Ismaning:Imame aus Deutschland

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Benjamin Idriz, hier bei einem Besuch einer überfüllten Münchner Erstaufnahmeeinrichtung 2014, bezeichnet sich selbst als europäischen Muslim. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Benjamin Idriz diskutiert in Ismaning über Ängste und Religion

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Die Nachrichten von den Gräueltaten, mit denen die selbst ernannten Kämpfer des Islamischen Staats den Mittleren Osten terrorisieren, erschüttern die ganze Welt. Die Taten lösen Angst aus, Unverständnis und Sorge. Und sie werfen viele drängende Fragen auf, an die Politik, aber auch an die Theologie. In welcher Beziehung steht der Islam zu den selbsternannten Kriegern, die vorgeblich in seinem Namen morden und zerstören? Ist die Gewalt in gewisser Weise gar eine typische Auslegungsweise für den Islam? Nein, sagt Benjamin Idriz ganz entschieden.

Idriz ist Imam der Islamischen Gemeinde in Penzberg, er gilt als einer der bekanntesten Vertreter eines liberalen Islams in Deutschland. Der Mazedonier, starker Verfechter von Integration und seit 2009 Vorsitzender des Vereins Münchner Forum für Islam, wehrt sich in der Diskussionsrunde mit dem evangelischen Theologen Werner Blechschmidt ganz entschieden gegen den Missbrauch von Begriffen. Einen immer wieder zitierten "Heiligen Krieg" gebe es nicht im Koran, betont Idriz, das Wort "Djihad" versteht er als Einsatz für eine Sache. Die Untaten des selbst ernannten IS träfen all die Muslime, die friedlich in ihrem Glauben leben, doppelt. Zum Einen fühlten auch sie sich als Bürger bedroht; zusätzlich gerieten sie unter Rechtfertigungsdruck und erlebten Argwohn, weil andere Muslime Terrortaten begehen. Umfragen zufolge macht der Islam inzwischen vielen Deutschen Angst.

Um dem zu begegnen, setzt Idriz auf Aufklärung in beide Richtungen. Er betont: "Wenn jemand, der sich Muslim nennt, Gewalt ausübt, dann ist das nicht meine Religion, von dem will ich mich abgrenzen." Die Münchner Imame haben sich 2014 in einer gemeinsamen Erklärung von den Taten des IS distanziert. Viel Konfliktpotenzial zwischen den Bewohnern östlicher und westlicher Staaten, so wird in der Diskussion deutlich, liegt aber nicht in der Religion, sondern vor allem in der kulturellen Prägung der Menschen begründet. Der Islam hingegen sei auch eine europäische Religion, betont der Mazedonier Idriz: "Ich bin ein europäischer Muslim."

Und der Islam werde künftig von Muslimen in Europa geprägt werden, ist Idriz überzeugt. Auch die vielen Menschen, die derzeit nach Europa kommen und ihre Kultur und Religion mitbringen, werden die Gesellschaft der Zukunft mitbestimmen. Darum hält es der Imam für zentral, dass der Islam in Deutschland und Europa klare Strukturen bekommt - und eine neue Theologie, die zum hiesigen Werteverständnis passt: "Wir brauchen jetzt Imame, die in Deutschland ausgebildet werden". Sechs islamische Institute an deutschen Universitäten gebe es bereits. Um muslimischen Migranten die Integration zu erleichtern, hat das Münchner Forum für Islam eine Broschüre entwickelt, in der die wichtigsten Richtlinien des Zusammenlebens in Deutschland auch theologisch begründet werden.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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