im Beratungsbereich arbeiten wollte, wurde dem heute 65-Jährigen bereits im Studium klar. Die theoretischen Inhalte an der Fachhochschule in München reichten ihm nicht aus. "Man hatte das Gefühl, man schnuppert überall hinein, aber lernt nichts intensiv", erinnert er sich. Also beschloss Beinhölzl gemeinsam mit weiteren angehenden Sozialpädagogen, parallel zum Studium eine Therapieausbildung zu machen, in seinem Fall in Familientherapie. Mit dieser und dem Diplom in der Tasche bewarb er sich 1982 bei der Familienberatung Ismaning, wo er als einer der wenigen Männer in diesem Feld mit offenen Armen empfangen wurde.

Die Familienberatung war 1974 gegründet worden als eine der ersten Beratungsstellen in Bayern überhaupt - der Modellversuch stieß auf so gute Resonanz, dass die Beratungsstelle 1981 offiziell staatlich anerkannt wurde. Der Beratungsbedarf ist seither kontinuierlich gestiegen, das lässt sich sowohl an den Fallzahlen ablesen, die Beinhölzl und seine Kolleginnen verzeichnen, als auch an der Zahl der Mitarbeiter: 2,75 Vollzeitstellen hatte die Beratungsstelle einst, heute arbeiten dort in Teilzeit sieben Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie drei Verwaltungskräfte. Weitere Honorarkräfte, eine Juristin, ein Gynäkologe und ein Psychologe vervollständigen das Team.

Träger ist seit 1991 der Zweckverband "Kommunale Schwangerenberatung der Region München Nord/Ost", den die Landkreise München, Ebersberg, Erding und Freising sowie die Kommunen Ismaning, Unterföhring und Garching bilden. "Ein Träger, der einen wirklich trägt", wie Beinhölzl bilanziert. Um das ganze Einsatzgebiet abzudecken, bieten die Sozialpädagogen neben der Zentrale in Ismaning auch Außensprechstunden in Neufahrn, Erding, Freising und Kirchseeon an.

Seit 1984 war Beinhölzl stellvertretender Leiter der Familienberatung, 2006 übernahm er die Leitung dann von Annegret Wanka. Seit seinem Amtsantritt hat sich auch inhaltlich einiges verändert. "Was auf jeden Fall zugenommen hat, sind die Trennungen", beobachtet Beinhölzl. In diesem Feld haben die Sozialpädagogen seit den Achtzigerjahren mit mehr Konflikten zu tun, auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber bei einer Trennung inzwischen beiden Elternteilen weitreichende Umgangsrechte mit gemeinsamen Kindern zubilligt. Die gestiegene Zahl der Trennungen habe aber nicht nur negative Auswirkungen, sagt Beinhölzl. "Viele Paare kriegen das auch gut hin." Eine rechtzeitige externe Unterstützung kann dabei behilflich sein. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Beratungen wegen ungewollter Schwangerschaften in den vergangenen 37 Jahren deutlich gesunken - dank besserer Verhütungsmethoden und auch durch den verstärkten Sexualkundeunterricht, sagt der Sozialpädagoge. In der jüngeren Vergangenheit ist eine Sorge bei den Ratsuchenden dafür immer mehr in den Fokus gerückt: "Wohnungsthemen haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, vor allem im Raum München", sagt Beinhölzl. Wenn etwa ein weiteres Kind die Frage aufwirft, ob Wohnung und Gehalt nach der Geburt noch reichen für die Familie.

Eines hat sich nicht geändert: Es sind vor allem Frauen, die sich Rat holen. Auch wenn Familie und Kinder für Männer durchaus an Bedeutung gewonnen haben, liege der Anteil der Männer in den Beratungsstunden über die Jahre konstant bei 25 bis 30 Prozent, berichtet Beinhölzl. Er selbst will seine neu gewonnene Zeit im Ruhestand vor allem seiner Frau und Familie widmen. Außerdem wartet noch ein Seniorenstudium der Geschichte und Philosophie - aber das beginnt Beinhölzl vielleicht erst nächstes Jahr.

Die Familienberatung Ismaning bietet von Montag bis Freitag zwischen 8 und 20 Uhr vertrauliche Termine an und hilft bei Fragen zu Schwangerschaft, Sexualität sowie Partnerschafts- oder Familienkonflikten. Um eine Terminvereinbarung unter Telefon 089/96 07 99 50 wird gebeten. Außensprechstunden finden regelmäßig in Neufahrn, Erding, Kirchseeon, Freising statt. Weitere Informationen unter www.familienberatung-ismaning.de.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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