Ismaning:Beruf mit Zukunft

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Karina Ronto hat von Azubi Dominik Seitz eine VR-Brille aufgesetzt bekommen. Damit kann sie jetzt durch ein Chemie-Anlage gehen und alles prüfen. (Foto: Claus Schunk)

Die Bundesagentur für Arbeit und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft bilden in einem zwölfmonatigen Pilotprojekt Digitalisierungspädagogen aus

Von Anna Degenhart, Ismaning

Die Digitalisierung sei wie eine Welle oder ein Zug, auf den man aufspringen müsse, um nicht unterzugehen, sagt Ralf Holtzwart, der Vorsitzende der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit. Diese hat gemeinsam mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ein Pilotprojekt gestartet, in dem vor allem arbeitssuchende oder arbeitslose Akademiker, aber auch Studienabbrecher, Techniker und Meister zu "Digitalisierungspädagogen" weitergebildet werden. Als solche sollen sie Unternehmen beim digitalen Wandel helfen.

Die zwölfmonatige Weiterbildung begann im November 2018. 41 Teilnehmer in München und Nürnberg lernen jetzt die Grundlagen von IT, Pädagogik und Management. Eine davon ist Karina Ronto, die gerade eine Praxisphase bei der COC AG in Ismaning absolviert. Holtzwart und Bertram Brossardt, der Geschäftsführer der vbw, besuchten das Unternehmen vergangene Woche, um über das Pilotprojekt zu informieren. Die COC AG bietet unter anderem IT-Beratungen für Geschäftskunden an. Damit machen sie im Grunde schon das, wofür die Digitalisierungspädagogen ausgebildet werden, sagt Wolfgang Seitz, der Ausbildungsleiter von COC. Als sie damit 1990 anfingen, seien noch einige skeptisch gewesen, ob sich PCs durchsetzen würden, erzählt Geschäftsführer Andreas Bublak. Ronto ist schon mit digitaler Technologie aufgewachsen. Sie wird "Digipäd", wie sie sagt, um auch andere bei der Digitalisierung mitzunehmen. Die Mediengestalterin suchte eine Arbeit, die ihr Sinn gibt. Sie bildete sich in Richtung Training und Beratung weiter. Als sie damit nicht gleich eine Festanstellung fand, kam ihr das Angebot ihrer Arbeitsvermittlerin für den neuen Lehrgang gerade recht: "Digitalisierung bedeutet oft Schmerz. Viele haben Angst, dass der Job wegrationalisiert wird. Ich will Berührungspunkte schaffen und zeigen, dass es eine technische Hilfe ist, die das Leben erleichtert und Spaß in den Job bringt."

Ronto interessiert sich besonders für den Einsatz von digitalen Medien bei der Weiterbildung von Mitarbeitern. Das kann zum Beispiel eine Virtual-Reality-Anwendung für Sicherheitsunterweisungen sein, wie sie COC gerade für einen Chemiekonzern entwickelt. Der Nutzer bewegt sich in einer virtuellen Chemieanlage und muss darin verschiedene Gefahrenstellen beseitigen. Die Idee dahinter ist, Spaß ins Lernen reinzukriegen, sagt Bublak. Der zuständige Sicherheitsbeauftragte habe allerdings an Erfolg und Umsetzbarkeit der neuen Methode gezweifelt. Bei solchen Widerständen könnten laut Bublak Digipäds helfen. Brossardt ist der Ansicht, dass der Transport der Digitalisierung in eine größere Organisation schwer sei und es auch in Spitzenunternehmen jemanden brauche, der es treiben kann: "Der Oberboss oder die Oberbossin muss Hilfe haben, das Ziel umzusetzen. Wie krieg ich's gewuppt, dass sich die Belegschaft reinhängt?"

Das Pilotprojekt ist aus dem "Pakt für berufliche Weiterbildung 4.0" hervorgegangen, den die bayerische Staatsregierung 2018 mit BA, vbw und weiteren Organisationen schloss. Die vbw schätzt, dass infolge der Digitalisierung in Bayern 2025 circa 350000 Fachkräfte fehlen werden. Gleichzeitig werde lebenslanges Lernen immer wichtiger. Die Weiterbildung zum Digitalisierungspädagogen sei deshalb ein kleines, aber wichtiges Projekt, so Brossardt. Wie genau die Digitalisierung die Arbeitswelt verändern wird, sei aber unklar, sagt Holtzwart: "Wir wissen nicht, was es braucht." Der Lehrgang vermittele deshalb grundlegende Fähigkeiten und folge dem Motto "Versuch und Irrtum".

Ein anderer Teilnehmer machte sein Praktikum bei einem kleinen Gartenbauunternehmen und war dort für Prozessanalyse und Qualifizierung der Mitarbeiter zuständig. Bei kleineren und mittleren Unternehmen bis um die 250 Mitarbeiter sieht Bublak allerdings kaum Bedarf für volle Stellen. Holtzwart kann sich gut vorstellen, dass sich Teilnehmer später als Berater selbständig machen. Brossardt jedenfalls sieht es als Option für den Wirtschaftsverband, selbst einen Digipäd zu beschäftigen.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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