Ismaning:Begegnung mit der Raupe Nimmersatt

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Jana Heumann führt in der Gemeindebibliothek Ismaning Ein- bis Dreijährige an die Welt der Bücher heran

Von Marlene Thiele, Ismaning

Eine Bücherei ist ein Ort der Ruhe. Da rührt sich nicht viel, zumindest nicht außerhalb der Buchseiten, heißt es. In der Gemeindebibliothek Ismaning rührt sich an diesem Morgen dagegen so einiges: Da geht die Tür immer wieder auf und strahlende Kinder kommen hereinspaziert. Ein etwa zweijähriger Junge mit grüner Daunenjacke und goldblonden Locken unter einer Wollmütze fällt Jana Heumann stürmisch um den Hals. Sie lacht: "Schön, dass du wieder da bist, Simon. Schön, dass ihr alle wieder da seid. Und soll ich euch was verraten? Wir können heute sogar ein neues Kind begrüßen!" Der kleine Leo interessiert sich schon eine Weile für die "Bücherzwergerl", jetzt ist endlich ein Platz freigeworden und er kann auch dabei sein. Dass die anderen Kinder und sie schon ein eingespieltes Team sind, ist gar kein Problem, sagt Jana Heumann: "So ist das eben in dem Alter, ein Kommen und Gehen."

Die "Bücherzwergerl" sind die Allerkleinsten in Ismaning: 25 Kinder im Alter von ein bis drei Jahren kommen im Zwei-Wochen-Rhythmus in der Gemeindebibliothek zusammen, um Geschichten zu hören und das Medium Buch kennenzulernen. Für ältere Kinder gibt es hier schon länger spezielle Angebote, die Lesefrühförderung ist neu. Jana Heumann hat sie vergangenen Oktober ins Leben gerufen. "Früher habe ich die Kinderbuchabteilung in der Bücherei geleitet, seit ich nur noch halbtags arbeite, geht das aber nicht mehr", erklärt sie. "Ich wollte unbedingt weiter mit Kindern arbeiten - mein Herz hängt einfach an ihnen." So entstand die Idee. Die "Bücherzwergerl" leitet Heumann gemeinsam mit Eva Hübner. Die Kinder sind in zwei Gruppen aufgeteilt und wechseln sich jede Woche ab. Es sind immer ungefähr zehn, die in der Bücherei zusammenkommen, jedes mit einem Elternteil oder mit Oma, Opa oder Tagesmutter.

Mit anschaulichen Bildern werden die Kinder an Bücher herangeführt. (Foto: Robert Haas)

Nach dem ersten großen Hallo setzen sich alle in einen Halbkreis um einen Spielteppich und ein Schellenring läutet die offizielle Begrüßung ein. Gemeinsam singt die Gruppe ein Ständchen für jedes Kind, das die klimpernden Glöckchen in der Hand hält, dann wird das Instrument weitergegeben. Maresa hat den weitesten Weg vom einen Ende des Halbkreises zu Simon am anderen Ende. Auf dem Rückweg stolpert sie. "Im dem Alter können die Kinder noch nicht so lange laufen", weiß Jana Heumann und schmunzelt. Sprechen auch noch nicht wirklich, aber das Zuhören klappt schon ganz gut.

Deswegen kommt jetzt auch endlich die Geschichte: "Die kleine Raupe Nimmersatt", ein Klassiker, zu dem gibt es sogar eine CD. "Normalerweise lesen wir vor, aber bei der CD sind die Geräusche so nett gemacht." Während der Hörbucherzähler schmatzend und knuspernd nachmacht, wie sich die kleine Raupe Nimmersatt durch Wassermelone und Eiswaffel frisst, blättert Jana Heumann in der Buchausgabe mit und zeigt den Kindern die entsprechenden Bilder. Die Raupe wird immer dicker und verwandelt sich am Ende in einen bunten Schmetterling. Jana Heumann klappt das Buch auf und lässt den gemalten Schmetterling über den Köpfen der Kinder kreisen. Eine kleine Begeisterung bricht aus. Schon toll, so ein Buch.

Zuhören und staunen: Alle zwei Wochen liest Jana Heumann in der Ismaninger Gemeindebücherei Kleinkindern aus Bilderbüchern vor. (Foto: Robert Haas)

Um auch einen Einblick in andere Bücher zu bekommen, werden welche auf dem Spielteppich ausgelegt. Emma schnappt sich ein Fühlbuch, bei dem der kleine Hund in der Geschichte ein Fell zum Streicheln hat. Zum Vorlesen hat sie Oma und Opa dabei.

Die Schmökerzeit gibt es bei jedem Treffen und auch die Lieder sind immer dieselben. "Das ist wichtig. Durch die Rituale fühlen sich die Kinder sicher und geborgen", erzählt Jana Heumann. Sie ist eigentlich Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, ihre Kollegin Eva Hübner ist Kulturwissenschaftlerin. Vom richtigen Umgang mit Kindern wissen sie aus Erfahrung, durch Gespräche mit Pädagogen, Bücher und Fachzeitschriften. "Wichtig ist auch, die Kinder nicht zu überfordern. Nach dem Lesen gibt es immer genug Zeit zum Spielen."

"Dieses ausgewogene Konzept ist toll", meint eine Tagesmutter, die neben ihren zwei Schützlingen auch ihr eigenes Kind mitgebracht hat. "Bücher, Freispiel und am Ende die Entspannungsphase - das ist genau das Richtige in dem Alter." Während der Entspannungsphase schaukeln die Erwachsenen die Mädchen und Jungen auf dem Schoß, dazu gibt es träumerische Musik und jedes Kind bekommt "Zauberseifenblasen" zugepustet. Die Kleinen greifen danach. Für sie ist es noch einmal ein kleiner Höhepunkt.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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